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Eine Nachtigall zum Verlieben
Kotofeij K. Bajun Schauen wir doch mal, was sich in ihrem Theater so finden lässt: Also, da hätten wir ein renommiertes, ganz vortreffliches Symphonieorchester, dessen Chef Generalmusikdirektor Michael Helmrath heißt. Den kennt man in ganz Europa und man nennt das ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Das Theater wuchert mit ihm und diese Phiole hätten wir also gefüllt. Dann ist da noch der Rest des ehemaligen, ganz formidablen Ensembles. Das Ensemble heißt Harald Arnold und es gibt wohl niemanden im Theater und bei allen Kulturfreunden Brandenburgs, der sich nicht wünschen würde, Harald Arnold möge mindestens einhundertundfünfzig Jahre alt werden und der Bühne ebenso lange erhalten bleiben. Denn Harald Arnold ist eine sogenannte Legende. Und dann haben sie da noch die vielen Leute, deren Herzblut nicht nur durch ihre Adern sondern durch die des Theaters gleich mit fließt. Wenn man das alles zusammenrührt und ein bisschen kocht und destilliert und abgießt und wieder aufwärmt und außerdem noch die Poppenspeelerin Susanne Forster in München und den Professor Georg Katzer in Zeuthen anruft und fragt, ob sie auch Lust haben, Gold zu machen, dann findet sich am Ende im Tiegel wirklich so etwas wie das strahlende Edelmetall, aus dem die Träume so vieler Menschen gewoben sind. Man macht daraus kein Collier und kein Diadem, kein Fingerring und keine geprägten Dukaten – aber ein bezauberndes Stück! Das lässt sich daraus schon schmieden. Wie das dann aussieht, das haben sich einige von euch am 16. März 2012 in der Studiobühne ansehen dürfen. Das Gold-Stück hieß „Die Nachtigall“ und stammt ursprünglich aus der Feder von Dänemarks großem, Märchen dichtenden Sohn Hans Christian Andersen. Und der war sogar an diesem Tage persönlich anwesend. Glaubt ihr nicht? Ihr werdet doch wohl nicht... Ihr erzählt doch wohl Oma und Opa, Mama und Papa nicht etwa, der da in elegantem Gehrock und Zylinder, Handschuhen und Stehkragen auf die Bühne kam, sei Harald Arnold gewesen! Nein, Kinders, das war Hans Christian Andersen! 1805 in Odense geboren, lebt er, wie ihr selbst sehen konntet, noch immer, nur, um euch eine Freude zu machen und sein Märchen zu erzählen. Nun gut, das hättet ihr euch zur Not auch selber durchlesen können – aber so schön prononciert? Na seht ihr. Und was ist mit der herrlichen, die Stimmung des Märchens so überaus treffend aufgreifenden Musik, die der Professor Katzer eigens für diese Aufführung komponiert und die der Maestro Helmrath mit seinen Symphonikern so schön aufgeführt hat? Aber das ist nur der Teil für eure Ohren. Was sich da vor euren weit aufgerissenen Kinderaugen abgespielt hat, das war doch nun wirklich märchenhaft, nicht wahr? Wie von Geisterhand bewegten sich kleine, lichtdurchflutete, farbenfrohe Puppen über eine Leinwand. Die Szenenbilder zauberten in einer Überblendtechnik Landschaften aus dem Reich der Mitte vom Drachenthron bis hin zum chinesischen Meer herauf, in denen der Kaiser von China und seine Untertanen einschließlich des Küchenmädchens und einer Katze spazierten. Natürlich zwitscherten auch die beiden Protagonisten durch die verzauberte Welt: die echte Nachtigall und die mechanische, welche der Tenno aus Japan seinem Amtskollegen in Peking verehrt hatte. Und die beiden trällerten um die Wette. So ganz allein konnten die das natürlich nicht. Assistiert wurden sie von Lucas Weißbach von Christiane Ziehls Jugendtheater, der hübschen Leipzigerin Steffi Lampe – Leipzigerinnen sind seid Goethes Tagen immer hübsch – und der ganz souverän agierenden Marita Dörner. Die drei gaben alles für euch, denn glaubt mir, ihr Rangen, das ist gar nicht so einfach, den Puppchens so unter die Arme zu greifen, dass diese auf dem Boden bleiben, der gar keiner ist, sie nicht unfreiwillig Purzelbäume schlagen und sie mal kleiner, mal größer werden zu lassen, wie es die Perspektive eben verlangt. Ich weiß, ich weiß: Das war euch erst mal wurscht. Ich hab euch gesehen, ihr Kinder von vier bis achtzig Jahren: Ihr wart so hineingezogen in das Geschehen, dass selbst der obligatorische Zappelphilipp unter euch das Hampeln und das Schwätzen vergaß. Ihr wart hin und weg. Ich verrate euch was – ich war es auch. Wenn man einen alten, gestandenen Zausel wie mich, einen nüchternen, knochentrockenen und desillusionierten Realisten aus der Schule Baruch Spinozas ins Feenreich entführen kann, dann haben die Alchimisten vom Theater wieder mal ganze Arbeit geleistet! Dann haben sie wieder mal aus ihren Reagenzien, Phiolen und Tiegeln Gold gekocht. Das müssen sie auch, denn die Obrigkeit will ihnen das letzte Bisschen auch noch wegnehmen. Darum, dass aus einem Bühnen-Gold-Stück auch harten Golddukaten werden, mit deren Hilfe das Theater noch in der Lage ist, auch für eure Kinder und Enkel einst so schöne Traumwelten zu zaubern, darum solltet ihr euren Freunden und Freundinnen, euren Eltern und Großeltern, euren Tanten und Onkels davon erzählen. Berichtet ihnen, wie es euch gefallen hat, als euch der elegante Biedermeier-Herr Hans Christian Arnold, Verzeihung, Harald Andersen natürlich, mit herrlicher Betonung und auswendig – das Buch war bloß Staffage – eines seiner lieblichsten Märchen vorgetragen hat und wie fein die Musik in euren kleinen Ohren klang, und wie reizvoll euch die bunten Bilder die Welt da draußen für eine Stunde vergessen ließen. Die Welt des Theaters nämlich, das werdet ihr früher oder später feststellen, wenn ihr euren Geist nicht an sinnfreie Vorabendprogramme und an Ballerspiele vergeudet, die braucht man wie die Luft zum Atmen. Denn diese Welt, dieses Gold kann man überall hin mitnehmen, wohin es einen auch zieht. Es ist das einzige Gold, das sich selbst vermehrt – in euch nämlich. Und wenn ihr größer seid, dann zeigt euch Christiane Ziehl vielleicht, wie man das macht, das Gold. Und dann seid ihr die zukünftigen Alchimisten des Glücks! |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
17.03.2012