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Wo die Liebe hinfällt
schleswig-holsteinischer Spitzenpolitker stolpert über unverfängliche Beziehung

Kotofeij K. Bajun
Ein führender Mann tritt von seinen Ämtern zurück. Es ist die Liebe zu einer Frau, die von der Gesellschaft nicht toleriert wird. Reden wir etwa über Eduard VII. und seine Affaire mit der nichtswürdigen Wallis Simpson? Nein, dieses Mal geht es um Christian von Boetticher. Von Boettichers Krischan wurde am 23. September 2009 zum stellvertretenden Ministerpräsidenten von Schleswig Holstein ernannt und hatte das Amt eines CDU-Landespartei- und Fraktionsvorsitzenden im nördlichsten deutschen Bundesland inne. Ein politischer Senkrechtstarter, ein anerkanntes Ausnahmetalent auf dem politischen Parkett Kiels.
Nun ist der Mann von seinem CDU-Landesvorsitz und vom Fraktionsvorsitz im Landtag zurückgetreten. Warum? Auch ein Liebesverhältnis. Ein verbotenes? Ganz klar – nein! Ein skandalöses? Schmarrn! Wo leben wir denn? Immer noch in den verspießerten 50ern und 60ern, die aus den westdeutschen Dörfern nicht rauszubekommen sind?
Das wird es wohl sein. Das Mädchen war streng genommen nicht mehr minderjährig und durfte Beziehungen gleich welcher Art unterhalten, zu wem sie wollte. Liegt also ein moralisches Vergehen vor, wenn sich ein Vierzigjähriger mit einem 24 Jahre jüngeren Mädchen einlässt? Nun, wenn dieses Mädchen ausgehend von seinem Reifegrad dieser Beziehung nicht gewachsen wäre, dann schon.
Nun sahen wir aber jüngst eine Reportage, die DDR-Aussiedler betraf, die in den frühen Achtzigern nach Westberlin ausgewandert waren. Einer der interviewten Jugendlichen war ein elfjähriger Junge, der in all seinen ruhigen, bedachten und überlegten Äußerungen und seinem gesetzten, in keiner Sekunde affektierten Gebaren den Reifegrad eines jungen, intellektuellen Erwachsenen bezeugte. Seine junge Persönlichkeit steht für Viele, die ihrem Alter weit voraus sind. Gerade bei jungen Mädchen trifft man diese Gesetztheit nicht selten. Warum also sollte diese Sechzehnjährige nicht auch über eine innere Stabilität und Reife verfügt haben, die man eher einer Sechsundzwanzigjährigen zurechnet? Gab es nicht in der Geschichte derer Beispiele genug, in denen Frauen bereits in Mädchenjahren geist- und kunstvoll brillierten und selbst die gestandene Männerwelt baß in Erstaunen versetzten? Was also steht dem im Wege, dass Boetticher genau an solch eine junge Dame geriet?
Nein, das Gegeifer ist substanzlos, oftmals neiderfüllt und lässt sich willig vor den Karren eines schäbigen Intriganten spannen, dem von Boetticher ein Dorn im Auge ist. Herr Müntefering von der SPD liiert sich mit einer Frau, die geschlagene vierzig Jahre jünger ist als er und niemand regt sich auf. Wozu auch?
Sicher, es gibt kulturelle Abgrenzungen der einzelnen Generationen gegeneinander. Die gibt es aber auch zwischen den vielen Ethnien auf diesem Planeten und trotzdem zeugen unendlich viele Ehen zwischen Vertretern verschiedener Volksgruppen von der Möglichkeit eines funktionierenden Zusammenlebens. Wer dieses heute noch bestreitet, setzt sich dem Verdacht einer der Apartheid nahestehenden Geisteshaltung aus. Zu recht. Was anderes ist die Diskriminierung einer Beziehung zwischen einem Vierzigjährigen und einer Sechzehnjährigen, insofern letztere nicht geistig retardiert ist?
Von Boetticher ist abgeschossen worden. Irgendein kleiner Widerling hat die verspießerte öffentliche Meinung eines anscheinend von bigotten und verheuchelten Muckern besetzten Bundeslandes instrumentalisiert, um den ungeliebten Spitzenpolitiker abzusägen. Der schleswig-holsteinischen CDU und vielleicht auch dem Lande selbst ist dadurch schwerer Schaden getan worden – nicht von Boetticher, nicht von seiner ehemaligen Geliebten – sondern von einem elenden Denunzianten. Dabei ist dieses eigentlich sympathische Bundesland schon leidgeprüft. Barzel, Engholm... aber das waren handfeste, politische und die Ämter der Beteiligten beschädigende Skandale. Der jetzige Eklat aber besteht in dem Verhalten eines Schurken, der zur passenden Zeit eine alte Karte aus dem Ärmel zieht. Vor allem aber besteht er aus der hinterwäldlerischen Resonanz seitens eines Wahlvolkes, bei dem die Zeit offensichtlich im 19. Jahrhundert stehen geblieben ist.

20. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
17.08.2011