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Die Börse kracht
Wie weit sind wir vom Schwarzen Freitag noch entfernt?


J. -F. S. Lemarcou
Schreien sie mal in einem vollbesetzten Stadion: "Es brennt!" Tun Sie es jedoch nur, wenn Sie des Lebens überdrüssig geworden oder sich verdammt sicher sind, da heil wieder herauszukommen. Denn Sie lösen mit beinahe 100%iger Sicherheit eine Massenpanik aus. Obwohl keiner das Feuer sieht, spürt es doch schon jeder im Nacken und dann heißt es: Rette sich, wer kann! Die Leute trampeln sich gegenseitig über den Haufen, blöken in sinnloser Angst wie die Viecher und drücken sich an den Stadionwänden zu Tode. Die wenigen, die es schaffen, fallen sich heulend vor Glück in die Arme. Sie sind gerade noch eben einer furchtbaren Gefahr entronnen – die so nie existierte. Wenn Sie dieses Bild vor Augen haben, dann können Sie sich ungefähr eine Vorstellung davon machen, was derzeit an den Börsen und Handelsplätzen dieser Welt passiert. Vornehmlich in Frankfurt schlägt der Alarm-Ruf aus der Wallstreet ein wie eine Bombe des Chaos. Panische Aktienverkäufe lassen die Werte hervorragend plazierter deutscher Unternehmen in den Keller rauschen. Ein im freien Fall befindlicher DAX reißt sie alle mit. Rette sich, wer kann!
Was für ein Unfug! Wer jetzt einen kühlen Kopf behält und über das nötige Kleingeld verfügt, kann sich beinahe über Nacht in die Liga der Milliardäre empor spielen. Kaufen, Kinders, kaufen! Jetzt, wo der ganze Ramsch spottbillig ist. Ramsch? Wertvolle Unternehmensbeteiligungen wertvoller Unternehmen – Ramsch? Ja, meine Damen und Herren, das ist der ganz normale Wahnsinn des Marktes. Eines Marktes, der völlig überreagiert, weil er kein Vertrauen in die teuren solidarischen Rettungsmaßnahmen europäischer Staaten in ihre insolventen Partnerländer der EU investiert. Länder, deren Zahlungsunfähigkeit teilweise von genau diesen Märkten erst amplifiziert wurde. Natürlich weiß man an den Börsen, dass die Europäische Zentralbank EZB, die einst zum neutralen Hüter über die Weltwährung Euro bestellt wurde, nun von den mächtigsten europäischen Regierungen, denen von Frankreich und Deutschland nämlich, zu einer paneuropäischen "Bad-Bank" degradiert wurde. Seit Herr Stark das Handtuch geschmissen hat, weil er sich aus Vernunftgründen den Vorgaben seines unter massiven Druck geratenen Präsidenten Jean-Claude Trichet entziehen wollte, kommt diese per actio definierte Bankrotterklärung bezüglich eines gigantischen Wechsels auf die Zukunft dem düstersten Szenario gleich, dass sich an den Leitbörsen denken lässt. Nun ist es offensichtlich: Man orakelt bereits, dass die Leistungsfähigkeit vieler Staaten nunmehr erschöpft sei, nachdem sie noch 2008 alle ihre öffentlichen Reserven mobilisieren mussten, um ihre angeschlagenen und waidwunden Banken zu retten, welche ihr Vermögen bei Lehman Brothers & Co., sowie in Eigenregie auf dem völlig überbewerteten amerikanischen Aktienmarkt verzockt hatten. Wenn diese Banken jetzt ein zweites Mal krachen, dann ist niemand mehr da, der sie auffängt. Die öffentlichen Haushalte können nicht mehr. Das Volk weiß dass, und versucht seine Ersparnisse in Sicherheit zu bringen. Raus aus den Banken!
Was passiert? Die strudeln noch schneller ihrer Insolvenz entgegen. Ja nun – aber wohin mit der Kohle? In den Sparstrumpf unters Bette? Dort lauert das Inflationsmonster und frißt das Geld samt Strumpf. In die jetzt billig gewordenen Aktien? Das erschiene uns als das Vernünftigste. Nicht so den Anlegern. Die folgern nämlich, dass den Firmen die Luft wegbleibt, wenn deren Finanziers in der Gosse liegen – und was dann...? Klar brauchen die Firmen frische Kredite für den Produktions- und Absatzprozess. Das ist ja der westliche Wirtschaftswahnsinn, der postuliert, ohne Kredite würde sich kein Rad drehen. Die altpreußische Maxime, Unternehmen mit einer ausreichenden Eigenkapitaldecke abzusichern, zählt ja in einer bankenbeherrschten Welt nichts mehr. Wovon sollten diese Gannefs im Nadelstreifen denn dann schließlich existieren? Also flüchtet das Volk ins gelobte Gold! Oh heiliger Schwachsinn! Der Goldpreis hat bereits die märchenhafte 1.900-$-Marke pro Feinunze(!!!) überschritten. Das muss man sich mal vorstellen! Nicht nur Immobilien lassen sich überwerten, nicht nur Nationalökonomien lassen sich überhitzen – nein, auch den Goldpreis kann man bei entsprechender Nachfrage in irrationale Höhen jagen – der Absturz wird tief – sehr tief. Und alle, die da glaubten, ihre Flucht ins Gold hätten ihnen das Vermögen gesichert, werden ein böses Erwachen haben, wenn die Feinunze wieder ihrem vernünftigen Bewertungsbereich von plus minus 600$ entgegen saust. Da gehen sie dann dahin, die gerettet geglaubten Ersparnisse eines Lebens... Ja, weg ist dann die Altersvorsorge, die Kreditsicherheit, die Konsumrücklagen – mit fatalen Auswirkungen auf den Binnenmarkt übrigens, der enorme Absatzeinbrüche erleben wird. Zunächst wird er mit einer gewaltigen Deflation reagieren und dann... ja, dann beginnt die eigentliche Krise. Hausgemacht und unnötig. Nur weil lobbyhörige Regierungen, die einst bei ihrer Amtseinführung geschworen hatten, Schaden von ihren Völkern abzuwenden, nicht willens oder in der Lage waren, ihre Finanzjongleure an die kurze Leine zu nehmen. Wirtschaftsliberalität um jeden Preis! Hurra! Der Markt richtet alles. Vor allem richtet er hin – und zwar die eigenen Volkswirtschaften.
