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Bildnis eines alten Mannes

Salomon Koningk

Salomon Koningk Bildnis eines alten Mannes
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Gemäldesammlung holländischer Meister im Alten Museum zu Schwerin

K. K. Bajun
Berühmt ist das Museum und die Gemäldegalerie zu Schwerin eigentlich für seine Stilleben Melchior Hondekoetters und andere namhafte Meister der Blüte holländischer Malerei.

Doch die Ausstellungsräume bergen einen Schatz, von dem wohl die wenigsten seinen wahren Wert ermessen. Das Bildnis eines alten Mannes von dem weitgehend unbekannten Salomon Koningk.

Mit diesem Werk ist jedoch Koningk der Sprung in die Unsterblichkeit gelungen. Ich kenne außer der sixtinischen Madonna zu Dresden kein anderes Gemälde eines menschlichen Gesichtes von so ungeheurer Aussage- und Spannungskraft.

Der Alte blickt uns nicht an. Seine Augen sehen etwas, das jenseits unseres und auch seines irdischen Daseins zu liegen scheint. Er sieht seinen Gott! Sein Leben hat er gelebt. Und es wird ein hartes und entbehrungsreiches Leben gewesen sein. Es hat ihn gezeichnet. Sowohl sein schönes Greisengesicht als auch seine Hände. Seine wunderbaren Hände…

Er wird Fehler gemacht haben und Dummheiten in diesem Leben; viele Fehler und viele Dummheiten. Und hat dafür bezahlt. Manchmal mehr, manchmal weniger. Und manchmal haben andere für ihn bezahlt und die Schuld blieb auf seinen Schultern lasten. Aber wer nie im Leben töricht war, ein Weiser war er nimmer…So weiß uns das Sprichwort zu vermelden. Und der uns in diesem Gemälde entgegentritt, ist bar jeden Zweifels ein Weiser.
Kein sabbernder, seniler oder törichter alter Mann, der mit der Zeit, die ihm noch bleibt, nichts anzufangen weiß. Der sie plan- und ziellos vertrödelt, bis der Bruder Tod an ihn herantritt um ihn mitzunehmen – ihn gleichsam erlösend von den Qualen der Langeweile.
Vielleicht leidet der Alte von Schwerin auch unter den typischen Krankheiten seines Lebensabschnittes. Aber das scheint ihn nicht sonderlich zu beschäftigen.
Natürlich schmiedet er keine Projekte mehr, arbeitet nicht mehr wie unsinnig, um sich zu vergewissern (oder sich zu täuschen?), daß er noch ein vitaler Mann im besten Alter sei, der eines nahen Todes noch lange nicht gewärtig sein müßte. Was die Glocke geschlagen hat, daß weiß er wohl. Aber Angst? Furcht vor dem Vergehen, dem Nicht-Mehr-Sein? Nein! Diese Gefühle sind seinem Herzen fremd. Nicht, daß er sie nicht erlebt hätte in seinem Leben. Wer Angst nicht kennt, wie jener, der auszog, das fürchten zu lernen, ist in Wahrheit schwerkrank. Nein, Angst hat er wohl genug gehabt in seinem langen Leben. Aber das ist nun vorbei. Die Bilanz ist gezogen, zu ändern ist nichts mehr. Und so wie es war, war es gut. Auch wenn es damals keineswegs den Anschein hatte. Auch, wenn es so aussah, als wenn sein Gott ein ungerechter Gott sei, dem die Schöpfung aus der Hand geglitten sei.
Nun aber macht er seinen Frieden mit diesem Gott. Er ist dabei, ihm das Leben zurückzugeben, daß ihm geliehen worden war, ein Menschenalter vorher.
Wir sehen in das Antlitz eines Mannes, aus dessen Händen und Augen mehr Kraft und ungebrochene Stärke herausleuchten, als Erik Blutaxt oder sämtliche Wölsungen-Jarle je besaßen.
Wir sehen hier das Bild eines Mannes, der gelebt hat. Ja, Sie verstehen mich richtig – gelebt, nicht nur existiert.
Ich weiß nicht, ob der Alte von Schwerin philosophisch gebildet war. Mußte er auch nicht. Denn alles, was uns gute Philosophie von ihrem Anbeginn zu geben vermochte, das leuchtet aus seinen Augen heraus.
Eine Kopie dieses Gemäldes hängt an zentraler Stelle meiner Stube. Es ist einem Kap vergleichbar, dessen Anblick den Seeleuten bis weit aufs Meer hinaus eine Landmarke ist zur Orientierung. Dort will ich hin. Wenn ich den Ozean des Lebens gequert haben werde, möchte ich Anker werfen unter diesem Kap, in einer kleinen geschützten Bucht. Und mit derselben tiefen inneren Zufriedenheit und großen Ruhe bei vollem Bewußtsein erleben dürfen, wie das Lebensschiff, das mich bis dort hin getragen hat, in den Fluten versinkt.

So wie der englische Dichter Swinburne es beschreibt:

From too much love of living
From hope and fear set free
We thank with brief thanksgivin’
Whatever gods may be:
That no man lives forever,
That dead men rise up never,
And that always the weariest river
Winds somewhere safe to sea.

(Aus übergroßer Liebe zum Leben,
frei von Hoffnung und Furcht,
danken wir mit einem kurzen Gebet
den Göttern, wer sie auch immer sein mögen:
Daß niemand ewig lebt,
daß Tote nicht wieder auferstehen!
Und das auch der müdeste Fluß
sich irgendwo in den Weiten der See verlieren wird.)

B 1. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003