Mit Schlagzeug und Trompeten
legendäre Brandenburger Band Patchwork
spielte in Klein Kreutz
Michael
L. Hübner
Stellt sich die Informationsabteilung am Heiligen Stuhl geschickt an,
so kann sie dem Papst einen Etappensieg der Gegenreformation nördlich
der Alpen vermelden: Das protestantische Dorfkirchlein von Klein Kreutz,
ausgelegt für vielleicht 120 Gottesdienstbesucher, barst aus allen
Nähten. Gezählte 180 Leute von 1 bis 80, Männer, Frauen,
Christen bis hin zu Ordensschwestern, Heiden, Atheisten... alles, alles
fand sich in dem Gotteshaus, das zum Sprengel von Dompfarrer André
Wiethölter gehört. Doch nicht der rührige Domgeistliche
stand auf der Kanzel und predigte, Luther war auch nicht zu Besuch –
nein, sechs katholische Jungs brachten vor dem Altar die145 Jahre alte
Kirche an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Dabei waren die sechs keine
Wanderprediger, Wundertäter, Reliquienverkäufer – alles,
was sie im Gepäck hatten, waren ihre Instrumente und – ihren
niegelnagelneuen Verstärker. Den konnten sie sich kaufen, weil
sie im letzten September vor Seiner Heiligkeit in Berlin spielen durften,
die Gage wurde flugs investiert – aber an diesem Punkt begehrte
der Allmächtige Vater Luthers doch noch einmal gegen sein katholisches
alter ego auf: So ganz kampflos wollte er die reformierte Bastion denn
doch nicht dem alten Glauben überlassen. Es knarrte und knirschte
und polterte aus den Lautsprechern, was den Frontmann der legendären
Brandenburger Kultband „Patchwork“, Christoph Kießig,
anfangs etwas irritierte. Doch Christoph wäre nicht Werner Kießigs
Junge, hätte er sich nicht zu helfen gewusst: Kurzerhand spannte
er die anwesenden 180 Besucher ins Programm ein – und die gingen
mit! Ein ganzes Kirchenschiff intonierte plötzlich aus dem Stegreif
einen blitzsauberen Kanon, der jedem Volkschor Ehre gemacht hätte.
Da, Heiliger Vater, da haste Dein Wunder! Die Patchworker um Werner
Kießigs Söhne Claudius, Christoph und Clemens, Andreas Schalinski,
sowie Frank und Raymund Menzel erwärmten die Herzen ihrer treuen
Fans mit vielen bekannten Titeln.
Das Publikum sang mit.
Und was da gesungen und gespielt wurde, war kein Blablabla und Tralala
– das hatte den gewohnten emotionalen und intellektuellen Tiefgang
wie in den alten Tagen des Wichernhauses, als die FDJ keine Sonne gegen
diese Barden des Herrn sah. Claudius spielte sein Akkordeon, Christoph
das Saxophon und wenn die Patchworker nicht aufpassen und Roman Baran
mal ausfällt, dann greift sich Laurie Anderson den Claudius und
Supertramp saugt Christoph mitsamt seinem Saxophon ab. Auch Andreas
ist kein so ganz sicherer Kantonist mehr, seit er Proben davon gab,
in welch schwindelerregende Höhen er seine Stimme hinauf schrauben
kann: Jochen Kowalski aus Nauen geht in den Ruhestand – die Stelle
eines Counter-Tenors von Format wird vakant. An den Ruhestand denken
die Patchworker indes noch lange nicht - „Es ist keine Ente, wir
spielen bis zur Rockerrente“, sang einst eine andere Truppe. Stones,
Puhdys, Keimzeit und eben...Patchwork! Sie sind halt Musiker, sie haben's
drauf und sie sind so kraft- und saftvoll wie am ersten Tag! Lieber
Pfarrer, Wiethölter, keine Bange wegen der gegenreformatorischen
Missionierung, Sie waren ja dabei: Die Jungs spielten Country, Folk,
jazziges, Blues – ach was, alles mögliche eben, nur keine
lateinische Liturgie! Die Besucher verließen das Kirchlein von
Klein Kreutz (kommt übrigens nicht vom deutschen „Kreuz“,
Christoph, sondern vom wendischen „kruša“, die Birne;
brauchst Du also bei Deiner nächsten polyglotten Begrüßungsansprache
nicht zu übersetzen!), wie sie gekommen waren: als Protestanten,
Katholiken, Heiden, Atheisten – nur eben etwas glücklicher.