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Pest und Terror

S. M. Druckepennig
Die 29. Kalenderwoche des christlichen Jahres 2005 ließ die Menschen der Neuzeit wieder einmal ein Stück weit teilhaben an der Erlebniswelt ihrer Mütter und Väter vor etwa fünfunddreißig Generationen. Als die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman mit ihrem Buch "Der ferne Spiegel" das dramatische europäische 14. Jahrhundert beschrieb, beleuchtete sie den enormen Fatalismus, der die Menschen im Angesicht des allgegenwärtigen Todes beschlich. Nun ist der Tod immer allgegenwärtig. In manchen Epochen der Menschheitsgeschichte aber kam er mit so geballter Macht über die Kinder Adams und Evas, daß denen buchstäblich Hören und Sehen verging.
Das vierzehnte Jahrhundert forderte dem europäischen Kontinent einen apokalyptischen Blutzoll ab: Klimaänderungen, politische Wirren, ein schamlos verweltlichter Klerus, unaufhörliche Kriegszüge machten die Völker zwischen Sizilien und den Fjorden mürbe. Und dann kam SIE, eingeschleppt durch einen Kauffahrer aus dem Orient, der in Genua anlandete: die Pest! Auch wenn manche moderne Historiker heute behaupten, daß das, was wir heute landläufig als den Schwarzen Tod den ausgehenden Mittelalters bezeichnen, nicht allein die schwarze Beulenpest gewesen sei, sondern verschiedene Seuchen, die in mehreren Ausbreitungswellen das unhygienisch hausende Abendland überfluteten - Fakt ist, Europa verlor in diesen Jahren mehr als ein Drittel seiner Bevölkerung an immer wiederkehrenden Pandemien.
Ganze Landstriche verödeten. Der Albtraum, an dem die Menschen irre wurden, hallte nach: Der zentrale Omnibusbahnhof der Stadt Brandenburg an der Havel befindet sich auf dem Trauerberg - ja, so heißt dieser Platz noch heute. Sein Sand deckte einst die ungezählten Seuchenopfer der Neustadt Brandenburg. Es war die Zeit der großen Totentänze. Unter dem Turm der Berliner Marienkirche gegenüber dem Roten Rathaus kann man einen solchen Torentanz betrachten, jenen schaurigen Reigen, deren Tänzer aller Stände und beiderlei Geschlechte abwechselnd aus Todgeweihten Lebenden und bereits Gestorbenen besteht. Während die Moriturii gramvolle Gesichter zeigen, grinst einzig der übermächtige Tod, der am Ende immer siegt. Welch ein Fatalismus spricht uns aus jenen Bildmotiven entgegen!
Schon damals waren unsere Ahnen in einer gewissen Endzeitstimmung und meinten, das Jüngste Gericht könne angesichts der empfundenen, schrankenlosen Herrschaft des Bösen so ferne nicht mehr sein.
Und wieder beschleicht uns, die Nachgeborenen der damaligen Überlebenden, das ungute Gefühl, in das von den alten Griechen orakelte Eiserne Zeitalter hineinzustürzen, welches uns wieder empfänglicher macht für die Botschaften der Totentänze unserer Altvorderen: Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen" bewahrheitet sich Schritt um Schritt. Die vorletzte Juliwoche 2005 bewies, daß die zeitgenössischen Assassinen die Tradition des Alten vom Berge zum Schrecken der Welt wieder aufleben ließen. Als die Mongolen mit der als uneinnehmbar geltenden Festung Alamut im iranischen Hochland vor reichlich achthundert Jahren kurzen Prozeß machten und die schiitischen Fanatiker geradewegs in ihr satanisches Paradies sandten, glaubte man, des Fluchs der Selbstmordattentäter ein für alle mal ledig zu sein. Ein verhängnisvoller Irrtum! Schon die kaiserliche Armee Japans belebte im Zwanzigsten Jahrhundert die Idee des persönlichen Opfertods erneut, um sie als "göttlichen Wind" (Kamikaze) getarnt auf den Feind vernichtend herabzusenden.
Islamische Fundamentalisten, die es zum einen ankotzt, daß die Vereinigten Staaten und Nordeuropa in schranken- und sittenlosem Überfluß schlemmen, während man in ihren Ländern tagtäglich verreckt, um diesen fernen Luxus zu ermöglichen, und die zum anderen den Einfluß des liberalen Okzidents vor allem auf die islamischen Frauen fürchten - und nichts erschreckt ein schwanzlosen Fundamentalisten mehr, als eine starke Frau, die am Ende zurückschlägt, wenn er sie prügelt und ihre Hingabe widmet, wem sie will - solche Fanatiker nun sind bereit, junge, etwas blöde Männer für sich sterben zu lassen, um den Prassern der Nordhemisphäre die Zähne zu zeigen.
