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Neger, Trotha und Coltan
oder "Schlimmer geht's immer"

Kotofeij K. Bajun
"Herr Bajun, Ihre Ausdrucksform ist unerträglich. Die Personengruppe, die Sie fortwährend so despektierlich "Neger" nennen, sind Dunkelhäutige. Das ist politisch inkorrekt und wirklich unerträglich!" Ich glotze die Frau verständnislos an. Was zum Teufel will die von mir? Als ich aufwuchs, bezeichnete das Wort Neger einen Menschen schwarzer Hautfarbe. Niemand dachte sich etwas dabei und keinem kam es in dem Sinn, damit eine abwertende Aussage zu treffen. Meine besten Freunde während des Studiums waren kohlrabenschwarze Neger aus Kamerun, die sich auch selbst so bezeichneten und dabei ein herrliches Lachen durch schneeweiße Zähne hören ließ, das die Weiber ringsherum reihenweise schwach werden ließ. Das Wort "Nigger" – ja, das hatte etwas Herabwürdigendes. Aber das stand in meinem Wortschatz nie zur Debatte.
Darüber sinnierend, merkte ich, wie die Frau zu ihrem obligatorischen Mobiltelephon griff und begann eine SMS einzutippen. "Und sie meinen, das tue den Schwarzen weh, wenn ich sie als Neger benenne?" fragte ich mit zusammengekniffenen Augen. "Na, hören Sie mal," echauffierte sich die Menschenrechtlerin von eigenen Gnaden, "kommen Sie aus'm Mustopp?" "Neee," sagte ich gedehnt, "aber'n schönes Nokia haben Sie da..." "Was hatt'n das jetzt damit zu tun?" "Ist schon praktisch, so'n Handy, was?" "Sagen Sie mal, was wollen Sie jetzt eigentlich von mir...?" Und jetzt wurde ich bösartig: "Mag sein, dass das Abwertende des Begriffs "Neger" an mir vorbeigegangen ist – der Poulsen-Report ist es nicht!" "Was für'n Report?" "Frank Poulsen, "Blutige Handy's", ein am 25. November 2010 im WDR ausgestrahlter Dokumentarfilm über die Coltangewinnung im Kongo. Und ohne Coltan, Gnädigste, könnten sie auch mit 'ner Baumwurzel quatschen. Es ist rührend, wie sehr Sie sich um die Befindlichkeit der Schwarzen kümmern, solange es Sie nichts anderes kostet, als ein bißchen heiße Luft und aufgeplustertes Gequatsche. Aber wenn es um Ihre Handy-Sucht geht, dann sind Ihnen die armen Teufel scheißegal, die Ihr einziges Leben in einer aberwitzigen Hölle verbringen müssen, damit Sie Ihr sinnloses Gedöns über den Äther versenden können. Und denen wiederum wäre mehr geholfen, wenn Sie nicht so viel Augenmerk auf eine politisch korrekte Namensgebung lägen, sondern etwas täten, was die Situationen dieser modernen Sklaven verbesserte, anstatt gedankenlos das Produkt zu benutzen, für das diese Elenden leiden müssen! Wo ist Ihr Engagement, wenn es gilt sich für die Einwohner von ehemals Deutsch-Südwest einzusetzen, die von der Bestie von Trotha im Namen des Deutschen Reiches in einem Völkermord umgebracht wurden? Nehmen Sie Ihr verdammtes finnisches Mobiltelephon und rufen Sie im Bundeskanzleramt an und bewegen Sie die Bundesregierung als Rechtsnachfolgerin der Reichsregierung, tätige Verantwortung für diese Greuel zu übernehmen! Da können Sie etwas für die Rechte der Dunkelhäutigen tun, deren Seelenfrieden Ihnen so am Herzen liegt." Die Frau starrte mich an wie ein Mondkalb. Sie begriff nicht. Sie konnte den Bogen nicht schlagen, den Gedankengang nicht nach verfolgen, es war ihr zu kompliziert, zu opak, zu weit hergeholt. Was redete denn der Typ, der immerfort gegen den Strom der Zeit von Negern spricht? Sie wollte doch einfach nur telefonieren, simsen und "Apps" runterladen, sich im Zug die Ohrstöpsel in die Lauschlöffel stopfen, um vermittels der MP3-Funktion in eine eigene, abgeschlossene Welt abzutauchen. Was sollte das mit moderner Sklaverei zu tun haben? Was meinte der mit Deutsch-Südwest? Nicht einmal die heutige Staatsbezeichnung Namibia hätte ihr etwas gesagt. So konnte sie sich über das politisch inkorrekte Zitat des alten Kolonialnamens nicht einmal aufregen. Ihre ureigenste Primitivität setzte ihrem Intellekt da enge Grenzen.
Ich aber dachte: Armer Poulsen! Umsonst den eigenen Kragen riskiert! Das eigene Leben, das die afrikanischen Warlords ohne zu Zögern ausgelöscht hätten, wenn sie seiner habhaft geworden wären. Es ist so schön, wenn man sich moralisch aufplustern kann um Banalitäten anzuprangern, wo man nichts riskiert und nur gewinnen kann. Es ist so feige, das Maul genau dort zu halten, wo's einem selbst weh zu tun beginnt. Den Schwarzen in den Coltan-Minen des Kongo ist es vorerst noch herzlich wurscht, wie man sie nennt – das Einzige, was sie interessieren dürfte, ist, wie sie einer Hölle entkommen können, die ihnen nichts anderes bringt als Leiden und einen frühen Tod! Und ich dachte: Arme Neger – wer solche Freunde wie diese politisch korrekten Einzeller hat, der braucht fürwahr keine Feinde mehr.

20. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
07.10.2011