zurück
zur Stammseite "BÜCHER"
|
Troja
Ein Film von Wolfgang Petersen
K. K. Bajun
Singe mir, o Muse, den Zorn des
Peliden…“
So hebt sie an, die älteste Dichtung des Abendlandes. Und als Deutschland
noch eine Bildungsnation war, vor etlichen Jahrzehnten, da galten die
Homerischen Verse als unsterblich.
Nun, wir wissen heute, das waren sie nicht! Gestorben sind sie nach knapp
drei Jahrtausenden auf breiter deutscher Nachkriegsflur, als Mickey Mouse
und Donald Duck, die Cowboys und knallharten amerikanischen Detektive
per Kino, Comicheft und Mattscheibe zurümpelten, was an deutschem
Geistesleben noch vorhanden war und östlich der Elbe eine bürgerlich-humanistische
Bildung obsolet zu werden begann.
Nun hat Wolfgang Petersen den ehrenwerten Versuch unternommen, das menschheitserschütternde
Geschehen um den Untergang der kleinasiatischen Handelsmetropole Troja
neu in Szene zu setzen – und unser Eindruck ist: Es ist ihm phantastisch
gelungen!
Unsere Leser wissen wohl, daß wir „Landboten“ cineastischen
Werken meist skeptisch gegenüberstehen und die Meßlatte sehr
hoch zu hängen pflegen.
Gerade, was Filme anbelangt, in denen es von Blut nur so spritzt, in denen
muskelbepackte Schönlinge von edler Herkunft um geschminkte Schönheiten
buhlen und für die Stunden ihrer Lust Tausende und Abertausende anonymer
Statisten mit dem Schnippen ihres Fingers in den Tod schicken.
Warum dann klatschen wir dann diesem jüngsten aller Sandalenfilme
Beifall? Erfüllt er doch genau diese Kriterien, die unseren Daumen
gewöhnlich nach unten sinken lassen. Oder doch nicht?
Das mit den Schönlingen stimmt schon. Und an aufgeputztem Weibsvolk
ist auch kein Mangel. Und ließe sich aus dem vergossenen Filmblut
eine ordentliche Plundwurscht kochen – das äthiopische Hungerproblem
wäre fürs erste gelöst.
Nein, wir denken, die Wahl der Schauspieler war vortrefflich, auch wenn
wieder durchscheint – wie könnte es auch anders sein –
daß die Erscheinungsbilder der Helden von damals den modischen Forderungen
der Gegenwart angepaßt werden.
Sicher, die Auswahl der Couture kommt authentischer einher, als in den
klassischen Vertretern des Genres aus den Fünfziger und Sechziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts. Das aber ist es nicht, was uns letztendlich
überzeugt.
Der Regisseur hält sich so sauber es eben geht an die Vorlage Homers
und läßt – eine Reminiszenz an unser immer atheistischer
werdendes Zeitalter – die mitmischenden Götter des Olymps außen
vor. Es ist Prinz Paris, der zu guter Letzt mit kundigem Gebrauch seines
Flitzebogens dem Ausnahmekrieger Achill die Ferse durchbohrt – nicht
der Sonnengott Phöbus Apoll! Wer den Pfeil mit unsichtbarer Hand
lenkte – das kann jeder halten, wie er will.
Daß der listenreiche Odysseus von Ithaka auf Einflüsterung
seiner Patronin, der Weisheitsgöttin Pallas Athene (einer antiken
Entsprechung der amerikanischen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice)
die Idee mit dem trojanischen Pferde gehabt haben soll, ist im geschulten
Volke weit verbreitet. Entspricht aber so nicht der Ilias. Herr Petersen
deutet folgerichtig diese Geschichte nur an, läßt den später
schwergeprüften Vater aller Odysseen also nicht vor den Kriegsrat
des Oberfürsten Agamemnon treten und sagen: „Ich, ich, ich,
Herr Oberlehrer! Ich habe da so eine Idee.“ Hier werden Klischees
geopfert. Hier siegt Authentizität, auch wenn sie etwas farbloser
in Erscheinung tritt. Das imponiert uns.
Weiter! Der Film spart den klipp- und klaren Sachverhalt nicht aus, daß
im Krieg gestorben wird – und zwar regelmäßig zur Unzeit
für den Einzelnen und keineswegs romantisch, sondern viehisch und
brutal. Die Szenen beleuchten mehrmals, daß die Soldaten und Krieger
eben keine beliebigen Statisten sind, sondern Männer, die zu Hause
Mütter, Väter, Frauen und Kinder haben und ihr persönlicher
Tod weiteste Kreise ziehen wird.
Und wofür sterben sie? Für den Wahnwitz eines Einzelnen, der
seine persönliche Machtgeilheit hinter Schlagwörtern wie panhellenische
Interessen und persönliche Ehre zu verstecken sucht.
Agamemnon heißt der Großkotz. Und sein Ziel ist ein geeintes
Griechenland unter seiner Fuchtel. Nur leider bedeutet Einigung oft einen
Vorgang, bei dem eine Partei Macht abzugeben gezwungen ist. Und wer macht
das schon gern? Da bedarf es dann schon mal gewichtiger Argumente. Und
welches Argument brächte wohl mehr Überzeugungskraft in die
Waagschale, als eine überlegene Streitmacht?
Just in diesem Augenblicke passiert etwas, was dem kriegerischen Unternehmen
förderlich wird: Eine Frau ist abgehauen, getürmt, ihrem Alten ausgewischt.
