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Der böse Geist der Telekom
Ein deutscher Horrorschinken - demnächst in Ihren Wohnzimmern?

Don Miquele Barbagrigia
Heute entführe ich Sie in einen Alptraum. Vergessen Sie Hitchcock, Dracula oder Frankenstein! Ich habe was Besseres. Schließen Sie die Augen und folgen Sie mir in ein Gruselkabinett der besonderen Art: Sie stehen in einem leeren Raum, umgeben von riesigen, schmalzig und mechanisch grinsenden, magentafarbenen Robotern, die immerfort brabbeln: Wir freuen uns, Sie als Kunden..., wir bedauern, daß wir Sie als Kunden..., wir würden gern..., wir hätten gern...!" Letzteres stimmt sogar. Sie hätten gern - Ihr Geld. Und das holen sie sich. Unbarmherzig. Ob sie das dürfen oder nicht, interessiert sie einen feuchten Kehricht. Wozu denn auch! Solche Erwägungen wären menschlicher Natur, würden Herz und Verstand voraussetzen - was haben Roboter mit solchem Kinkerlitz zu tun? Und was haben Menschen im Verwaltungsapparat der Telekom und ihrer Tochter T-Online zu suchen? Nichts, werden sie vielleicht aus Erfahrung sagen. Und damit haben Sie so unrecht nicht.
Sie sind des Horrorgenres müde und wollen abschalten? Zurück zur Normalität? Ja, das ist ja das Grauenhafte. Das was ich Ihnen nun berichte - das ist die Normalität. Der Alptraum ist real. Seien Sie tapfer und folgen Sie mir ins Reich der magentafarbenen Finsternis - ein armer Doktor aus dem altmärkischen Gardelegen mußte da leibhaftig durch - wie einst Don Quijote rannte er tapfer gegen die Windmühlen des größten Kommunikationsdienstleisters der Welt an, die sich unberührt im kalten Sturm von Ignoranz und Dummheit und völligem Desinteresse drehen. Francesco Goya unterschrieb eine seiner weltberühmten Lithographien mit: El sueño de la razon nace monsteros! Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer! Wie recht er damit hatte, werden wir im Folgenden begreifen: Nun, Licht aus, Film ab:
Gardelegen an einem kalten ersten Februartag im Jahre des Herrn 2005: der frischgebackene Arzt L. zieht aus der Hauptstadt in das schöne Altmarkstädtchen. Bevor er das tut, noch im bitterkalten Januar, meldet er brav bei der Deutschen Telekom seinen Hauptstadttelephonanschluß ab. Das alles geschieht fernmündlich. Wo könnte man besser von den Segnungen der Fernsprechtechnik profitieren, als bei ihrem Betreiber selbst! Das "Fräulein vom Amt" nimmt alles entgegen und versichert dem scheidenden Doktor, daß er auch in der westelbischen Provinz einen Telekom-Anschluß erhalten könne. Nur mit dem DSL, das erfährt er bei einem weiteren Anruf bei dem Telekomsproß T-Online International, das sei dort noch nicht so ganz in trockenen Tüchern. Das würde wohl nichts werden. Doch nichtsdestoweniger könne man schon die Freischaltung des Anschlusses an der neuen Adresse bewerkstelligen. Sei sie bezogen, käme umgehend ein Techniker vorbei, prüfe die ISDN-Fähigkeit, teile die neue Anschlußnummer mit und dann - munter drauflosgeschwatzt. Und so geschah es. Das DSL, tja, herrje, nun also, wenn er den mit der Abmeldung seines Berliner Anschlusses gleich mit kündigen wolle, dann sei das gar kein Problem. Ist notiert! Wird gemacht! Wunderbar. Ist doch ein schönes Gefühl von Geborgenheit, von einem so kompetenten Dienstleister begleitet zu werden.
Frohgemut zieht also unser wackerer Jungarzt seiner neuen Heimat entgegen. Eine Idylle empfängt ihn. Großaufnahme. Blauer Himmel, der Frühling kündigt sich an - es könnte schöner nicht sein.
