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Unterwegs mit einem Fürsten
Ganz falscher Woldemar führt Besuchergruppen durchs finstere Brandenburg

Kotofeij K. Bajun
Die märkische Geschichte kennt drei Markgrafen des Namens Woldemar, die den Anspruch erheben können, die jeweils letzten Vertreter des Hauses Askanien zu sein. Da wäre Woldemar der Große, der starb 1319. Gefolgt wurde er von Woldemar dem Falschen, mit bürgerlichem Namen Jacob Rehbock, der ein gelernter Mühlenknappe war - der starb 1356. Und schlussendlich ist da Woldemar der ganz Falsche, mit bürgerlichem Namen Dr. Christian Heise, der sich als Chemiker durchs Leben schlägt.

Und weil Letztgenannter den Stein der Weisen noch immer nicht gefunden hat, macht er nebenbei in Stadtführungen der besonderen Art: "Hoch und Heilig" nennt er sie und unterstützt wird er durch sechs Getreue, die als Bischof von Brandenburg, Diener des Bischofs von Brandenburg, Teufel, Theriakhändler, emanzipierte wendische Priesterin (nota bene!), germanische Herzogsneffen, deutsche Burgsassen, Kneze (Slawenfürsten) und askanische Markgrafen im Bunde mit Woldemar dem ganz Falschen den Gästen nicht nur einen Spaziergang vorbei an historischen Orten, sondern auch durch die Zeitläufte des ersten nachchristlichen Jahrtausends in Brandenburg an der Havel bieten.

Eines muss der Neid dem Markgrafen auf Zeit lassen – von all seinen Namensvettern hat er wohl die meiste Ahnung von der realen und der sagenhaften Geschichte der Chur- und Hauptstadt. Die anderthalb Stunden der Führung verlaufen wahhaft abenteuerlich. Da verbuddeln die Neffen des Herzogs Ake Harlungentrost das Brisingamen, das kostbare Collier der germanischen Göttin Freya, vor den Augen der Besucher am Nordosthang des Harlunger- oder Marienberges und werden dabei von den Gästen der Führung überrascht. Die Reaktion der martialischen Krieger aus der Völkerwanderungszeit lässt nicht lange auf sich warten: Die verschreckten Gäste werden mit Gebrüll und stumpfer Waffengewalt zu Paaren getrieben, direkt in die Arme der wendischen Priesterin.

Diese raunt unter den Augen des Gottes Triglaw einer Besucherin die Zukunft ins Ohr – und – soviel sei verraten, trifft mit ihrem Orakel aber so was von in die Mitte. Das können eben nur Frauen mit dem zweiten Gesicht! Keine Viertelstunde später bewaffnet der perfide Woldemar seine Besucher mit handfesten Buchenknüppeln gegen den legitimen Herren der Brandenburg, einen gewissen Jaczco von Copnick, und hetzt sie in Ermangelung der mittlerweile planierten Slawen-Burg auf der Dominsel ersatzweise zum Sturm gegen das Slawendorf. Dort wartet Knez Jaczco bereits auf sie und der askanische Bären-Albrecht ebenfalls und die Rauferei um den rechten Glauben und die daran hängende Mark Brandenburg kann beginnen. Dass man den Erbstreit auch im nahen Oberlandesgericht zivil hätte schlichten können, kommt keinem der Kombattanten auch nur ansatzweise in den Sinn. Wie die Geschichte ausgeht, ist jedem Historiker sattsam bekannt: Der geschlagene Jaczco muss sich taufen lassen und fortan als Kneipier und Suppenschelm unter dem profanen Pseudonym Jens Wiedecke die verpimpelten aber übermächtigen Sachsen bewirten. Demütigender geht’s nicht! Die altsächsischen Gäste haben ihre Gaudi.

Immerhin haben sie für das herrliche Spektakel auch 15 Taler berappt. Dafür wurden sie auch nebenbei von ihrem ganz falschen Markgrafen intensiv zur Geschichte Brandenburgs beschult und lassen es sich nun, nach der finalen Schlacht, inmitten abgeschlagener Gliedmaßen schmecken. „Das ist mal was anderes, als die „trockenen“ Stadtführungen!“, sagt einer der glücklichen Sachsenkrieger. Er hat das Massaker mit Glück heil überstanden und nennt sich Werner Müller. Ob er der echte oder der falsche Werner Müller ist, verrät er nicht. Nur, dass es ihm große Freude gemacht hat, das schwört er hoch und heilig, so wie seine anderen vierzehn Bundesgenossen, die einem als promovierten Chemiker verkleideten Landesfürsten durchs abendlich-dämmrige Brandenburg gefolgt sind. Wer das auch erleben möchte, hat dazu am 10.5., 14.6., 09.8., 16.8., und am 20.9. Gelegenheit, wenn er oder sie oder alle beide denn um 18:30 Uhr zum Roland pilgern. Anmelden kann man sich auch unter 0173/83 57 08 4 oder per Email unter kontakt@zeitreise.de. Und – keine Bange – man kommt mit heiler Haut aus dem Abenteuer – hoch und heiliges Ehrenwort!

 
B
10. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

27.01.2012