Die ultraroten Barden aus der linken Abgeordnetenecke im Bundestag werden mit dem Kapital Karl Marxens herumwinken und brüllen: zyklische Krise des Kapitalismus – wir haben es schon immer gesagt! Und ihre Rufe werden – auch wie immer – ungehört verhallen. Sie haben recht, aber es interessiert niemanden, weil die Weltverbesserer ihre historische Chance so grandios verspielt und den globalen Wettlauf der Systeme 0:1 verloren haben. Was der Verlierer zu vermelden hat, lockte das blöde Volk und seine arroganten Führer noch nie hinter dem Ofen hervor. Es reicht gerade mal dazu, die F.D.P. in die Versenkung zu schicken, in die seit langem gehört. Aber was soll's? Einen in die Marginalität gedrückten Kegelverein zum Watschenmann für eine Wirtschaftskrise globalen Zuschnitts zu deklarieren, ist zwar angenehm – hilft aber niemandem.
Was aber hülfe?
Das einzige, was uns plausibel erscheint, ist eine Beruhigung ... der Märkte? Nein, der Anleger. Die müssen Vertrauen wiedergewinnen und zwar zunächst einmal in die politische Handlungsfähigkeit ihrer Regierungen! Darum geht es. Regierungen die durchsetzt sind, nicht von politischer Willensgestaltung, sondern von wirtschaftlichen Zielsetzungen ihrer Spendendonatoren, müssen bei den Wahlen in die Wüste geschickt werden. Das ist die Aufgabe derer, die ihre Ersparnisse wirklich langfristig sichern wollen. Die neuen Gewählten müssen die Wirtschaft an die Kandare nehmen und das Kreditunwesen auf ein Minimum zurückfahren. Denn dieses hoch gepriesene Lebenselixier kapitalistischer Wirtschaften hat zu unfassbaren Staatsverschuldungen geführt, deren Zinsdienste schon nicht mehr bedient werden können. Das als solide bezeichnete Deutschland steht beispielsweise mit 2 Billionen Euro in der Kreide und wird noch immer mit Triple-A bewertet. Dieser Irrsinn muss aufhören! Das Kreidtunwesen hat sich schlimmer ausgebreitet und ist seiner Natur nach giftiger als der Neophyt "Riesen-Bärenklau", also Unkraut, was hochtoxisch ist und unausrottbar scheint. Was jedem im privaten Sektor nachvollziehbar scheint, davor verschließt man bei wirtschaftlichen Dimensionen die Augen. Das ist der eigentliche Wahnsinn! Es ist wichtig, den Anlegern Möglichkeiten zu offerieren, das eigene Geld in sicheren Werten zu verwahren. Und es ist nötig den gierigen Zockern jeder Preisklasse unmißverständlich und für JEDEN deutlich zu signalisieren, dass sie ihre Verluste keinesfalls vergesellschaften können, egal mit welchen Drohungen sie einher kommen, sondern dass sie dafür allein und zwar ganz allein geradestehen. Und zwar bis in letzte Konsequenz. Es ist wichtig, die virtuellen Billarden, die in einem finanziellen Jetstream um den Globus von Finanzplatz zu Finanzplatz rasen und mittlerweile von jedem realen, irdischen Wert entkoppelt sind, mit einem gewaltigen Schlag zu zertrümmern. Wer dabei Verlust macht, hat – so hart es ist – verloren. Aber nur so lässt sich ein neuer, solider Markt aufbauen, auf den sich eine National- oder Globalökonomie zuverlässig stützen kann. Ein Markt verlangt nach Regularien, wie ein kleines Kind nach Erziehung. Verwahrloste, ungezügelte und sich antiautoritär gebärdende Märkte bringen unbeschreibliches Elend über Milliarden von Menschen. Das ist die wichtigste Lehre aus dem derzeitigen Mega-Desaster, das zyklenbedingt längst überfällig war.
Wir kennen aus der Frühzeit des Lebens Fossilien, in den riesige Fische an ihrer Beute erstickten, die einfach ein paar Nummern zu groß für sie war. Noch heute sehen wir Anakondas mit geplatzten Mägen, weil das Krokodil, über das sie die Schlangen hermachten, ihnen – bereits tot – die Gedärme zerriß. Über Jahrmillionen hat das Leben also nicht viel hinzugelernt und der Nackte Affe hat sich bisher sehr, sehr selten als geringfügig schlauer als die Evolution gezeigt. Das ist die wahre Hiobsbotschaft. Die Gier treibt's rein – ohne Rücksicht auf Verluste. Wird man dieser Fehlentwicklung nicht beizeiten Herr, so wird's der Menschheit nicht anders ergehen als den Urzeit-Fischen und den gefräßigen Anakondas von heute. Sie erstickt an der eigenen Gier. Bravo!

20. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
09.11.2011