Wer achtet schon auf die kleinen dunklen Wölkchen, die sich am Megentahimmel abzeichnen. Doch das Gewitter braut sich schon über unserem noch ahnungslosen Helden zusammen. Die Leiden des jungen L. beginnen mit einem Anruf am 10. Februar. Ja, ja, die Iden eines Monats... die haben schon dem großen Cäsar nichts wie Scherereien gebracht. Mit diesem Anruf bei der obgemeldeten T-Online bekundet Herr L. seinen Wunsch nach erneuter Versorgung mit dem superschnellen Internetzugang DSL-Flatrate. Denn zwischenzeitlich wurde ihm die Kunde zuteil, daß Gardelegen eben doch mit entsprechenden Möglichkeiten ausgerüstet sei. Er braucht das DSL, sowohl privat als auch beruflich. Er ist nachgerade darauf angewiesen.
Das Verhängnis nimmt seinen Lauf! Am 18.März liegt eine Rechnung im Briefkasten, die folgende Posten erhebt: (Rechnungsnummer 979 586 9833) Leistungsnummer: 15514: Nacherhebung T-Online-Entgelte; Leistungsnummer: 19112: Grundgebühr T-Online-dsl-flat). Na sehen Se, werden Sie jetzt sagen, geht doch! Der Haken ist nur der: Unser Doktor hat überhaupt kein DSL! Er soll für etwas bezahlen, was er noch gar nicht bekommen hat!
Na ja, kann ja mal vorkommen. Irren ist menschlich. Man klingelt einfach bei der T-Online durch und klärt die Sache. Ist doch kein Aufwand.
Am anderen Ende meldet sich der T-Online Vorgesetzte Becker*, zu dem man verbunden hat. Ein unfreundlicher Zeitgenosse. Der schnattert ein paar Paragraphen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB herunter und erzählt etwas verwirrt von einer Nutzung der DSL-Flatrate in Gardelegen seit - halten Sie sich fest: dem 22. Julei 2002! Zur Erinnerung: Mittlerweile schreiben wir das Frühjahr des Jahres 2005. Ist Herr Becker der Mann, der aus dem Eise kam? Nicht ausgeschlafen? Deshalb so schlechte Laune? Beckerchen, nu mal die Augen auf: 2002 war DSL für den Raum Gardelegen noch Utopie und unser damaliger Berliner Studiosus L. hätte keinen blassen Schimmer gehabt, wo Gardelegen auf der Landkarte überhaupt zu finden sei. Doch solche Spitzfindigkeiten können das böse Beckerchen nicht aus der Konzeptlosigkeit bringen. Statt dessen wird Beckerchen bockig und knallt den Hörer in die Gabel. Verfluchter Kunde! Soll das Maul halten und zahlen und nicht mit sophistischem Firlefanz nerven. Mag auch sein, Herr Becker war ein Phantom aus der anderen Welt. Jedenfalls war er in der Unsrigen nicht recht zu Hause und fortan nicht mehr auffindbar.
Derweil telephoniert sich unser verschreckter L. durch die Lande und gerät irgendwann - es muß auch ein paar Lichtpunkte in unserem Horrorschinken geben - an den netten Herrn G. von der Telekom. Der sagt, eine DSL-Anschlußfreischaltung existiere bereits seit dem 8.März 2005. 8.März - Internationaler Frauentag! Ein Blumenstrauß für die Dame Telekom!
"Aber warum kann ich ihn dann nicht nutzen!" greint unser L. mit weinerlicher Stimme. "Nu," sagt Herr G., "das ist Sache der T-Online. Ich gebe Ihnen da mal 'ne Nummer." Zurück ins dunkle Dickicht der AGB, allwo der böse Becker lauert? Nee, da schicken wir doch lieber den reitenden Boten. Flugs ein Papier verfaßt, den Sachverhalt geschildert - und ab damit nach Darmstadt- ins lichte Schloß der T-Online. Und siehe, es fruchtet. Ein Friedenstäubchen kommt zurück, im Schnäbelchen ein Brieflein, von der T-Online ein lieber Gruß: man könne zwar keine Ungereimtheiten feststellen, aber damit dem lieben kleinen L. die Tränchen trocknen: ein Kullerkeks und 25 Euro Nachlaß. Das Brieflein schließt mit den herzigen Worten: Sehr geehrter Herr L., wir freuen uns, daß wir Ihnen in dem vorliegenden Einzelfall entgegenkommen konnten und wir Sie weiterhin zum Kreis unserer zufriedenen Kunden zählen dürfen.Na, kleiner L.? Alles wieder gut? Dann geh wieder schön spielen!