Die Botschaft kommt an! Eingeleitet wurde das neuzeitliche Assassinentum mit den Donnerschlägen von New York und Washington am 11.September 2001. Seither dreht sich der Malstrøm der Gewalt mit immer größerer Wucht. Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem die Nachrichten nicht voll wären von den Schreckensmeldungen aus aller Welt. Die Terroristen müssen nur noch befürchten, daß die Masse der Anschläge eine Inflation ihres "Wertes" bewirkt. Das wäre den Mördern das Schlimmste, daß keiner mehr hinschaut!
Doch davon sind wir noch weit entfernt. Für die Europäer kam das böse Erwachen mit den Anschlägen auf die Madrider Eisenbahn.
Dann folgte London. Gut, zwischenzeitlich hat es unendlich in den Weiten der russischen Einflußsphäre gekracht. Wir entsinnen uns des Massakers in einem Moskauer Theater und der fürchterlichen Schlächterei in Beslan. Doch hat sich der Westen noch nie sonderlich mitfühlend für die Belange des Dritten Roms interessiert.
Wenn es aber im Abendland rumst, dann wird man hellwach! Nun hat es also die Hauptstadt des Empires erwischt. Und kaum atmet man durch und meint, zweimal an derselben Stelle ist sehr unwahrscheinlich, da werfen die nächsten islamischen Verrückten ein paar neue Bomben und mit ihnen diese statistische Wahnidee über den Haufen und versuchen, die nächsten Sprengsätze zu zünden.
Europa bekommt hautnah zu spüren, was in Israel seit dessen Staatsgründung an der Tagesordnung ist. (Vielleicht erwächst daraus auch ein wenig mehr Verständnis für den Judenstaat, statt der selbstgefälligen Kritisierereien, die jetzt allerorten a la mode werden.)
Und damit die Europäer nicht allzu depressiv werden, hängen sich ein paar kurdische Trittbrettfahrer an den Terrorexpress und zeigen den Osmanen in Konstantinopel, wo der separatistische Hammer hängt. Das hinwiderum kann den islamistischen Bombern nicht recht gefallen, denn sie beanspruchen die Bühne für sich. Und so setzen sie auf dem Sinai im berühmten Badeort Sharm-el-Scheich noch einen drauf!
Verzweifelt klammert sich nun die westliche Berichterstattung an ein paar ägyptische Demonstranten, um sich etwas damit zu trösten, daß die Bomberei mittlerweile auch den Einheimischen mißfällt. Mein Gott, das sind die Angestellten des Hotelgewerbes, die durch den Terror brotlos werden.! Die lieben das ungläubige, sittenlose Ausländerpack nicht ein Fatz mehr - aber sie leben von ihnen. Sie sind ein paar Privilegierte, die ein bescheidenes Auskommen haben, solange die Ungläubigen kommen und ein paar Dollar dalassen. Der Mehrheit aller Moslems wird ein beglücktes "Alcham did'Allah!" - "Gott sei' s gepfiffen und getrommelt!" - aus dem Munde schlüpfen, wenn eine menschliche Bombe mit dem Koran unter dem Arm wieder einmal ein paar Giaurs (Ungläubige) zum Schaitan (Teufel) geschickt hat.
Die Historie ist eigentlich dazu da, daß man aus ihr lerne! Was können wir nun für Schlußfolgerungen ziehen? Sollen wir's halten wie einst die mongolischen Horden, die mit ignoranter und ungestümer Macht das Problem des Alten vom Berge und seiner Assassinen wie ein paar lästige Wanzen einfach vom Tisch der Weltgeschichte fegten? Unter diesem Aspekt wäre es ein Fehler, Leute, gerade dümmliche Teufelsweiber wie Lyndie England, einzusperren. Das wären die einzigen Spezialisten, die einen islamistischen Wirrkopf an seinen empfindlichsten Weichteilen geradezu seelisch zu packen vermögen! Doch die zivilisierte Welt fürchtet den globalen Aufschrei aller jetzt noch gemäßigten oder lediglich unterschwellig antiwestlich gesinnten Muselmänner. Daß traditionelle, nichtsdestoweniger substanzlose große Maul Arabiens wird seit der Zeit der Kreuzzüge im Abendland noch immer sehr respektiert. Leute wie Karl Martell oder den Cid findet man bestenfalls noch auf europäischen Denkmalssockeln. Auch die verheerende und alles niederwalzende Gewalt der mongolischen Khane füllt nurmehr ein paar Seiten in den Geschichtsbüchern.
Vielleicht ist das auch ganz gut so. Wer sollte es wagen, darüber ein endgültiges Urteil zu fällen!
Dennoch, ein friedliches Miteinander mit den Völkern des Halbmondes kann es nur geben, wenn diese zurückfinden zu ihrem ihnen immanenten liberalen Geist, der ihnen im Mittelalter eine gewaltige Hochkultur und die Führung in Kunst und Wissenschaft bescherte.
