Die Deutsche Post erzieht ihre
Kunden
B. St. Fjøllfross
Ja, das interessiert das Fernsehen:
Wie verstümmelt kann eine Briefadresse sein und die Deutsche
Post, dieser große Dienstleister, bestellt's trotzdem? Also
klierten und verstümmelten die Fernsehfritzen drauflos und ab
ging's zum nächsten Briefkasten. Und dann war man sehr, sehr
stolz. Die eifrigen Rechercheurs bei der Deutschen Post bekamen aber
auch fast alles hin! Ganz toll, Deutsche Post. Und wie sie alle strahlten
- wie die Honigkuchenpferde. "Gott, sind wir gut!"Und so
guten Leuten will man's ja auch nicht unnötig schwer machen,
nicht wahr. Das Computerzeitalter macht's möglich. Was so ein
feiner Drucker ist, der bringt eine gestochen scharfe Schrift zuwege.
Na ja, manchmal schleicht sich doch ein kleiner Fehler ein. In unserem
Falle wurde aus der Postleitzahl 10704 eine 14704. Das Hirn kennt
solche kleinen Aussetzer, zumal der Absender in 14774 wohnt. Das liegt
alles so nah beieinander. Irren ist menschlich. Doch man kommt den
Profiboten noch weiter entgegen: der Brief wird in den Briefkasten
Helmholtzstraße an der Berliner Gotzkowskybrücke eingesteckt,
der sogar zwei Fächer besitzt. Eines für Berlin und eines
für den Rest der Welt. Unser Brief landete im Berliner Fach,
denn an die Berliner BfA war er ja gerichtet.
Damit Fehlerquellen trotzdem ausgeschlossen werden, gibt es ja noch
den Rest der Anschrift. Dabei handelte es sich nicht etwa um Tante
Frieda aus Klein-Derrenthin, sondern die Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (BfA) in Groß-Berlin. Die BfA ist eine
national bekannte Organisation. Ihre Adressen kann jeder Idiot dem
nächstliegenden Telephonverzeichnis entnehmen.
Und jetzt kommen sie ins Spiel, die großen Strategen, die Fährtenleser,
die Selbstbeweihräucherer: Die Könner vom Briefzentrum 10
sehen die -,51Euro - Briefmarke und verabsäumen nicht, sie flugs
zu entwerten. Futsch isse! Und dann senden sie den Brief zurück
an den Absender. Der ist wütend, denn der Brief ist eilig. Wie
paßt das zusammen? Erst die großen Spurensucher markieren
und dann solch ein Herumgereite auf einer einzigen falschen Zahl.
Ein Anruf im Kundenzentrum soll's beleuchten.
Und so wählten wir Auskunft erheischend die 01802 3333 und wurden
mit dem Kundenservice der Deutschen Post AG in 27336 Rethem verbunden.
Zunächst war ein Herr am anderen Ende der Leitung, der uns folgendes
erklärte:
"Das nationale "D" in der Anschrift, D-10704 Berlin,
würde eventuell die Zuordner irritieren." Aha, sie verschießen
als erstes den dümmsten Brocken! Dann setzte der Postler noch
einen drauf: "Es handele sich möglicherweise um eine erzieherische
Maßnahme der Post!" Bravo! Darauf muß man erst einmal
kommen. In Zeiten sich stetig verschärfenden Wettbewerbs erzieht
ein Dienstleister seine Kunden! Nur zu! Nur weiter so! Der aktienbesitzende
Kunde wird Euch erziehen, liebe Freunde in Gelb! Wenn Eure Aktien
in den Baissen-Keller stürzen und andere Wettbewerber, die sich
fähiger und kundenfreundlicher anstellen, an Euch vorüberziehen!
Aber der Herr am Telephon war auch mit einem Rat bei der Hand: Man
gebe doch den Brief an der nächsten Postfiliale ab. Leichter
gesagt als getan. Beim derzeitigen Filialsterben keine Kleinigkeit!
