Pfeilgiftfrosch bei Sonnenseglers
Brandenburger Kunstschule debütiert mit
Kinder-Kunstbuch
Das stolze Autorenkollektiv im Hof der
Galerie Sonnensegel
Michael
L. Hübner
Ein zehnjähriger Junge, ein zwölfjähriges Mädchen
legt Mama und Papa, Oma und Opa ein Buch auf den Tisch und sagt: "Schaut
mal rein, wer's geschrieben hat!" Und dann schlägt die Familie
das Büchlein andächtig auf und da steht – der Name des
Sohnes oder der Name der Enkelin. Und es ist nicht irgendein Buch, rasch
dahingeschrieben etwa, durch einen Verlag gejagt und dann liegt's in
der Grabbelkiste des Discounters, nein, es ist ein Kunstbuch aus Kinderhand,
geringe Auflage, so richtig wertvoll. Auf der Leipziger Buchmesse wurde
es sogar vorgestellt, Donnerwetter! „Ricardo rettet den Regenwald“,
heißt es und beschreibt die Geschichte eines kleinen Pfeilgift-Frosches,
der sein Habitat vor raubgierigen Zweibeinern schützen will. Geschaffen
wurde es in zwei Jahren von neun Jungens und Mädchen und fünf
Seniorinnen in der Galerie Sonnensegel. Sie wollten etwas zum Thema
"Utopia" machen, sagt Moritz Hahnebeck. Was das aber sei,
das wussten sie zu Beginn alle nicht so recht. Also bestand kaum die
Gefahr eines Plagiats von Thomas Morus' legendärem, gleichnamigen
Hauptwerk. Nein, ihre Utopia ist eine ziemlich reale Welt der Zukunft,
eine Welt, die vom Menschen systematisch zerstört wird. Sie schrieben,
entwickelten ihre eigenen Schriftbilder, die Kinder jeden Mittwoch,
die Damen der Seniorengruppe jeden Dienstag. Man korrespondierte anfangs
ohne sich zu begegnen. Die Jungautoren schufen auch die ganzseitigen
Illustrationen, jeder Teilnehmer bekam sein eigenen Buchabschnitt zugewiesen.
Alles zusammen – Kunst pur! Die linken Seiten des Buches sind
im semitransparenten Siebdruckverfahren hergestellt, die rechten Seiten
bestehen aus Linolschnitten, der Text steht mittenmang. Günther
Bolle, ehrenamtlicher Drucker im benachbarten Druck-Laden, erklärt
das komplizierte Verfahren. Herausgekommen ist eine kreative kleine
Geschichte auf 52 Seiten, deren 50 Messeexemplare sich am Leipziger
Stand des Verlegers Mückenschwein verkaufte wie warme Semmeln.
Für die Stralsunder Verleger war das Werk übrigens ebenfalls
eine Premiere: Das erste Kunstbuch aus Kinderhand! 300 Exemplare umfasst
die Erstausgabe, die für 19,85 Euro deutschlandweit bei jedem Buchhändler
zu ordern ist. „Nur bei Amazon gibt es das Buch nicht...“,
erklärt Projektleiterin Martina Stein, „...Verlags-Credo
eben.“ Im Rahmen des Projektes reisten die Kinder viel umher,
so nach Leipzig und auch nach Stralsund zu ihrem Verleger. „Anliegen
des Projektes sei es auch gewesen, die jungen Buchgestalter mit jedwedem
Arbeitsprozess auf dem Weg zum verkaufsfähigen Exemplar bekannt
zu machen“, so Stein weiter. Das eigene Werk im Bücherschrank
– das ist etwas fürs Selbstbewusstsein. Diese Kinder haben
Sinnvolles, Produktives, Kreatives mit ihrer Zeit angefangen. Nur die
Frage PreußenSpiegels, ob sich denn aufgrund der Erfahrungen der
letzten beiden Jahre irgendjemand aus der Truppe inspiriert fühlt,
sich später einmal in diesem Gewerbe beruflich umzutun, gab es
kein einziges „Jawoll!“ Macht nichts. Allein die Teilnahme
an diesem Projekt ist eine Sache, auf die man nicht nur selbst stolz
sein kann, sondern dieses schöne Gefühl auch gleich Mama und
Papa, Oma und Opa schenkt.