Wir Europäer haben viel dazu beigetragen, daß ebendiese Hochkultur einer orthodoxen und den Geist tötenden, islamischen Theokratie unterliegen mußte. Angefangen mit den idiotischen Kreuzzügen, fortgesetzt mit der Reconquista und all ihrer verderblichen Saat der Intoleranz und des gandenlosen Hasses, die den heutigen Mullahs erst die eigenen Haßpredigten in die Feder diktierte, und endlich durch die kolonialen und neokolonialen Aktivitäten der europäischen Großmächte im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert tragen wir die Hauptverantwortung für die Entwicklung, die mit ihrer zerstörerischen Gewalt an ihren Ursprung zurückkehrt. Wie der französisch geformte Versailler Vertrag zu einem der wesentlichsten Steigbügelhalter Hitlers wurde, so degenerierten die paulinisch- katholische Kirche und ihre braven Kinder an den okzidentalen Schalthebeln der Macht zu "Mullahproduzenten".
Der einzig gangbare Weg die modernen Metastasen der Höllenfestung Alamut auszuräuchern und damit die assassinische Gewaltspirale zu beenden, erscheint also im großflächigen und radikalen Umdenken des Abendlandes: Es ist verkehrt, das Problem mit der Installation von Amerikahörigen Marionettenregierungen in arabischen Staaten zu lösen, denen allein man die geringfügige Partizipierung am westlichen Wohlstand gestattet. Die ernten nur Ablehnung bei ihrer Basis. Es wäre dagegen sinnvoll, mächtigen und souveränen Kalifen vom Schlage eines Salah ad Din oder eines Harun al Raschid den Weg an die Macht zu ebnen und deren Untertanen großflächig wieder einen Anteil am Reichtum dieser Welt zu ermöglichen. Ein satter und zufriedener Moslem dankt Allah und geht seinem Tagwerk nach, anstatt auf die Ausrottung von Juden und Christen zu sinnen. Ganz im Gegenteil. Ein satter und zufriedener Moslem lebt und läßt leben. Cordoba lehrte uns, wie die drei verschwisterten Religionen ein friedliches Miteinander zu gestalten in der Lage waren. Und - weil wir gerade bei den Kalifaten sind - man vergesse einfach die fixe Idee, den Muselmännern Demokratien nach westlichem Vorbild überhelfen zu wollen. Das funktioniert bei den Wüstensöhnen einfach nicht! Man muß sie nehmen wie sie sind. Das wäre schon mal ein Schritt in die richtige Richtung!
Falsche und unwirksame Mittel gegen die völkermordende Pest in Europa waren die Hexenverbrennungen und Judenpogrome. Sie bekämpften nicht die realen Gründe für das Elend und änderten daher überhaupt nichts. Erst die Verbesserung der hygienischen Lebensbedingungen konnten die großen Seuchen eindämmen. Exakt diese Strategie läßt sich auf die Bekämpfung des Selbstmordterrorismus anwenden: ziellose Gegengewalt nutzt auf die Dauer wenig. Den Sumpf mit den Mitteln der Teilhabe am Wohlstands und des Entgegenkommens austrocknen - den anderen in seiner Andersartigkeit ehren und respektieren - das ist der einzige Weg, die Irren dieser Welt zu isolieren und kaltzustellen. Ganz beseitigen kann man das Übel nie. Darüber muß man sich im Klaren sein. Auch die spanische Grippe von 1918 hat, allen medizinischen Erkenntnissen zum Trotze, noch einmal richtig zugeschlagen. Dennoch - man kann das Problem auf ein erträgliches Maß eindämmen: Indem man den eigenen Starrsinn, die Suche nach bequemen Antworten und vor allem die eigene Gier und das Anspruchsdenken zugunsten der benachteiligten Zeitgenossen zurückschraubt. Wir können teilen - und das sollten wir auch! Denn auf denen Friedhöfen, seien sie von Kreuzen, Halbmonden oder Davidsternen geziert, nutzt der vorhandene Reichtum niemandem auch nur das Geringste! Und die Geschichte mit dem Paradies, an das die vernebelten Assassinen noch immer zu glauben schienen, das ist blanker Humbug!
Wenn es so wäre, würden sich die Alten vom Berge, die Hassan il Sabahs und die Osama bin Ladens als Erste in die Luft sprengen. Und die ewig willigen siebzig Jungfrauen pro "Märtyrer" - na ja, zuviel Sittenstrenge scheint die Hirne im gleichen Maße zu vernebeln, wie schrankenlose, westliche Zügellosigkeit. Doch auch hier gilt: solch gestörte Phantasien können nur dort blühen, wo junge Männer nicht einmal den Hauch einer Chance haben, auch nur eine einzige Frau - jungfräulich oder nicht -als Gemahlin heimzuführen, weil sie keine Ausbildung haben und keinen Job und überhaupt nichts; außer eines Tages ein paar Pfund Sprengstoff und die Hoffnung, daß an diesen saublöden Ammenmärchen auch nur ein Fitzelchen Wahrheit kleben möge.
Laßt sie hier leben, dann werden sie sicher wieder die Muße und das Potential gewinnen, über die wahren Aussagen des Korans nachzudenken und arabische Gastfreundschaft wird blühen, wo sie heute in ihre atomaren Bestandteile zerbombt wird.

6. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005