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Meier Helmbrecht

von Hêrn Wernher dem Gartenaere

K. K. Bajun

Um Hêrn Wernher zu ehren, verwenden wir im Folgenden die mitteldeutsche Höflichkeitsform „Hêr“, statt des neuhochdeutschen „Herr“.

 

Ein mittelhochdeutsches Kunstwerk der Literatur aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts

Als Deutschland und Europa noch mit ausgedehnten, dichten Wäldern besetzt waren, aus denen hie und da nur die dünnen Rauchfahnen vereinsamter Weiler oder Dörfchen hervorstiegen; als noch die großen Städte nicht mehr Einwohner zählten als heute kleine, verschlafene Provinznester; als auf einigen wenigen Berghöhen sich trotzige Burgen erhoben, deren Inneres mehr einem gut bewehrten Bauernhof, einem mit dicken Mauern umkränzten Schweinestall ähnelte - da lief die deutsche Literatur in ihren Kinderschuhen...

Tat sie das?

Der Eindruck drängt sich uns im Abstand der sieben, acht Jahrhunderte auf, die seither vergangen sind. Aber dieser Eindruck trügt gewaltig!

Man möge sich vor Augen führen, daß achtzig Jahrzehnte, achtzig Spannen eines Menschenlebens einen für einen einzelnen Menschen riesigen Abgrund an Zeit darstellt. Und wenn jeder für sich überlegt, was ihm an vertrauten Dingen aus der Kindheit schon in der kurzen Zeit seines irdischen Daseins abhanden gekommen ist, dann dürfte es nicht schwerfallen zu erkennen, was seit den Zeiten der Ritter, Mönche, Troubadoure an Wertvollem unrettbar verloren ging. Was uns blieb, sind bestenfalls die haltbareren Kulturgüter aus Stein oder Edelmetallen, die romanischen und gotischen Dome, Klöster, und Zweckbauten, sowie der kostbare Schmuck der Herrschenden. Vergänglichere Zeugnisse des Schaffens unserer Altvorderen verfielen bald dem Zahn der Zeit.

Dennoch sollte uns der Anblick der majestätischen Bauwerke, die sich teilweise auch heute noch in schwindelerregende Höhen erheben, die fein gearbeiteten Kostbarkeiten in den Museen von jeder Überheblichkeit gegen die Alten gründlich kurieren!

Deren Wissen und Können war enorm. Für uns heute kaum nachvollziehbar oder gar reproduzierbar. Das einzig wahrhaft Finstere am Mittelalter ist unser Wissen von dieser Zeit!

Und so können wir auch getrost davon ausgehen, daß auch der Sprache jene Sorgfalt und Meisterschaft gewidmet wurde, die wir beispielsweise auf einem reich verzierten romanischen Säulenkapitell zu entdecken vermögen. Nur mit der Möglichkeit der Speicherung, der Bewahrung dieser Kunst war es eben nicht zum Besten bestellt. Die Ressourcen fehlten und es gab mehr Menschen, die es verstanden, einen Stein kunstvoll zu behauen oder einen Armreif zu schmieden, als zu lesen oder eben gar zu schreiben.

Zudem war die Schriftkultur ein teures und daher eher sparsam eingesetztes Vergnügen. Jedes Buch mußte von Hand verfertigt werden, von der ersten Seite bis hin zum oft kostbaren Einband. Die Auflagen waren dementsprechend gering. Oft waren Bücher Unikate.

Der gebildeten Leserschaft werden die Namen Hêr Wolfram von Eschenbach (Parzival), Hêr Hartmann von Aue, Hêr Gottfried von Straßburg und natürlich der überragende Hêr Walther von der Vogelweide ins Gedächtnis kommen, wenn von der Schriftkultur dieser Zeit die Rede ist.

Man denkt an höfische Ritterromane, an Minnelieder, an gregorianische Gesänge. Selbst der dem Parzival innewohnende immense Genius ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Auch bei ihm wird scheinbar nur die Lebensform der herrschenden Schichten dargestellt.

Das Leben der unteren Kasten, der Bauern und Städter, Handwerker und Kaufleute wurde gemeinhin als vernachlässigbar angesehen. Erst in der aufkommenden Renaissance verwandten Schriftsteller ein Interesse auf diesen Themenbereich.

