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Klassisches Drama im Parkett
Kotofeij
K. Bajun
Man schimpft am Stammtisch über „die da oben“ und fragt, wie deren Gebaren erklärbar sei! Sophokles gibt die Antwort. Aber niemand hört hin! Da kommt das Theater Neo aus dem kleinen Nauen an die Studiobühne der Havelmetropole: Neun Schauspieler, Profis und theaterbegeisterte Laien lassen das klassische Amphitheater mit rührend spartanischer Bühnenausstattung wiederauferstehen – Siebzig Brandenburger klatschen und trampeln – und der Rest...? Gibt man Tausende aus, um im Urlaub eine tote, antike Bühne in Griechenland zu besichtigen und hätte für ein paar Groschen vor der Haustür ein absolut ebenbürtiges, quicklebendiges Äquivalent? Das eigentliche Drama des Abends stammte also nicht aus der Feder des Sophokles, sondern war das des halbleeren Parketts der Studiobühne! Stahnke, auf der Bühne ein wunderbarer thebanischer König Kreon, berichtete nach der Vorstellung mit bebender Stimme, er hätte Lehrer für seine „Antigone“ zu gewinnen versucht und dabei erschüttert feststellen müssen, dass selbst deren einige mit dem Namen der tapferen Tochter des Ödipus nichts anzufangen wussten! Ist denn das möglich? Ist das wirklich möglich? Das ist es... Leider. Man erinnere sich jener Deutschlehrerin eines Ruhrpott-Goethe(!)-Gymnasiums, die im Oktober 2010 den Urheber des weltberühmten Gedichts „Wanderers Nachtlied“ von 1780 benennen sollte. Dabei hätte sie nur den Namenspatron ihrer Schule aussprechen müssen. Sie wusste es nicht. Was bleibt angesichts dessen? Resignation? Die Studiobühne erlebte eine Aufführung, die Sophokles glücklich gemacht hätte – von Schauspielern, die für den Titel dieses achtbaren Berufes Ehre einlegen. Man zieht ergriffen den Hut und dankt den Schülern, die einen großartigen, antiken Chorus gaben, man fühlte mit Antigone (Sarah Graf), die mit feinem Gestus und starker Stimme den Widerspruch zwischen selbstvergessener Macht und selbstbewusster Menschlichkeit heraus ziselierte, man lernte viel über Machtmissbrauch und das Recht zu zivilem Ungehorsam... Man? Siebzig Leute waren es, und denen, die in die Kirche gehen, braucht man selten zu predigen. Diese siebzig aber kamen doppelt und dreifach auf ihre Kosten. Was natürlich in erster Linie auch einer kleinen, engagierten Theatertruppe aus Nauen zu wünschen wäre.
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© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
21.01.2012