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Es rauscht im deutschen Blätterwald…

 

S. M. .Druckepennig
Wie weit stehen Sie vom sozialen Abgrund entfernt?
Die Frage sollte angesichts des wirtschaftlichen Desasters der Bundesrepublik Deutschland keinem Menschen vernünftigen Sinnes mehr als abstrus erscheinen.
Abgestürzt, das Geld wird knapp… Kleiner Mann, was nun?
Noch funktionieren einige der sozialen Sicherungssysteme. Sollten sie jedenfalls. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, daß diese Segnungen einer Solidargemeinschaft dem Dornröschen gleich in einen hohen Turm zum ausgiebigen Ruhen geschickt werden sollen, während bereits zu des Turmes Füßen die Schar der erlaßproduzierenden und -kauenden Beamtenschaft emsig dabei ist, eine unüberwindliche Dornenhecke anzupflanzen.
Wie sieht das nun konkret aus? Zunächst einmal wird es nicht schwerfallen, sich vorzustellen, daß die meisten derjenigen, die eh schon hart am Rande der erwerbstätigen Gesellschaft balancieren, nicht unbedingt die Fraktion der intellektuellen Eliten des Landes stellen.
Wir haben es also mehrheitlich mit den – euphemistisch ausgedrückt – basalen Schichten der Bevölkerung zu tun, für die eine Bild-Zeitung kreiert wurde, und deren Lebenskunst sich oftmals auf eine gewisse Bauernschläue beschränkt.
Das durchreglementierte, bis zur Perversion übercodizierte und bis ins unerquickliche Detail organisierte behördliche Dasein eines Bundesbürgers ist für sie ein anderes Universum. Leute, die kaum die Etiketten im Supermarkt lesen und sich die eigene Lebenszeit von Big Brother und GZSZ beschneiden lassen, werden nie und nimmer eines deutschen Formulars Herr werden! Das ist per se unmöglich. Denn hier begegnet dem Bürger das Amts- und Rechtsdeutsch! Das ist eine Sprache, die in Michels Ohren noch fremder klingt, und deren Laute noch weniger Sinn ergeben, als Ki-Suaheli.
Wenn er nun bei der Beantragung einer Hilfe oder sonstigen Sozialleistung durch einen gottgewollten Zufall begriffen hat, was die Amtleute von ihm erheischen, dann geht der Zirkus in die nächste Runde. Sie wollen Belege! Alles, was Michel von sich behauptet, muß er belegen. Punkt für Punkt, Stück für Stück. Auf einem solchen Beleg sollte möglichst noch der letzte Schimmer weißen Papiers unter einem Stempel oder einer beglaubigenden amtlichen Unterschrift verschwinden. Dann ist es recht.
„Aber wo haben wir denn…? Wo war denn noch gleich…? Na, Mensch, die Bescheinigung da, die haben wir doch vor vier Wochen erst, erinnerst du dich nicht? Wenn man dich schon was fragt! Wirst sie wieder versiebt haben…Dir kann man ja nichts in die Hand geben!“
Dieser familiäre Kleinkrieg wird zwar nicht zum Auffinden des Dokumentes führen, aber er wird mit Sicherheit ein anderes Ziel erreichen: daß Michel und seine Frau irgendwann entnervt aufgeben! Und das ist doch schon mal was!
Zugegeben, daß es bei Michels aussieht, wie bei Hempels unterm Bette, ist in unseren Zeiten wohl eher die Regel als die Ausnahme. Das Amt kann dafür überhaupt nichts und wir wären die Letzten, die den Behörden die Schlamperei und katastrophale Unordnung in einigen bundesdeutschen Privathaushalten anlasten würden.
Dennoch sehen wir in den durchklausulierten Forderungen nach immer höheren Papierbergen eine gewisse Methode. Nicht jeder bezwingt die Eigernordwand, nicht wahr! Manche stürzen schon nach zehn Metern in die Tiefe zurück. Wieviele Millionen, wenn nicht Milliarden Euro der Staat Bundesrepublik Deutschland jährlich an der Insuffizienz seiner bedürftigen Bürger spart, würde uns schon wirklich brennend interessieren.
Es müssen horrende Summen sein! Im Umkehrschluß dürfte man vermuten, daß das wirtschaftliche Aus dieses Gemeinwesens schon beschlossene Sache wäre, wenn sich jeder, dem nach den hiesigen Gesetzen etwas zustünde, das Seine auch bis auf den letzten Pfennig holen würde. Nein, da baut die Bürokratie entsprechend vor. Und ganz galant macht sie das, unendlich diskret und ohne sich wirklich schuldhaften Verhaltens auszusetzen. Für ein paar Euro Wohngeld wird beispielsweise ein Aufwand eingefordert, den wirklich nur wenige zu leisten imstande sind. Und der vor allem, rechnet man die Arbeit auf eine Art abstrakten Stundenlohn um, das Ergebnis mehr als unrentabel macht.
Leute wie Parkinson (der Entdecker von Parkinson’s Law ) und Professor Lawrence C. Peter aus Kanada machten sich viele kluge Gedanken zu der Autodynamik, die bürokratischen Systemen innewohnt. Dieses schier unerschöpfliche Reproduktionspotential, das ständig derart verquaste neue Blüten in Form, Ausdruck und Begehr treibt, daß sie teilweise selbst von Fachleuten nicht mehr überblickt werden, ist – so will es uns scheinen – nicht einfach nur ein unbeherrschbarer Selbstläufer.
Als der englische König Eduard III. um 1350 während eines galanten Zwischenfalls mit seiner Geliebten den Hosenbandorden gründete um ihr über eine peinliche Situation hinwegzuhelfen, da rief er das Motto dieser Auszeichnung aus: "Honi soit qui mal y pense!“ Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Wir greifen das gerne auf und sagen mit einem Fingerzeig auf den Dschungel deutscher Formulare und der in ihm hausenden Beamtenschar: Ein Idiot, wer nichts Arges dabei denkt!

6. Volumen
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