Hier setzt Hêrn Wernhers Helmbrecht an:

Erzählt wir die Geschichte von einem jungen und hübschen, bärenstarken Bauernsohn namens Helmbrecht, der- in den sogenannten Nährstand hineingeboren wurde, mit diesem Leben jedoch nicht zufrieden war und höher hinaus wollte.

Das Leben, das ihm der Vater bieten konnte, war nun eben kein reiches. Dennoch zählte der Vater schon zu den wohlhabenderen Landleuten. Vier stattliche Ochsen besaß er, ein eigenes geräumiges Haus, Knecht und Magd, eine Scholle eigenen Landes, Hühner und Schweine.

Wäre es nun nach dem Vater gegangen, so wäre ihm der Sohn auf dem Hofe gefolgt, hätte eine gute Partie geheiratet und schon die nächste Generation hätte ein stattliches Anwesen geerbt. Der alte, der Meier Helmbrecht, der Vater also, muß in seinen Kreisen ein geachteter Mann gewesen sein.

Das alles aber reichte dem Sohne nicht. Der Gedanke daran, daß sich bescheidener Wohlstand in den "unteren" Schichten der Bevölkerung auf hartes Tagwerk gründet, war ihm zuwider. Er wollte mit wenig Mühe alles haben: gut gekleidet sein, gut zu essen haben, trinken nur nach Herrenart: Wein und Bier - nicht das Wasser der nahen Quelle.

Mit einem Wort: er wollte parasitieren! Dieses Bestreben ist den Generationen bis zum heutigen Tage nicht verloren gegangen. Daher bezieht denn der "Helmbrecht" seine enorme Aktualität.

Nun gab es damals zwei Stände, der zu diesem "Parasitentum" durchaus berechtigt war: Die weltliche und die geistliche Herrschaft. Natürlich hatten diese Stände nach dem Verständnis des mittelalterlichen Weltgefüges entsprechende Gegenleistungen zu erbringen. Die weltlichen Machthaber hatten das einfache Volk mit dem Schwert zu schützen und an diese Aufgabe notfalls ihr Leben zu wagen, die geistlichen Hirten hingegen hatten der Seele des einzelnen Menschen das unsterbliche Heil, den Weg zu Gott zu sichern.

Doch wo Menschen eine Aufgabe übertragen bekommen, werden sie im allgemeinen ganz fix darauf bedacht sein, diesen neuen Verantwortungsbereich dahingehend zu nutzen, daß der eigene Geldbeutel prall und praller wird, der eigene Machtbereich sich mehr und mehr erweitert. Die sie zu schützen haben, werden im Zuge dieser Bestrebungen zu einer Schafherde, die man eher vor den Hirten denn vor den Wölfen bewahren müßte.

Diese Tendenz begann sich im ausgehenden 13. Jahrhundert stärker und stärker abzuzeichnen. Man beobachtete diese weithin spürbare Verletzung der göttlichen Ordnung mit wachsender Sorge.

Das Rittertum beispielsweise verarmte immer mehr, weil ihm durch den Machtzuwachs der urbanen Kaufmannschaft der ökonomische Teppich unter den eisenbewehrten Füßen weggezogen wurde. Standesdenken hingegen verhinderte selbst einen Broterwerb, wie er einfachen Handwerkern zu Gebote stand. Landverkauf war nur sehr begrenzt möglich, da die meisten Ländereien, über die die Ritterschaft verfügte, sogenannte "Lehen" waren - also grob gesagt: Pachtland. Und was an eigenem Land und Schmuck und Habe erst einmal veräußert war, das war weg und auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Die neuen Reichen, die Kauf- und Handelsleute waren, wie schon gesagt, die großen Profiteure auf dem Wege hin zur frühbürgerlichen Gesellschaft.

Und so war es sicherlich kein Zufall, daß die verarmten Ritter genau diese Leute zum Ziel ihrer Anschläge erkoren. Hier fanden sie meist ungeschützt und leichtem Zugriff dargeboten alles, was sie mit ihrer zunehmenden Verarmung entbehren mußten.

Der Raubritter war erfunden. Die alten höfischen Ideale galten nichts mehr. Edelmut und Ehrencodex waren nichts mehr wert. Jetzt galt der für viel, der am grausamsten mordete, schändete, stahl und raubte.