Aber L. ist bockig. Man verhöhnt ihn auch noch in seinem Elend! Wieder schreibt er, der Quengelquerulant! Er schreibt, man habe ihm wohl nicht recht zugehört. Nirgends eine Bezugnahme auf die von ihm geschilderten Probleme. Er wolle keine Kullerkekse, er wolle endlich seinen DSL-Anschluß und erst ab dem Tag der ersten funktionstüchtigen Freischaltung für diese Leistung bezahlen und nicht vorher! Basta! Man habe seinen Auftrag am 10.Februar entgegengenommen, man habe ihm die Zusendung eines DSL-Komplettpaketes für die nächsten Tage versprochen. Nichts sei passiert. Und überhaupt, nach Auskunft der Telekom sei der Anschluß erst am 8.März freigegeben worden, was aber gar nichts nutze, denn was soll er damit, wenn ihm keiner ein DSL-Modem liefert, welches zur Nutzung unerläßlich sei? Nach Auskunft der T-Online soll es wohl bei der Auslieferung besagter Modems zur Zeit enorme Engpässe geben. Aber bezahlen soll er seit 2002 ununterbrochen, als sei er nie umgezogen. Was soll das? Wolle man ihn ärgern, quälen, peinigen?
Aber nicht doch, kleiner L., du ungezogene Range. Man will doch nur, was alle Welt will: dein Geld will man, und das möglichst, ohne etwas dafür zu tun. Nun sei doch nicht so uneinsichtig und bezahle endlich!
Doch der Schlingel denkt nicht daran und queruliert munter in einem Fort. Er murrt, es sei nicht seine Sache, wie Mutti Telekom und Tochter T-Online ihre Aufgaben untereinander aufteilen. Es läge nicht in seiner Verantwortlichkeit, wenn ihm die eine zwar den Anschluß zur Verfügung stelle, die andere aber das Modem nicht rausrücke! Für ihn zähle nur, wann er durchs Internet sausen kann. Und das kann er nicht. Also will er nicht bezahlen.
Halt mal! Spielen Mutti und Tochter etwa Fangeball mit ihren Verantwortlichkeiten, und der kleine Depp in der Mitte kann gegen ein gepfeffertes Entree zusehen, ob er den Ball irgendwo erhaschen kann? Es macht den Anschein. Doch der Balljunge wird müde und des Spieles leid: Er geht beim Onkel Vorstand petzen. Der soll die beiden großen Stänkerfritzen zur Raison rufen. Und überhaupt, dieser komischer Dienst "onSport Insider", den er einmal nutzte ohne sich daran erinnern zu können, jemals auf eine Kostenpflichtigkeit hingewiesen worden zu sein, denn will er auch nicht mehr. Kahlschlag! Tabula rasa! Wenn ihr nicht aufhört, mach ich nicht mehr mit, bätsch!
Da ist sie, die unverhohlene Drohung, den teuren Spielplatz zu verlassen. Das macht Eindruck, wetten...?
Nee, nicht wirklich! Onkel Vorstand ist wohl schon senilkonfus, denn er brabbelt denselben Unfug, den seinerzeit das Phantom Becker aus dem finsteren AGB-Wald mit hohler Stimme raunzte: "Nutzung seit... keine formgebundene Kündigung. rückwirkend geht nicht... zahlen mußt Du!"
