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Deutschland jeht beim Italiener…
Zur vorgezogenen Bundestagswahl 2005

Don Miquele Barbagrigia
Es ist ein alter Hut: degenerierende wirtschaftliche Verhältnisse ziehen in aller Regel ein politisches Chaos nach sich. Nachdem sich im Zuge der ökonomischen Globalisierung die Sozialdemokratien Europas mehr und mehr von den Bühnen des Abendlandes verabschieden, weil sie ganz einfach ihrem traditionellen Anspruch nicht mehr gerecht werden können, versuchen ihre Repräsentanten noch ein wenig an ihrem Sessel zu kleben. Wenn der wackelt, dann wird er aus taktischen Gründen geräumt, weil man um seine Instabilität weiß und damit rechnet, daß er auch für die Opposition zum Schleudersitz werden muß.
Was sollen die auch anderes machen? Das Geld ist nun mal alle. Die Staatsverschuldung hat astronomische Ausmaße erreicht und es besteht keine erstzunehmende Aussicht mehr auf einen seriösen Schuldenabbau.
Um in die Zukunft zu schauen, reicht ein Blick in die Vergangenheit, respektive in das Land jenseits der Alpen. Italien in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts – das war ein immerwährendes Kommen und Gehen in den Regierungspalästen. Es wurden nicht nur große, nein, größte Koalitionen gekleistert – vom „schmieden“ wollen wir hier nicht sprechen – die um so handlungsunfähiger wurden, desto mehr Parteien sie in ihren Reihen vereinten.
Aber das ist noch nicht alles, was an den Süden des Heiligen Römischen Reiches erinnert. Es ist dieser unglaubliche Lobbyismus, dieser exorbitante Filz, der zu Lasten derer, die eh schon nichts mehr haben, noch das Letzte heraussaugen.
Da ist von der Lockerung des Kündigungsschutzes die Rede, den sich die CDU auf die Fahnen geschrieben hat. Angeblich um Arbeitsplätze zu schaffen. Die Logik klingt plausibel: Ein „Arbeitgeber“, der nicht lange darüber nachdenken muß, wie er seine angeheuerte Arbeitskraft wieder los wird, der wird nicht so elend lange zaudern, neue „Arbeitnehmer“ einzustellen. Aber das ist die Logik des Teufels. Denn sie degeneriert nicht nur den einzelnen Arbeiter oder Angestellten zum beliebig austauschbaren Verfügungsobjekt, sie unterminiert die gesamte Binnenwirtschaft. Wer sich seines Arbeitsplatzes nicht mehr sicher ist und damit rechnen muß, von heute auf morgen auf der Straße zu liegen, der wird nur sehr zurückhaltend konsumieren. Dumm gelaufen für den Binnenmarkt! Und weiter: Welche Bank vergibt noch größere oder langfristige Kredite, z.B. an Häuslebauer, wenn die Sicherheit „Arbeitsplatz“ schlicht nicht existent ist? Mit etwas Phantasie lassen sich die desaströsen Folgen beliebig weiterspinnen.
Aber an einen Wegfall des Kündigungsschutzes für die ineffiziente Schar der Beamten zu denken, welches dem deutschen Volk wirklich Milliarden und Abermilliarden einsparte, das wagt die CDU beileibe nicht – und auch keine andere deutsche Partei! Dem Vernehmen nach soll Herr Gerster, vormals Chef der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, der sicher sonst kein Unschuldslamm gewesen ist und den Raffke eher versinnbildlichte, genau über diesen Versuch gestolpert sein Das ist so ähnlich, als wollte die italienische Justiz Herrn Berlusconi mafiöser Aktivitäten wegen anklagen. Das klappt nie!
Die deutsche Beamtenschaft hält das deutsche Land fest in ihrem Griff. Löste man das sauteure und längst überkommene Staatsdienerunwesen endlich zugunsten einer progressiveren Verwaltungsstruktur ab, es würde nicht nur der hochverschuldete Staatshaushalt erheblich entlastet, auch die Effizienz der Verwaltung nähme enorm zu. Aber wie gesagt…!
Ganz nebenbei erfahren wir, daß die Rentenkörperschaften im Herbst schon mal für ein paar Tage bei der Bundesregierung eine halbe Milliarde Euro (!) pumpen müssen, weil sie sonst die fälligen Rentenleistungen nicht mehr zahlen können. Gesetzt, Sie befänden sich auf einem Dampfer auf Hoher See und bemerkten, wie ein paar Tropfen Wasser durch die Bordwand sickern. Keine Panik! Fester Boden ist nie weiter als elf Kilometer von Ihnen entfernt – nach unten…!
Um dieses und anderer drängender Probleme Herr zu werden, verlangt die CDU mittlerweile unumwunden nach einer Erhöhung der Mehrwertsteuer. Abgesehen davon, daß die anderen Parteien trotz all ihrer frommen Lippenbekenntnisse auch keine Alternative zu diesem Schritt hätten – eines ist doch wohl sonnenklar: Das gibt der Binnennachfrage den Rest! Unsicherer oder gar kein Arbeitsplatz, stetig sich verteuernder Konsum, stetig sich verteuernde Energie – hurra, wir saufen ab. Daß wir noch Exportweltmeister sind, hat uns bislang nicht gerettet und wird uns auch in Zukunft kein Trost mehr sein. Denn, wenn die weltweiten Abnehmer deutscher Waren erst mitkriegen, wie sehr der deutsche Binnenmarkt schwächelt, dann werden sie auch über kurz oder lang das Vertrauen in die legendäre Qualität der deutschen Waren verlieren. Irgendwo muß ja wohl der Wurm drin sein. Oder würden Sie bei Ihrem Italiener eine noch so lecker aussehende Pizza bestellen, wenn Sie erst mal einen Blick in Backstube geworfen haben und festgestellt haben, daß die dortigen hygienischen Verhältnisse mit denen einer Müllkippe konkurrieren?
Wobei sich der Kreis dieses Artikels schließt: Deutschland jeht beim Italiener… was für ein grottenschlechtes Deutsch doch der Berliner spricht! Aber lassen Sie uns die Überschrift sinnvoll ergänzen: Deutschland jeht beim Italiener… in die Lehre! Der Norden des Heiligen Römischen Reiches lernt vom Süden italienische Verhältnisse. Aber frohlocken Sie nicht zu früh: Dolce Vita ist damit nicht gemeint.

6. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005