Genau dies ist die Zeit, in der Hêr Wernher seinen Helmbrecht nach einem ritterlichen Leben schielen läßt.

Der Vater, der seinen Sohn abgöttisch liebt und all seine Hoffnungen in ihn gesetzt hat, versucht mit allen Mitteln der Argumentation, der Warnung, der Überzeugung, den Sohn von diesem als fatal eingestuften Schritt abzuhalten.

Es ist zum ersten völlig gegen das Gebot Gottes, den Stand oder das Metier verlassen zu wollen, in das man hineingeboren wurde. Zum anderen wird der Vater schon registriert haben, auf welches Geleise die untere höfische Gesellschaft gerutscht ist. Und so ist ihm auch nicht entgangen, mit welcher fürchterlichen Rache Raubritter zu rechnen haben, wenn sie denn in die Hände ihrer ehemaligen Opfer fallen. Und daß es sein Sohn zu einem rechtschaffenen Baron, Grafen oder gar Herzog werde bringen können, daran zweifelt der Alte mit gutem Grund. Hierfür fehlt es nicht nur an der materiellen Vorraussetzung, auch die entsprechende Ahnentafel gibt einen solchen gesellschaftlichen Aufstieg nie und nimmer her.

Der junge Fant hingegen kennt nur ein Ziel: weg vom Pflug, weg von harter körperlicher Arbeit. Ein scharfes Schwert, ein schnelles Roß, (Omas Erbe, einen geilen Porsche) und ab geht die Fahrt ins gottlose Leben.

Um die notewendige Konsequenz solch haltlosen Treibens augenscheinlich zu machen, verzichtet Hêr Wernher sogar auf das schon im Mittelalter durchaus übliche Happy-End. Er gewährt dem Bengel genau ein Jahr seiner Ausschweifungen, in dem sich alles den Vorstellungen des jungen Helmbrecht zu fügen scheint. Dann schlägt das Schicksal zu. In Gestalt des Richters und seiner Büttel.

Helmbrechts Spießgesellen werden nach der Art der viehischen mittelalterlichen Gesetzsprechung abgeurteilt, aufgeknüpft und ausgerottet. Helmbrechten selbst, als dem letzt Hinzugekommenen erweist man die zweifelhafte Gnade, es beim Ausstechen beider Augen, dem Abhacken der einen Hand und des einen Fußes zu belassen und jagt den solchermaßen Verstümmelten zur grausamen Warnung aller in die Welt hinaus.

Der Weg des Krüppels führt ihn an sein Vaterhaus. Der Vater jedoch gewährt dem gefallenen Sohn nicht die erhoffte, die biblische Aufnahme. Er jagt ihn von dannen, obgleich es ihm das Herz bricht.

Nach einem weiteren Jahr einer Bettlerodyssee wird Helmbrecht dann in einem Walde von wütenden Bauern gestellt, denen er zu seinen Raubritterzeiten schwersten Schaden an Leib und Seele zugeführt hatte. Wie vom Vater seinerzeit prophezeit, machen die nun kurzen Prozeß mit ihm und knüpfen ihn anderthalb Klafter über dem Erdboden an einen Baum.

Soweit zum Inhalt des epochalen Büchleins. Wie aber auch im Parzival, so steckt auch hinter diesen Zeilen weitaus mehr als der oberflächliche Leser vermuten würde.

Zunächst einmal lesen wir es in seinem originalen Idiom -

dem Mittelhochdeutschen.

Wir lesen und hören hier die Mutter unseres Neuhochdeutschen, die Sprache unserer Altvorderen. Und wer da meint, die Verse seien in grobe Knittelreime gesetzt und er müsse Vergleiche mit den kunstvollen Gamben und Hexametern der Oden, Balladen und Versromane der Aufklärung anstellen, der ist auf dem bitteren Holzwege.

