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Gripsholm
K.K.Bajun
Ein Schloß in Schweden, am Mälarsee, gar nicht weit weg von
Stockholm.
Bekannt geworden durch Tucholskys
unsterbliche, wenn auch leider fiktive Sommergeschichte. Der gemeinsame
Urlaub 1931 mit der Prinzessin Lydia, seinem Freund Karlchen und –
eine Woche später – mit Lydias Freundin Billy. Man kommt am
Zauber dieser Geschichte ebensowenig vorbei, wie an „Rheinsberg
– ein Tagebuch für Verliebte“.
Im Jahre 2000, fünfundsechzig Jahre nach Tucholskys Tod, ließ
es sich Xavier Koller (?) angelegen sein, einen Film „nach den Motiven“
dieser Geschichte zu inszenieren.
Die Avantgarde des bis
auf wenige Ausnahmen heruntergekommenen Deutschen Films ging ihm dabei
zur Hand, anstatt sich tapfer zu verweigern. Noethen, Makatsch, Tabatabei,
Thomas... Das sind die Namen derer, die sich nicht entblödeten, einen
rufmörderischen Schinken auszuhecken. Möge Ihnen die Filmhölle
gut geheizt werden! Denn dieser Film ist Rufmord! Und nichts anderes.
Rufmord an Tucholsky,
an seinem Büchlein, an seinem Freund Karlchen, ach – an überhaupt
allem.
Dieses unsägliche Werk sollte den Zeitgeist widerspiegeln. Aber nicht
doch, Herr Koller. Indem Sie einen blitzgescheiten, kreuzliberalen Mann
wie Karlchen zum fliegenden SA-Mann umstilisieren? Fiel Ihnen nichts Besseres
ein, als dieser hanebüchene, hohlköpfige Unsinn? Ach, hätten
Sie doch Ihrer ganzen kleinen, abartigen Geschichte und den darin agierenden
Personen andere Namen gegeben, um von vornherein jede Verwechslung auszuschließen!
Natürlich ist es unsagbar schwer, die ganze Poesie, die uns aus Tucholskys
Zeilen entgegenleuchtet, einzufangen und auf Zelluloid zu bannen. Wer
sich aber diese Arbeit zutraut, der sollte schon eine ungefähre Vorstellung
davon haben, wohin die Reise geht.
Dieses bemühte Opus jedoch läßt darauf schließen,
daß Herr Koller wohl eher die Einspielergebnisse vor Augen hatte
(haben mußte?), als Stoff und Aussage von Tucholskys Gripsholm.
Bei nachwachsenden Generationen, die einer inneren Leere folgend einen
immer größeren Hang zum Analphabetismus verspüren, und
deren Ansprüche ans Kino vornehmlich von amerikanischen Machwerken
geprägt wurden, ist das sicher nachvollziehbar. Um diese Leute ins
Kino zu bekommen, durfte „Action“ so wenig fehlen, wie Sex.
Letzteres fanden wir in einem flotten Dreier wieder, der die entsprechende,
wirklich von knisternder Erotik umflorte Szene aus dem Original nun seinerseits
hemmungslos vergewaltigte.
Ich verfüge über keine Zahlen, würde aber eine Wirtshauswette
darauf setzen, daß der Film an den Kassen ein erbärmlicher
Flop war. Dafür allerdings die alleinige Schuld einem zunehmend verblödenden
Publikum anlasten zu wollen, wäre wohl nicht nur ungerecht, sondern
auch arg subjektiv. In einem Kinderbuch las ich einmal von einem Jungen
und einem Mädchen, die mit einem havarierten Motorboot auf der Havel
unterwegs waren. Sie riefen den Kapitän eines polnischen Lastkahns
um Hilfe an und baten ihn mit folgenden Worten: “Du uns können
schleppen?“ Zum allgemeinen Erstaunen fragte der Pole zurück:
„>Du uns können schleppen...< Was ist das für ein
schlechtes Deutsch! Hast Du in der Schule nicht aufgepaßt?“
Worauf der Junge krebsrot anlief und verlegen stammelte: „Ich dachte,
dann verstehen Sie mich besser.“ Der Kapitän antwortete darauf:
„ Unsinn. Wenn man etwas gut versteht, dann eine sauber gesprochene
Sprache.“ Recht hatte er. Das trifft auch auf Herrn Kollers Film
zu. Anbiederung an einen vermeintlichen Publikumsgeschmack hat ihm nicht
nur das erhoffte, junge Publikum nicht in die Kinosäle zu locken
vermocht, es hat auch diejenigen verprellt, die die veraltete Kunst des
Lesens beherrschten und das Buch verinnerlicht hatten. So kann man mit
Recht davon ausgehen, daß der Film zum Desaster wurde.
Wenn man den Mut hat Farbe zu bekennen – auch wenn diese Farbe unmodern
oder gar unpopulär sein sollte – dann riskiert man eine ehrenvolle
Niederlage. Eine Schmach jedoch, wie in diesem Falle, ist ausgeschlossen.
Und wenn man denn meint, man könne den Stoff nicht anders transportieren,
es sei denn, man verbiege ihn bis zur Unkenntlichkeit – dann belasse
man es tunlichst beim Original.
Dieser Film jedoch ist eine Gewalttat, die einen sowohl den Aufwand als
auch das Geld an der Kinokasse reuen läßt. |