Baaks

zurück zum Landboten

 

Rache für Macao
China kauft Staatsanleihen von Portugal

Akinokawa Michi
Die dramatische Veränderung der Welten postulierte einst Herr Tolkien in seinem monumentalen Epos "Der Herr der Ringe". Nicht nur die Kontinente, nein, auch gewaltige politische Machtblöcke verschieben sich, brechen auseinander, formieren sich neu. Die Spots der Macht wandern über den Globus, ruhelos und keine Rücksicht nehmend auf die einstige Größe, die einstige Bedeutung von Landstrichen und ihren Bewohnern. Wo sind sie geblieben, die Großreiche der Induskultur, des fruchtbaren Halbmonds, Persiens, Griechenlands, Ägyptens, Perus, der Azteken, Olmeken, Totonaken, Maya, Inka...? Ja, selbst Rom, das Mentalität und Werdegang des Abendlandes bis zum heutigen Tage bestimmt – es ist nicht mehr. Es folgte das Reich Dschingis Chans, dessen Nachfolger leidvoll erfahren mussten, dass man ein Imperium zwar aus dem Sattel erobern, aber kaum aus dem Sattel regieren kann. Es folgte das Reich Karls V., des Habsburgers, der von sich behaupten durfte, dass über seinem Herrschaftsgebiet die Sonne nie untergehe. Hinfort. Weggeblasen die räuberischen Flotten der Spanier, in Rauch aufgegangen das Britisch Empire und selbst der Sowjet-Staat, der ein Sechstel der Erdoberfläche bedeckte und die Zukunft der Menschheit für sich gepachtet zu haben glaubte, ging nach nicht einmal sieben Jahrzehnten sang- und klanglos den Bach hinunter. „Sie haben China vergessen“, höre ich rufen. Habe ich nicht! Seit Kaiser Qin Shihuangdi blieb China zwar das mächtige Reich der Mitte, verspielte in seiner Geschichte aber mehrfach und konsequent alle Chancen, zur Weltmacht emporzusteigen. Am Spektakulärsten ist wohl der Verzicht auf die Vormachtsposition als unangefochten herrschende Seemacht zu sehen, welcher nach dem Tode des größten Admirals aller Zeiten, Zheng Hes, im Jahre 1433 erfolgte. Auf der einen Seite scheint es, als hätte es sich bei diesem Schritt als Ausdruck der Selbstbescheidung um einen weisen und von Weitsicht getragenen Schachzug gehandelt, der China vor dem unzeitigen Verfall bewahrte. Dieser ereilt bekanntlich Nationen zwangsläufig, wenn sie denn zu groß und zu alt geworden sind. Auf der anderen Seite aber brachte die damit verbundene Isolation Chinas einen Verlust an globaler Kommunikation. Die einstige technische Supermacht verkam zu einem spätfeudalen Anachronismus, unfähig zu Wandel und Erneuerung. China wurde anfällig für die Invasionen ausländischer Mächte. Die Mandschu kamen und die Japaner und die europäischen Kolonialmächte lagen auch schon auf der Lauer. Die Portugiesen, die ihre alten Weltmachtträume aus der Zeit da Gamas und des Seefahrer-Prinzen Heinrich noch immer nicht ganz begraben hatten, schufen sich mit dem Hongkong gegenüberliegenden Ufer Macao einen Stützpunkt, der ihnen zollfreien Handel und Wandel in einer der ergiebigsten und umtriebigsten Zonen Asiens ermöglichte. Doch 1999, als der mit den Briten geschlossene Pachtvertrag für Hongkong auslief und die Metropole als Sonderverwaltungszone an Rotchina zurückgefallen war, da schlug auch die Stunde Macaos. Der Rote Drache, der nach den Jahrzehnten des kommunistischen Wahnsinns mit Agonie und Ruin zu kämpfen hatte, hoffnungslos abgeschlagen vom internationalen Wirtschaftsgeschehen, rappelte sich wie Phönix aus der Asche. Maos Erben waren bereits auf dem Sprung zur Supermacht, als sie sich beide Wirtschaftszentren einverleibten. Dabei waren die Spätkommunisten klug genug, die beiden pulsierenden Orte nicht nahtlos in den Rest des Imperiums zu