Dieses Werk folgt einer genial durchdachten metrischen, d.h. genau abgemessenen Komposition voller versteckter Bezüge. In 1934 Zeilen tritt uns hier das sprachliche Pendant zu einem gotischen Dom wie Chartre oder Canterbury gegenüber, ein Altar der Worte, den Altären eines Veit Stoß oder Dillmann Riemenschneider in nichts nachstehend. Vier Haupttafeln kreisen um drei Geschehnisachsen, zeitliche Abfolgen, Anzahl der Überredungsversuche des Vaters, der Büttel, der Umstimmungsversuche des nunmehr verkrüppelten Sohnes, dessen Spießgesellen, ja selbst der väterlichen Ochsen folgt einem genau abgewogenen Zahlenkodex, der dem mittelalterlichen Menschen bestens bekannt war - er konnte denn lesen oder nicht.

Und immer wieder finden wir Bezüge auf das Wort Gottes, wie es in der Bibel geschrieben steht, als Mahnung, dieses im Herzen zu behalten und durch eigene Taten zu kräftigen, statt den gottgewollten Weg zu verlassen.

Hêr Wernher meint es gut. Er agitiert im guten Glauben, daß es der Krone der Schöpfung möglich sei, durch Einsicht zur Besserung zu gelangen. Natürlich. Immerhin ist der Mensch der Mittelpunkt der gottgeschaffenen Welt. Das Ziel der Schöpfung, seine Krone.

