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NVLLVM VAE VICTIS*
Libysche Rebellen verzichten auf Rache im großen Stil

Don M. Barbagrigia
Die libysche Geheimpolizei und gaddafitreue Soldateska muss grauenhaft gewütet haben unter denen Rebellen, deren sie habhaft werden konnte. Nun ist es dem irren Wüstensohn gelungen, zu fliehen – er, der wie so viele großmäulige Tyrannen vor ihm lauthals schwadronierte, er wolle als Märtyrer in Tripolis sterben. Die größten Henker sind, wie uns von der Geschichte hinlänglich berichtet wird, die erbärmlichsten Würstchen, wenn es ihnen selbst an den Kragen geht. Fort sind er und seine mißratene Brut. Doch die Hinterlassenschaften ihrer Schergen zeigen einen grauenvollen Anblick, wie er uns noch aus den befreiten deutschen KZ erinnerlich ist. Die Libyer hätten allen Grund zur Rache. Doch es bleibt weitestgehend ruhig. Das erfordert nachvollziehbar mehr Mut, Überwindung und Disziplin, als der ganze Befreiungs-Krieg. Nicht nur aus diesem Grunde zollen wir den Libyern Respekt, auch wenn es heißt, es gäbe an den Ufern des Mittelmeers Ausschreitungen gegen Schwarzafrikaner. Deren Ziel sei mehrheitlich Europa, heißt es. Sie werden jedoch von den siegreichen Rebellen und der Bevölkerung pauschal verdächtigt, von Gaddafi als Söldner angeworben zu sein und Verbrechen gegen das Libysche Volk begangen zu haben. Das wäre zu verurteilen. Schuld kann jedoch immer nur im Einzelfall festgestellt werden. In diesem Punkte müssen die Libyer sich hüten, ihren früheren Peinigern ähnlich zu werden. Zu diesem Aufsatz aber veranlasst uns ein Blick nach Damaskus. Der kaum weniger verrückte Assad junior fährt mittlerweile schwere Geschütze gegen sein Volk auf. Der syrische Geheimdienst haust mit derselben verabscheuungswürdigen Brutalität gegen alle und jeden, die einer oppositionellen Haltung verdächtigt werden. Die internationale Isolation gegen Assad nimmt von Tag zu Tag zu. Selbst die Iraner und – nota bene – die Türken, die es ja drängt, die Goldene Pforte nach Europa aufzuschließen, wenden sich von Assad ab und beginnen ihm zu drohen. Die arabische Liga kritisiert ihn scharf und nur in Jerusalem hält man sich weise bedeckt, da man ja weiß, dass die Vorgänge jenseits der Golanhöhen für Israel einen ziemlich stürmischen Segelturn zwischen Scylla und Charybdis bedeuten können. Zu einer militärischen Intervention aber entschließt sich bis dato noch niemand – allen europäischen mea-culpa-Rufen der vergangenen Tage, Libyen betreffend, zum Trotz. Damit aber fehlt der syrischen Revolution der entscheidende Biss – denn, auch die Rebellen gegen Gaddafi hatten sich nur mit Hilfe der ausländischen Luftkriegsunterstützung gegen den alten, exzentrischen Schweinehund durchsetzen können. Je länger aber der Kampf in den Städten Syriens dauert, desto mehr Verbrechen werden Assads Geheimdienst und Militär begehen. Denn merkwürdigerweise setzen solche Endzeitkrieger notorisch allen, wirklich allen gegenteiligen Erfahrungen aus der Vergangenheit zum Trotze den Rest ihrer Kräfte auf die längst verlorene Karte, in der wahnwitzigen Hoffnung, sie hätten doch noch eine Chance. Je mehr Verbrechen sie aber begehen, desto mehr fürchten sie nach dem Zusammenbruch den Tag, an dem sie zur Rechenschaft gezogen werden. Die zu Nürnberg und Bagdad baumelnden Schwerstkriminellen und die harten Urteile, die im Haag gesprochen werden, lassen die Verfechter des alten Terrors panisch reagieren und völlig frei drehen. Einzig ein Signal der Deeskalation, wie es derzeit von den siegreichen Libyern ausgesandt wird, könnte die Reihen der Mörder bröckeln lassen, die sich vor dem gemeinsamen Druck der befürchteten Abrechnung als bislang fest geschlossen erweisen. Eine solche Haltung könnte sogar Überläufern den Weg ebnen, die darin eine Möglichkeit erblicken, vom sinkenden Kahn schnell noch das rettende Schiff der Zukunft aufzuentern. Für gewöhnlich werden dann solche hohen Offiziere und Generale dann von den Rebellen begeistert begrüßt und ziehen nicht selten noch ihre Truppen die Opposition verstärkend hinterher. Mit anderen Worten: An der Großen Syrte baut man derzeit Brücken der Versöhnung nicht nur zu den eigenen Schergen, mit denen man ja – will man sie nicht alle umbringen und sich damit auf eine Stufe mit Gaddafi stellen und schon im Vorfeld alle neu gewonnene Reputation verspielen – zusammenleben muss. Man setzt sinnigerweise auch Brückenpfeiler nach Damaskus – und so Gott endlich will – auch nach Pjöngjang. Es ist ein Entschluss, der Bauschmerzen verursacht. Die natürliche Seelenhygiene verlangt danach, die Strolche, welche die Menschen so lange und erbarmungslos gequält haben, endlich gebührend zur Rechenschaft zu ziehen. Das aber könnte bedeuten, dass sich die Spirale der Gewalt weiter und weiter dreht. Die Libyer hatten den Mut, diese unselige Spirale nunmehr zu unterbrechen. Wir ziehen unseren Hut, wohl wissend, dass ihnen dieser Entschluß nicht minder viel abverlangt, als der Krieg gegen den irren Dschinn Gaddafi.

* Kein "Wehe den Besiegten"

20. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
17.09.2011