Baaks

zurück zum Landboten

 

zurück zur Stammseite "BÜCHER"

 

Abgründe des Schwachsinns
SAT1 peinigt deutsche Fernsehlandschaft mit Wanderhuren

Kotofeij K. Bajun
Kennen sie die Kramkisten in den Bahnhofszeitungsläden? Da liegt gehäuft die Schund- und Dutzendliteratur für die gelangweilten Reisenden, die kein Auge mehr für die Schönheit der Landschaft haben. Der ganze Ramsch wurde vor einigen Jahren mit hanebüchenen Geschichtchen um nassforsche Vorkämpferinnen der Emanzipation in den Zeiten des europäischen Mittelalters aufgeblasen. Dieses Druckerschwärze fressende und explosionsartig anwachsende Geschwür sonderte nunmehr eine filmische Metastase ab. Aus „Die Kastellanin“ wurde „Die Rache der Wanderhure“. Eine Wanderhure rächt sich also. Aha. Wer aber rächt uns, die Gemarterten, die zum Ertragen dieses absurden Gebräus verdammt wurden?
Heiliger Ivo Hélory von Kermartin, der du bist der Schutzheilige der Juristen, erleuchte deine Mägde und Knechte! Lass sie ihre durchparaphierten Hirne umrühren und einen Passus ermitteln oder ersinnen, der dem cineastischen Bösen zu Leibe rückt. Und dann lasset uns die Gemeinde der Gequälten unter dem geschändeten Kelch Jan Žižkas und Andreas Prokops versammeln und auf Unterföhring ziehen! Lasset uns das Hauptquartier der Schelme von SAT 1 belagern, die uns am Abend den 28. Februarius im Jahre des Herren 2012 nach des Heilands Geburt feige und hinterhältig mit einem Haufen Zelluloid angriffen, den sie "Die Rache der Wanderhure" nannten. Die Heerführer der Feinde heißen Thomas Wesskamp, Dirk Salomon und Hansjörg Thurn. Sie schrieben das Drehbuch und führten Regie. Als willige Spießgesellen gelang es ihnen Alexandra Neldel, Bert Tischendorf, Götz Otto, Esther Schweins, Julian Weigend und Johannes Krisch anzuheuern. Einzig der den verspäteten Mongolen mimende Ill-Young Kim und der Kleinwüchsige Michael Markfort waren sehenswert – bis sie den Mund aufmachten, der Rest präsentierte sich als eine Bande von Gauklern übelster Art. Die wirkten ja alle dermaßen überfordert...!
Kein noch so scharfer Verriss könnte dem Streifen gerecht werden, wie auch die Vorlage „Die Kastellanin“ von Iny Lorentz zu den Büchern gehört, die als „schmutzige Waffen“ eigentlich einer Ächtung durch die Genfer Konvention anheim fallen sollten. Mittelalter-Spuk für Unterschichten! Schlimmer geht’s nimmer. Das ganze triviale Machwerk unter dem Zeichen der fünf bösen „B's“: brutal blödsinniger, bescheuerter und banaler Budenzauber der schlimmsten Kategorie raste in einem vernichtenden Tornado durch die deutschen Wohnstuben und wir – litten, litten, litten!
Es gibt da ja diese Fantasy-Rollenspiele, in denen sich Zeitgenossen in masturbatorischem Eifer in andere Epochen hinein träumen, die es so nie gab. Das ist ja auch nicht weiter verwerflich. Kleine Kinder spielen im Buddelkasten, die großen ergehen sich halt in Rollenspielen. Auch das Fabulieren soll noch erlaubt sein! Tolkien setzte mit seinem „Herren der Ringe“ Standards. Aber uns diesen schwachsinnigen Müll anzubieten, der darauf basiert, die Probleme der Münchner Schickeria ins 15. Jahrhundert zu transferieren und uns sodann mit dem billigsten aller möglichen Gut-Böse-Kontraste zu martern – das geht entschieden zu weit! Das war die unterste Schublade von Käpt'n Kirk und den frühen Godzillas! Die Fernsehanstalt SAT1 zählt gewiss nicht zu den Vorkämpfern für Anspruch, Bildung und Niveau. Mit der „Wanderhure“ aber haben sie sich selbst untertroffen. Hier hat sich ein deutscher Fernsehsender für ein paar Quoten-Kreuzer prostituiert und die übel riechenden Schenkel gespreizt für die Konsumenten aus der Kaste der intellektuellen Tiefflieger.
