Leuchtender Schatten Goethes
Harald Arnold und Tanja Letz gestalteten erlesenen
Eckermann-Abend
Tanja Letz und Harald Arnold
Michael
L. Hübner
Eckermann, Eckermann..., da war doch was...! Ach ja, richtig, Goethes
Sekretär! Nein, schon falsch: Goethes Vertrauter, Freund und meisterhafter
Bibliograph; der Mann, ohne den es heute mutmaßlich keinen "Faust
– der Tragödie zweiter Teil" gäbe. Vieles, was
man über Goethe weiß, das stammt von ihm, von Goethes treuem
und notorisch unterbezahltem Adlatus, dem 43 Jahre jüngeren Eckermann.
Und wenn Deutschlands geistreichster Spötter, Heinrich Heine, einmal
in seinem Leben irrte, dann in seiner Beurteilung Eckermanns, den er
despektierlich den Papageien des großen Weimarers nannte. Der
aus bettelarmen Verhältnissen und aus Winsen an der Luhe stammende
Dr. Johann Peter Eckermann hatte sich zielstrebig Bildung erworben und
muss ein edler Charakter gewesen sein, denn Goethe mochte nicht nur
Eckermanns Lyrik, er mochte den ganzen, feingeistigen und trotzdem so
bescheidenen Mann, der ihn, den deutschen Dichterfürsten bedingungslos
bewunderte. Und er mochte ihn in seiner Nähe; ganz anders, als
den unglücklichen Jakob Michael Reinhold Lenz, in dem das Genie
wohl eine überragende Konkurrenz sah, in dem armen Schlucker, den
er, der Patriziersohn aus Frankfurt, fallen ließ, bis Lenzen jung
und verkannt eines tragischen Morgens in der Moskauer Gosse endete.
Dass dieser Eckermann aber trotz seiner beinahe kritiklosen Anbetung
Goethes doch immenses Talent besaß, das ist unzweifelhaft seinen
Werken zu entnehmen. Aus just denen las Harald Arnold in der Reihe des
Brandenburger Theaters "Im Kreuzgang zu St. Pauli". Harald
Arnold – das ist ein Schauspieler, bei dem man zu Hause den Hut
von der Garderobe langt, nur um ihn vor diesem Manne ziehen zu können.
Und wenn es der Enthusiasmus des Moments hergibt, dann kann man das
gute Stück auch getrost in die Luft werfen. Harald Arnold... das
ist einer, der hat verstanden, dass die deutsche Sprache eigentlich
eine Silbermannorgel mit dreihunderttausend Pfeifen ist, und er kennt
die Partituren derer, die dieses kostbare Instrument mit allen Registern
zu spielen verstanden. Da setzt sich der Sprachorganist Arnold auf sein
Stühlchen, bläst den Staub von der Klaviatur und dann –
dann erweckt er eine Welt zum Leben, eine Welt, wie sie längst
untergegangen scheint. Er leiht dem Eckermann die Stimme und –
die Muttersprache erblüht wie eine bunt gefleckte Blumenwiese im
Juni. Fein und kapriziös ist diese Sprache, voller zarter Tremoli
und abgerundet und weich und doch so unendlich ausdrucksstark. Und wenn
Harald Arnold eine Pause macht, dann nickt er einer jungen Dame zu,
einer Berlinerin, die an der Harfe sitzt und deren zarte Finger in die
Saiten ihres Instruments greifen und ihm schmelzende Töne voller
Zauber und Magie entlocken. Diese Dame ist – Jana Boušková...?
Nein, aber sie könnte es problemlos sein und wenn die Prager Symphoniker
eines Tages feststellen sollten, dass ihnen Frau Boušková
abhanden gekommen ist, dann können sie in Berlin bei Tanja Letz
anklingeln. Genauso brillant, genauso schön, genauso liebenswert.
Tanja Letz scheint einem Traum entsprungen, man geht auf sie zu, grüßt
artig und sagt: „Gute Fee, schön, dass wir uns mal begegnen.
Also, meine drei Wünsche wären...“ Und wenn einer dieser
Wünsche lauten sollte: „Spiel mir etwas Wunderbares auf der
Harfe!“, dann wird sie diesen Wunsch sogar erfüllen. Tanja
Letz zuzuhören heißt zu verstehen, dass die Suche der Konquistadoren
nach dem irdischen Paradies zwangsläufig vergebens gewesen sein
musste. Denn dieses Paradies ist dort, wo man als Kind dieser Mutter
abends von ihr in den Schlaf gespielt wird, mit einer Musik wie ein
plätschernder Gebirgsbach, voller Anmut, voller Grazie, auf einer
Harfe aus dem Reich der Elfen. Wenn dieser Abend um den Goethe-Freund
Eckermann eines bewies, dann dieses: Wer auf der Suche nach apartem
Ambiente ist, der braucht nicht bis zum Waldorf-Astoria zu reisen. Eine
Nacht dort ist aufgesetzter, gestelzter, ebenso teurer wie überflüssiger
Luxus. Ein Abend im Dominikanerkloster mit Eckermann, Harald Arnold
und Tanja Letz aber – das ist wahrhaft exklusiv!
Tanja Letz, Bernd Keßler und Harald
Arnold führen durch einen Abend mit Johann Peter Eckermann