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Hochverrat für nubische Schönheit
Brandenburger Theater holt AIDA in die Chur- und Hauptstadt


Aida (Gesine Forberger) und Radames (Jens Klaus Wilde) versichern sich ihrer unsterblichen Liebe.

Kotofeij K. Bajun
Vier Buchstaben – und das Haus ist krachend voll. Mit der Brandenburger Erstaufführung von AIDA setzte das Theater an der Grabenpromenade unbestritten einen Höhepunkt seiner Winteroffensive. Eingeladen gastierte das Staatstheater Cottbus mit seinem philharmonischen Orchester unter Leitung eines in Hochform dirigierenden Marc Niemann. Und wer schöne Stimmen hören wollte, der wurde bestens bedient. Unter den Damen brillierte Aida selbst, die nubische Königstochter und Sklavin am Hofe Pharaos, mit dem angenehmsten Sopran. Woher Gesine „Aida“ Forberger während ihrer Arien diese durchdringenden, kraftvoll und ausdauernd gehaltenen Höhen nahm, die sie mit Macht ins Parkett entsandte, war unergründlich.

Das allein verdiente schon einen der kleinen Zwischenakklamationen des Publikums. Leider kontrastierte ihre etwas ins Puttelhafte geratene Gewandung zu der durchgebildeten Stimme. Das ebnete einer überragenden Marlene Lichtenberg als Prinzessin Amneris das Feld, die einfach nur der Hingucker des Abends war. Bühnenbeherrschend rauschte die Diva mal in blau, mal in weiß durch die Szene und machte selbst Frauenblicke weich und zärtlich und sehnsuchtsvoll. Dass sie – obschon mit einem ähnlich großen Mezzosopran gesegnet – Nuancen hinter ihrer Opern-Rivalin Lichtenberg zurückblieb, fiel nur dem auf, der seine Augen für einen Augenblick von dem Frauenzimmer wegbekam, das mit Rasse und Klasse agierte. Der Gegenstand der Begierde beider Damen war mit Jens Klaus Wilde glücklich besetzt. Sein tenorbesetzte Rolle als umschwärmter Feldherr Radames überzeugte, die schauspielerische Leistung ebenfalls und das ist bei Aida alles andere als leicht und selbstverständlich. Denn hier produziert Verdi Bella Italia in Reinkultur mit lediglich dahingehauchter, ja angedeuteter altägyptischer Tarnung.

Gefühl, Gefühl! Herz und Schmerz! Macht und Liebe und Eifersucht: Prinzessin liebt strahlenden Feldherrn, der wiederum seine Seele der nubischen Königstochter verschrieben hat, die unglücklicherweise einen Arbeitsvertrag als Sklavin bei der verschmähten Prinzessin hat. Erfolgreicher Feldherr opfert der machtlosen Geliebten Heimat, Erfolg, Thronprätendenz und – die Hand der entzückenden Marlene Lichtenberg. Beide Liebenden sterben den gemeinsamen romantischen Tod. Die Geigen streicheln sie ins jenseitig-überirdische Liebesglück zur schmelzenden Musik Giuseppe Verdis und nicht nur Italien heult Rotz und Blasen!

Ralf Nürnberger, der sowohl Regie führte als auch für ein exzellent spartanisches Bühnenbild verantwortlich zeichnete, das sich unaufdringlich aber charakterisierend in die Handlung einflocht, wurde schon in der Pause mit vielem Lob bedacht. Diana Pählers Kostümausstattung hingegen sah man schon verhaltener. Sie griff Verdis Zeit auf, die Epoche der Kairoer Uraufführung 1871. Die Zeitgenossen Ismail Paschas hätten sich durchaus im Stück wiedergefunden; nicht so diejenigen, die Altägypten mit Ramses II., dem „strahlenden Sieger von Kadesh“, assoziierten. Über die biederen Hausmädchen, die Krankenschwestern als Florence-Nightingale-Reminiszenzen und die Kosaken, welche wohl das ruhmreiche Heer Pharaos repräsentierten, hätten auch sie sicher gestaunt. Dass der äthiopische König Amonasro die ägyptische Prinzessin mit einer waschechten Parabellum M08 bedrohte, gab dem dramatischen Geschehen sogar noch eine lustige Nuance. Schön die Idee, ein Teil des fulminanten und sehr opulent präsenten, tonal blitzsauberen Chores vom Seitenrang her ertönen zu lassen, begeisternd das Novum, die Fanfaren und Trompeten quasi quattrophon aus den hinteren Emporen heraus erschallen zu lassen.


Prinzessin Amneris (Marlene Lichtenberg) zieht alle Blicke auf sich

Die Cottbuser zeigten wieder einmal, dass sie mehr können als Wasser kochen und wer da meinte, bis auf die Insel Berlin sei Ostelbien ein kulturelles Meer der Ruhe, der durfte sich an diesem Abend getrost beschämen lassen. Das BT behauptete wieder einmal souverän seinen angestammten Platz im Herzen der Havelstadt mit drei gewichtigen Hammerschlägen in kurzer Folge: Kiss me Kate, Antigone und Aida – und wer da meint, was könnte jetzt noch kommen...? Da kommt noch was: Armin Müller Stahl zum Beispiel!


Prinzessin Amneris (Marlene Lichtenberg) zieht alle Blicke auf sich

 
B
10. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

22.01.2012