integrieren. Das ohnehin boomende Land gewann auf diese Weise noch zwei international etablierte Finanz- und Handelsschwerpunkte dazu. Für das einst portugiesische Formosa, heute Taiwan oder Nationalchina genannt, ist diese Regelung gleichzeitig ein einladender Wink mit dem Zaunpfahl, wie moderat man mit einer Wiedervereinigung umzugehen gewillt wäre. Tibet mag das anders sehen. Aber das nur nebenbei. Wichtig ist, die ehemalige Großmacht Portugal, damals Herrin über große Teile der Welt, hat als Mitglied der Europäischen Union abgewirtschaftet und muss um Mittel aus dem Rettungsfonds betteln. Die Senhores, die einst die chinesischen Kulis über das Pflaster Macaos traben ließen, sind pleite. Und wer bietet lächelnd Hilfe an? Rotchina! Doll! Das ist eine Sternstunde der Geschichtswissenschaft, der Politik, der Lehre von der Vergänglichkeit aller Dinge, die fest und für die Ewigkeit zementiert scheinen. China kauft portugiesische Staatsanleihen um den einstigen Kolonialherren vor dem Absaufen zu bewahren. Ein Zeichen der Großmut? Blödsinn! Der Taoismus predigt keine christliche Nächstenliebe. Die Chinesen ticken anders. Sie haben aus den katastrophalen Fehlern ihrer Geschichte gelernt und wollen sich kein zweites Mal das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Also eine Art sublimer, kaltlächelnder Rache für alle die erlittenen Demütigungen aus der Kolonialzeit? Fehlanzeige. Dafür rechnen die Chinesen zu trocken und zu nüchtern. Es interessiert sie nicht. Was sie interessiert, ist der Einfluss in Europa, den sie mit dem Ankauf der portugiesischen Staatsanleihen erwarten dürfen. Es ist wie einst bei den Khanen der Steppe: Jedes Türchen, das ihnen den Weg nach Europa öffnet, ist willkommen und wird gern durchschritten. Noch nämlich ist Europa nicht völlig am Ende. Noch kann man ruhigen Gewissens Europa als kaufkräftigen Markt wahrnehmen und dort entsprechend investieren um sich den Absatz zu sichern. Wir werden also gewiss noch erleben, wie große Limousinen am Tejo vorfahren, gesteuert von portugiesischen Chauffeuren, die dann ihren mandeläugigen Dienstherren dienernd den Schlag öffnen. Das ist sicherlich eine ausgleichende Gerechtigkeit der Geschichte, aber auch eine Mahnung, vor allem für die aufstrebenden Chinesen: Keine Hausse währt ewig, früher oder später kehren sich alle Verhältnisse um. Und – wenn wir schon die Vergangenheit bemühen: Der Kometeneinschlag in Yucatan lehrt uns, dass die Größten am anfälligsten waren. Die Kleinen, die unscheinbar unter der Erde lebten, die haben den Untergang der Welt überstanden. Wenn die an Saurierfossilien reichen Chinesen diese Argumentation adäquat würdigten, dann würden sie aufhören Taiwan zu bedrängen, sie würden den Potala an seine Heiligkeit den Dalai Lama zurückgeben und sie würden ihre muselmanischen und buddhistischen Randvölker laufen lassen. Das wäre sicher keine Garantie für eine selbstbestimmte Zukunft, aber es wäre doch ein gut Stück unwahrscheinlicher, dass eines Tages wieder chinesische Kulis portugiesische Senhores über das Pflaster Macaos schleppen müssen. Denn ein Fehler wird erst dann ein Fehler, wenn man einen zweiten hinzufügt und ein kluger Mann ist der, welcher es beizeiten lernt auf eines fremden Mannes Arsch durchs Feuer zu reiten. Sie haben sich eine gute Sprungposition erarbeitet, die Han-Chinesen. Der geplante Aufkauf der portugiesischen Staatsanleihen indiziert dieses deutlich. Sie stehen nun am Scheideweg. Supermacht oder Supertrottel – das ist nun die Frage.

18. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
27.12.2010