Na, na, so schlimm wird's auch nicht. Die kleinen Poststände,
die jetzt schon auf Supermärkte verteilt wurden, sind dem auch
gewachsen. Die ersetzen die Briefmarke.
Tun sie das? I wo. Die wissen nicht mal, worum es geht und gleich
gar nicht, wie sie das verbuchen sollen. Fehlanzeige!
Nachfrage in Rethem: Diesmal ist es eine Frauenstimme: "Nein,
also, was der Kollege da von sich gegeben hat, das ist Unsinn. Wir
dürfen einen mit einer fehlerhaften Adresse beschriebenen Brief
gar nicht zustellen. Sie haben uns einen Auftrag erteilt für
diese Adresse. Und wenn die nicht stimmt, dann geht der Brief halt
an Sie zurück. Und was Sie da im Fernsehen gesehen haben, weiß
ich nicht."
Aha! So ist das! Der Kunde ist auch noch ein bissel blöde, was?
Schaut sich Gruselsendungen im Fernsehen an, oder Aprilscherze der
Deutschen Post und wagt es, diese für bare Münze zu nehmen.
Selbst Schuld!
Soll halt die nächste Briefmarke raufkleben und der Deutschen
Post den nächsten Auftrag erteilen. Diesmal in korrekter Form
- dann kommt er auch an - doppelt so teuer und mit Verspätung,
aber was soll's?
Nein, meine Lieben! Trotz Eurer großmäuligen Werbungen
scheint ihr den Kapitalismus nicht begriffen zu haben. Wer nicht kann
und wer nicht will, der fliegt raus! Die Zeiten Eures Briefmonopols
sind definitiv vorbei. Ihr müßtet in den Zeiten des Faxes
und des E-Mail-Schriftverkehrs um jeden Briefkunden kämpfen.
Ist Euch zuviel? Dann ist uns Euer Porto zuviel. Eure Ausreden und
Begründungen interessieren uns nicht. Dafür bezahlen wir
keinen müden Cent! Wir wollen eine ordentliche, kundenorientierte
Leistung.
Baut derweil ruhig weiter Eure Briefkästen ab und schließt
Eure Filialen! Wenn ihr nicht umdenkt, wird das bald das Einzige sein,
was Euch noch zu tun bleibt.
Nachsatz:
Die Deutsche Post
entschuldigte sich für den Vorfall am 18.August 2005 unter dem
Aktenzeichen 2005/08-0057584-F01-KTCR mit folgendem Wortlaut:
Sehr geehrter
Herr Fjøllfross,
Vielen Dank für
Ihre Nachricht vom 06.08.2005. Wir bedauern, daß Sie Anlaß
zur Klage über die Rücksendung einer von Ihnen versandten
Briefsendung haben.
Nach unserem Selbstverständnis
als kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen sind wir bemüht,
auch Sendungen mit unzureichender Anschrift dem Empfänger auszuliefern.
Sendungen mit Mängeln in der Anschrift, werden bei der Bearbeitung
ausgesondert und an unsere Ermittlungsstellen weitergeleitet. Die
Berichtigung ist sehr aufwendig, bedingt durch die Vielzahl der Sendungen,
die zum Teil noch mit alter, vierstelliger Postleitzahl, oder mit
falscher Hausnummer eingeliefert werden. Weshalb die Ermittlungen
in dem von Ihnen geschilderten Fall zu keinem Erfolg führten,
läßt sich im Nachhinein leider nicht mehr klären.
Aufgrund Ihrer Zuschrift wurden die betreffenden Mitarbeiter nachdrücklich
auf ordnungsgemäße und kundenorientierte Arbeitsweise hingewiesen.
Wir bitten Sie,
die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen und freuen uns, wenn wir Sie
künftig wieder zu den zufriedenen Kunden unseres Unternehmens
zählen dürfen. Betrachten Sie bitte das beigefügte
Postwertzeichenpräsent als kleine Entschädigung für
den entstandenen Ärger.
Mit freundlichen
Grüßen
i. A. J.
L.
i. A. W.
M.
Entschuldigung angenommen!
Wir danken! Fjö