Gott war perfekt, seine Schöpfung somit ebenfalls makellos. Nur seinem Zentralentwurf, Adam und Eva, hatte er den freien Willen eingeräumt – eritis sicut Dii, scientis bonum et malum, ließ er die Schlange der Urmutter ins Ohr blasen. Und die mißbrauchten die wertvolle Gabe prompt und brachten damit die Welt aus dem Gleichgewicht. Die Erbsünde. Ja, das war’s. Nur so ließ sich der tiefe Riß erklären, der sich durch die ansonsten vollkommene Welt eines vollkommenen Gottes zog. Und aus diesem Riß entquollen Tod und Teufel, Bosheit, Eigennutz und Verbrechen. „Kain, Kain, wo ist dein Bruder Abel?“ fragte Gott den ersten Mörder. „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ gab dieser zurück, wohl wissend, daß er ihn erschlagen hatte.
Das alles sah der Mensch des Mittelalters im freien Willen begründet. Er hatte keine Ahnung von der Evolution und ihren Gesetzen.
Wir hingegen vermögen schon etwas differenzierter zu urteilen. Wir wissen, was Gene sind und ahnen ihre Macht. Die Spätfolgen von traumatischen Kindheitsereignissen sind uns beinahe Allgemeinposten. Und was die sogenannte Peer-group, also der hauptsächliche, alltägliche und gemeinhin gleichaltrige Umgang des Heranwachsenden, für Einfluß entfalten kann, ist seit langem erwiesen. All dies sind machtvolle Kräfte, die sich mit unerhörter Kraft an der Formung einer Persönlichkeit maßgeblich beteiligen. Insofern sehen wir uns nicht mehr in dem Maße eines Freien Willens teilhaftig, wie der mittelalterliche Mensch. Um uns einen Rest dieses Freien Willens zu bewahren, schauen wir vielmehr verzweifelt nach den Kausalitäten unseres Verhaltens, das über Erfolg oder Mißerfolg in der Gesellschaft entscheidet.
Diese mentale Herangehensweise war unseren Altvorderen nicht verfügbar.
Und – um einem Mißverständnis vorzubeugen – der Freie Wille des Mittelalters bedeutete keineswegs die persönliche Freiheit des Individuums. Nein, weit gefehlt! Es ging hier nur um die Freiheit, sich zwischen „gut“ und „böse“ zu entscheiden. Nichts sonst! Zwischen Schwarz und Weiß, Himmel und Hölle. Welches Verhalten welcher Kategorie zugeordnet wurde, war genauestens definiert.
Ein Überschreiten dieser Grenzen, so wie es Helmbrecht in Angriff nahm, war ein Frevel wider Gottes Ordnung. Und das konnten sich weder Gott noch Gesellschaft bieten lassen.
Natürlich wäre es verfehlt, die damalige Welt als statisch zu betrachten. Vertikale Bewegungen in der Gesellschaft hat es selbstredend immer gegeben. Wir denken an die einst mächtigen Merowinger, die von ihren Hausmeiern abgelöst wurden, als diese peu a peu in den Besitz der tatsächlichen Macht gelangt waren. Analog dazu hatten sich in Japan die Schogune an die Spitze des Staates gestellt und den Tenno zu einer Marionette deklassiert. Machiavellismus gab es in jedem Volke zu Hauf. Und es blieb Spinoza am Ende nur festzustellen, daß jeder soviel Recht behielte, wie er Macht hätte. Wer sich also auf seinem Wege nach oben durchsetzen konnte, war ein von Gott offensichtlich Begünstigter, wer auf diesem Wege unter die Räder kam – ein Frevler gegen die göttliche Ordnung, der seine gerechte Bestrafung erfahren hatte. Das ist, gehässig gesagt der Hauptunterschied zwischen einem Helmbrecht und dem Nürnberger Burggrafen Friedrich, dessen Nachfolger einst einem gewaltigen Reich ihren Willen aufzwingen sollten. Hätte also Hêr Wernher nicht von Anfang an mit seinem Büchlein vorgehabt, eine bestimmte Kernaussage zu treffen, es wäre keineswegs pure Phantasie gewesen, hätte er seinen Helden mit zunehmendem Einfluß „ehrlich“ gemacht und spätestens in der vierten Generation zum anerkannten Adel gehören lassen. Die Chance war aufgrund der Tüchtigkeit des Helmbrecht – es wäre hier auch nicht verkehrt, von krimineller Energie zu sprechen – durchaus gegeben. Aber, wie gesagt, das war Hêrn Wernhers Intention mitnichten.
Prinzipiell gelten die Lehren, die aus Hêrn Wernhers Opus zu ziehen sind, noch heute. Selbstverständlich ist es nach all den revolutionären Prozessen, die seither im gesellschaftlichen Denken stattgefunden haben, kein Delikt mehr, aus eigener Kraft aus dem Stande auszubrechen, in den man hineingeboren wurde, es gehe gut oder schlecht.
Der gegenwärtige Bundeskanzler, Herr Gerhard Schröder beispielsweise, stammt aus einfachsten Verhältnissen. Eine solche Karriere wird sogar konsensuell als sehr beachtlich gewertet.
Doch das nur nebenbei.
Wichtig ist, daß wir verstehen, daß Hêr Wernher seinen Helden nicht zuletzt deshalb scheitern ließ, weil der nicht gewillt war, für seinen angestrebten Aufstieg hart und kontinuierlich zu arbeiten, sondern ohne große Mühe alles auf einmal und das sofort haben wollte.
Es ging also dem Dichter letztendlich darum, aufzuzeigen, daß ein Leben auf Kosten anderer kein gottgefälliges sein kann. Dabei wird sicher nicht in Abrede gestellt, daß man sein Leben immer nur mit Unterstützung anderer zu fristen in der Lage ist. Der Nackte Affe ist nun mal ein Rudeltier und die sich daraus im Laufe der Evolution ergebenden sozialen Abhängigkeiten unterscheiden uns von denen Einzelgängern, wie Bär, Luchs oder Dachs. Aber gerade aus diesem Umstand erhellt, daß ein funktionierendes Zusammenleben in einer Gemeinschaft nur auf einem Geben und Nehmen basieren kann, wenn ein erträgliches Gleichgewicht gewahrt sein soll. Helmbrecht hingegen meinte nur nehmen zu müssen. Und diese Rechnung kann auf Dauer nicht aufgehen!
Insofern hätte der Helmbrecht, obschon fast wie ein Lehrstück für die unteren Stände anmutend, auch der französischen Aristokratie als Mahnung dienen können. Hätte diese Klasse von Ignoranten und Prassern den mittelhochdeutschen Dichter, Hêrn Wernher der Gaertnere, gekannt und dessen Aussage ernst genommen, sie hätten sich auf der Place de Greve wahrscheinlich nicht von ihren Köpfen trennen müssen und ihre Schlösser noch eine Weile behalten. Und nicht nur sie. Darum sollten wir, die wir jetzt leben und über das Erbe verfügen dürfen, das von unseren Müttern und Vätern auf uns gekommen ist, dieses Erbe gründlich studieren und klug nutzen, auf das uns die Fallgrube erspart bleibe, in die vor achthundert Jahren ein junger Tunichtgut gestolpert ist, der mit den falschen Mitteln alles gewagt und alles verloren hat.

B 1. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003