Quengel- L. wird langsam grimmig. Das geht zu weit! Noch einmal greift er zornig zur Feder und donnert wütend die Essenz dessen zu Papier, was er seit Wochen gebetsmühlenhaft wiederholt! Wir lesen erschüttert in einem Dokument der Verzweiflung: "Ein Kunde, der Inhaber einer DSL-Flatrate ist, stellt den Antrag auf eine DSL-Flatrate, diese nutzt er mit einem Modem der "ersten Generation" (das besaß er noch aus glücklichen Berliner Tagen. Anm. des Verfassers), an einem Ort an dem dieses Modem mit den vorhandene Leitungen gar nicht kompatibel ist, seit einem Zeitpunkt, an dem an diesem Ort überhaupt keine DSL-Technik zu Verfügung und er an diesem Ort überhaupt noch nicht wohnte oder auch nur je von ihm gehört hätte, und das ausschließlich via Telephon, durch die ihm bei wesentlich schlechter Übertragungsrate dann zusätzliche Kosten entstehen. Soviele Widersprüche hätten Ihnen auffallen müssen, sie werden von Ihrem Unternehmen ignoriert."
"Ich mag nicht mehr, ich steige aus, ich geh woanders spielen." Doktor L. hat die Schnauze voll!
Kann man den Widersinn der Angelegenheit noch deutlicher formulieren? Kapieren die jetzt endlich? Ob jetzt der Knoten platzt?
Nun, trocken akzeptiert die Telekom mit mechanischem Bedauern die Kündigung ihres Anschlusses zum 30.Mai 2005 um 23:00Uhr. Gott sei Dank. Zu Beginn der Geisterstunde sind alle frei und die Dämonen können nach einem neuen Opfer Ausschau halten.
Happy End? Abspann?
Denkste! Eine Stinkbombe haben sie noch, die schmählich verlassenen Bösen: Mit der Mine völliger Unschuld schreiben sie am 01. Juno an den kleinen Trotzkopf L.: ...Da wir unsere Leistungen stetig verbessern möchten, sind wir an Ihrer Meinung interessiert. Deshalb melden wir uns in den nächsten Tagen noch einmal telephonisch bei Ihnen, um die Gründe, die zu Ihrer Entscheidung geführt haben, besser zu verstehen." Der Dienst "onSport Insider" verunziert übrigens ungerührt weiterhin die monatlichen Rechnungen.
In L.s Pupillen beginnen so kleine Geräte wie Morgenstern, Streitaxt, Armbrust und Bihänder wild zu kreisen. Weißer Dampf entquillt den Ohren des Gemarterten. Man sublimiert den Hohn. Warum? Gibt das Böse nie klein bei? L. fühlt sich klein und machtlos gegen so viel fette Ignoranz. Wälz einer den bösen großen Drachen aus dem Weg! St.Siegfried, St.Georg, St.Michael - alle großen Drachentöter, helft! Nein, sie helfen nicht. Sie hören nicht. Sie sind entweder tot oder Mythos. Aber halt! Einen gibt's! Natürlich: St.Arcor! Mit wütendem Schnauben bittet der geschundene L. den Telekommunikationsdienstleister Arcor um Hilfe und einen funktionierenden DSL-Anschluß. Arcor sagt zu und springt mit strahlender Rüstung und frohgemut in den Kampf.
Doch der alte Drache versteckt sich nicht nur im AGB-Gestrüpp, er hockt auch auf dem Zuleitungsnetz. Und bevor er dieses lauschige Plätzchen nicht freigibt, kann Ritter Arcor hoch und niedrig hopsen - da tut sich gar nix. Arcor bittet und bettelt. Drache Telekom grinst genüßlich, der Anschluß sei ja frei, Arcor brauche nur zuzugreifen. Arcor greift zu und zieht - eine Fehlermeldung, und noch eine und noch eine und noch...
Haben Sie schon mal gehört, wie das klingt, wenn Drachen lachen? Schaurig, das sage ich Ihnen.
Ich bin nun über das ganze Gezänk ein alter, alter Mann geworden. So wie der einst junge L. Wir wissen beide nicht, ob wir noch das Ende des Dramas erleben werden oder darüber einen unzeitgemäßen Tod erleiden. Sei es wie es sei. Eines wird uns überleben: Das Prinzip Hoffnung: Denn die Hoffnung stirbt immer zuletzt!

*Name von der Redaktion geändert

6. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005