Ja, ja, das ist alles Polemik! Wo bleibt die sachliche Kritik, Herr Bajun? Ehrlich gesagt, das ist kaum möglich – denn wo nur soll man beginnen, wo ansetzen? Bei der grottigen Leistung der Mimen, die ein Schmierentheater vortrugen, wie es seelenloser und hölzerner nicht mehr geht? Bei dem Drehbuch, dass die böhmischen Damen und Herren sowie die Hussiten ungeniert fehlerfrei auf deutsch parlieren und dabei dennoch deren politisch-gesellschaftliche Anliegen völlig unberücksichtigt links liegen lässt? Das war ja alles so billig!
Oder nehmen wir die grauenvolle, die armen Katharer vom Montségur blutig verhöhnende Posse um die Äbtissin Isabel de Melancourt: Diese Dame gibt sich als aus dem Samen der Reinen stammend zu erkennen. Sie leitet zweihundert Jahre nach der Tragödie in den Pyrenäen als katharische Äbtissin mitten in den erzkatholischen Landen ihre Schwestern an und bildet sie nach dem Vorbild der Schaolin-Mönche zu Bogen schießenden Amazonen aus. Am fatalen Schluss des Machwerks lässt sie ihre Krieger-Nonnen aufziehen, wie Peter Jackson einst seine Elfen-Krieger. Die katharischen Nonnen arbeiten mit Äthermasken und anderen Narkosetechniken bis hin zum meisterhaften Bogenschuss. Und keine Inquisition bekommt in zweihundert Jahren davon Wind? Kyrie eleison! Nun gut, wenn der katholische Geheimdienst dermaßen unterbelichtet war, wie der im Film dargestellte Großinquisitor, dessen Resthirn in den Hodensack abgerutscht schien, dann mag das glaubhaft wirken. Das Problem dabei: Das Officium Sacrum bestand keineswegs aus maskierten, obsessiven und notgeilen Kretins! Das waren ganz clevere Bürschlein, wenn auch oft religionsbedingt ein wenig irre!
Doch schauen wir weiter: Ein paar Meilen ostwärts dient ein böhmischer Graf seine Tochter einem hergelaufenen Landsknecht und Schwertkünstler an, der unter Amnesie leidet und auch seinen Personalausweis gerade nicht bei der Hand hat. Dem Jung-Siegfried-Verschnitt Bert Tischendorf bietet das Drehbuch sogar eine Dreiecksbeziehung mit zwei rattenscharfen Weibern, wobei die alternde Neldel schon mehr Bein zu zeigen gezwungen ist, auf dass man woanders nicht mehr so genau hinsehe. Zumal ihre Konkurrenz, die leider sehr farblos agierende Xenia Georgia Assenza, geschlagene vierzehn Jahre jünger ist und auch noch einen makellosen, faltenfreien Teint zu bieten hat. Doch der Held bleibt moralisch sauber und anständig, selbst als er im gräflichen Freibad der ihre Oberweite schamhaft aufreizend mit den Armen verdeckenden „Rusalka“ Assenza gegenübersteht – außer dass er bei dieser Gelegenheit unter dem Einfluss seiner Amnesie seinem Busenfreund Thomas einen Pfeil durch die Karotiden jagt. „Nimm mich, o nimm mich! Am besten gleich neben dem gerade von dir erlegten Blondschopf, o du Männlicher!