Nicht irgendeine. Nein, die schöne Helena hat sich davongemacht.
Hat ihren Gatten Menelaos, den König von Sparta, sitzen gelassen.
Menelaos, den Bruder des mykenischen Agamemnon. Na gut, das kränkt!
Zumal diese Frau eine dem Titel nach amtierende Fürstin vom mächtigen
Sparta ist. Man möchte dem verlassenen Ehemann Verständnis entgegenbringen:
Laufen ihm schon die Weiber weg, warum sollten ihm dann noch seine Mannen
die Treue halten? Also muß er zeigen, daß solche Possen mit
ihm nicht zu machen sind. Der Silberrücken muß sich vernehmlich
an die Brust und den Bösewichtern auf die Nuß klopfen. Das
ist er sich und seinem Volke schuldig. Glaubt er. Wird vielleicht was
dran sein. Menschen sind nun mal so.
Wer sind denn die Bösewichter? Nun, in diesem Falle Prinzen von Troja,
der gewaltigen Feste am anderen Ufer der Ägäis. Paris heißt
der Herzensbrecher, dem die schöne Helena gefolgt ist.
Aber lohnt es sich, um einer Frau willen einen Vernichtungskrieg zu beginnen,
dessen Ausgang noch dazu höchst ungewiß ist? Nein, nicht um
der Frau alleine willen. Und das ist wiederum das Gute an Herrn Petersens
Streifen, daß er die wahren Motive ebenfalls anklingen läßt.
Wie wir schon mehrmals erwähnten, war das antike Troja eine Handelsmetropole.
Strategisch äußerst günstig am östlichen Ufer des
Hellesponts gelegen, kontrollierte es gleich mehrere immens wichtige Handelsrouten
der damaligen Welt. Troja war eine Wirtschaftsmacht und ein militärisches
Schwergewicht. Nicht eben das, was ein Agamemnon gerne auf dem Hügel
gegenüber angesiedelt wissen wollte. Da haben wir den eigentlichen
Grund für die mörderische Expedition vor dreitausendzweihundert
Jahren. Helena war nur ein willkommener Anlaß.
Und – Herr Petersen vergißt den bedeutsamen Fakt nicht zu
erwähnen: etliche antike Großmächte, wie beispielsweise
die Hethiter, sitzen auf der Zuschauerbank ganz vorne im Parkett und beobachten
ganz genau, was sich im Ringe abspielt. Dieses Kräftemessen der Nachbarn
erteilt ihnen genauen Aufschluß über Kraft und Kraftreserven
der potentiellen Gegner von morgen.
Eines noch: Wir begegnen einem Achill, der zwar immer noch die archaische,
die bronzezeitlich männermordende Kampfmaschine ist, der aber auch
beginnt, seinen Kopf zum Nachdenken, ja nachgerade zum Philosophieren
zu mißbrauchen. Fein!
Das erteilt zwar der feministisch angehauchten „Kassandra“
der Christa Wolf eine schallende Watschen – aber uns freut’s!
„Achilles das Vieh…“, nicht wahr, Frau Wolf? Das Vieh
kann denken! Schade eigentlich! Das verklärende Hinterhergeheule,
das wir so lange dem verlorenen Paradiese des Matriarchats gewidmet haben,
bekommt dadurch häßliche Risse. Warum wir so hämisch sind?
Weil wir keine Anhänger des Patriarchats oder Matriarchats sind,
sondern des Ratiarchats. (Das Wort haben wir soeben erfunden und bezeichnet
die Vorherrschaft der menschlichen Vernunft.)
Nun wird aus unserem Schlagetot ein zugegebenermaßen über Gebühr
melancholischer Held. Die Konsequenzen schlagen sich auch leider nur halbherzig
auf seine Entschlüsse nieder, nichtsdestotrotz: Hier findet schon
mal ein Umdenken statt. Ein Umdenken, dem der geniale japanische Ritter
und Regisseur Akira Kurosawa mit seinen „Sieben Samurai“ einen
filmischen Weg geebnet hat.
Alles in allem wird uns hier ein Lehrstück der Politik vorgeführt,
was man aufgrund der Beharrlichkeit menschlicher Verhaltensweisen getrost
eins zu eins in die Gegenwart übertragen darf.
Das in allererster Linie macht uns diesen Film interessant und sympathisch.
Kein Schmus und kein Schwulst, kein metaphysisches noch romantisches Gesäusel
– hier agieren Menschen. Schaut hin und seht in diesen Spiegel!
Denn das seid ihr! Ihr Kinobesucher!
Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, daß genau diese
wichtigste Botschaft jenes Filmepos’ sowohl bei denen Weibsbildern
verhallen wird, die nur um Brad Pitts knackigem Hintern, Gesicht und Körper
(nota bene diese Reihenfolge!) willen gekommen sind, als auch der Kerls,
die an einen solchen Film seit jeher keine höheren Anforderungen
stellen, als daß er sie Zeuge von Mord und Totschlag, „Action“
genannt, teilhaben läßt. Sie quasi für einige Stunden
aus dem normalen Trott gefühlter Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit
mittels kleiner, vermittelter Allmachtsphantasien erlöst.
Doch ist unser Artikel auch nicht dieser Fraktion zugeeignet, obschon
sie den Hauptteil des phänomenalen Filmbudgets von $ 130 Millionen
tragen wird. Denen aber, die die alten Verse und Hexameter noch im Herzen
erklingen lassen können, denen sei diese Neuinterpretation des Großen
Ringens um Troja wärmstens empfohlen.
|