“, spricht es aus der abgeschmackten Filmszene. Der schwertschwingende Wirtsbengel verschmäht das junge Blut und die Grafenkrone und bleibt bei seiner etwas reiferen Katinka. Es ist das ausgelatschte Strickmuster von angedeutetem Sex and Crime und bonbonfarbener, süßlich-verlogener Romantik, das schon unsere Großeltern zum Gähnen brachte, vorausgesetzt, deren IQ valuierte nicht unter dem Gefrierpunkt. Der erlegte Blondschopf also: der gepfeilte Thomas, Heldenfreund a. D., auf GZSZ-Level gemimter und gestotterter Part von Daniel Roesner. Den Namen vergessen wir gleich wieder. Behalten wir ihn nur in Erinnerung als Thomas den Glücklichen, denn der hat's wenigstens hinter sich. Auf die Chance, durch die Hintertür des Hades zu entfleuchen und uns von ihrer Gegenwart zu befreien, müssen Julian Weigend als Maskenmann und „Großinquisitor des Heiligen Stuhls“ sowie Johannes Krisch als völlig unsinnig auf Königskronen ambitionierender Strauchritter allerdings noch warten. Sie dürfen erst kurz vor Ultimo von den Pfeilen der Katharer-Amazonen (man denke nur eine Sekunde lang über den Irrwitz nach, der von diesem Wort impliziert wird!) perforiert als Nadelkissen endigen. Gott sei Dank! Über Krisch lässt sich nicht viel mehr sagen, als dass seine Kinksi-Imitation zur schauerlichen Parodie verkommt. Und was den Weigend betrifft – wir haben die Schnauze gestrichen voll von Maskenmännern mit Samenstau. Einen hat man gerade lebenslänglich eingebuchtet. Das ist auch gut so, denn wir wollen sie weder real noch virtuell!
Doch lassen wir dem Manne Gerechtigkeit widerfahren: Mit der völlig abwegig angelegten Rolle eines großinquisitors und deren stümperhaften Umsetzung diskreditierte Weigend im Nachhinein alle Ketzer- und Hexenjäger selbst bei dem unterbelichteten Teil der Bevölkerung, angefangen bei Konrad von Marburg über Torquemada, Gui bis hin zu Heinrich Kramer. Er pisste quasi auf ihre Gräber und ihre Namen und rehabilitierte somit ungewollt deren Opfer. Die Botschaft, dass es sich bei diesen Typen um schwer gestörte Naturen handelte, sollte demzufolge auch beim SAT1-Zielpublikum angekommen sein, selbst wenn sich deren Pausenbrote beim morgendlichen IQ-Wettbewerb regelmäßig durchsetzen.
Es ließe sich noch unendlich viel anführen – schon angefangen bei dem Unfug, eine spätmittelalterliche Frau, gar eine ehemalige Hure, als kaiserliche Diplomatin und „Emma“-Abonnentin verkaufen zu wollen – aber es wird zuviel, zuviel. Dieser Wirrsinn verliert kein Wort über wirklich erfolgreiche Damen, wie die mit ihrem Kopf arbeitende Frau Glikl von Hameln. Nein, es müssen waffenführende Amazonen sein, deren Qualität sich nach ihrer Rauflust und ihrer Schnoddrigkeit bemisst. Es gab auch hammerhart agierende Politik-Koryphäen im Rock, sicher! Aber wohlgemerkt: Wir reden, was die Wanderhure betrifft, nicht von Marosia! Das alles kann man nicht mal mit einer halben Flasche 54%igen Kuba-Rum 'runter spülen! Amerikanisches Drehmuster mit engen Bezügen zu dem trivialen Xenia- und Herkules-Quatsch – an diesem Schund war so ziemlich, wie bereits gesagt, alles billig, ausgenommen die Produktionskosten. Sobald uns der eingangs erwähnte Heilige Monsieur Saint Yves eine probate Eingebung hat zukommen lassen, die belegt, dass das Opus des Grauens der Herren Sven Burgemeister und Andreas Bareiss justiziabel sei, wollen wir das Visier herunter klappen und mit der Streitaxt gegen den Schild klopfen. Dann sei ein weiterer literarischer Holmgang gewagt! Denn es ist schon schlimm genug, dass die progrediente Verblödung der deutschen Bevölkerung bundesweit mit allerlei TV-Formaten forciert wird – weiteren Stinkbomben und Nebelkerzen darf kein Raum gegeben werden!


 
B
10. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

29.02.2012