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Die spinnen, die Römer...
Berlusconi bleibt im Amte

Don M. Barbagrigia
Harald P., Kriegsveteran der deutschen Westfront und nachmaliger hochrangiger Bundesbanker, sagte einmal bei einem abendlichen Gespräch vor dem Kamin in privatem Kreise: „Wer einen Italiener zum Freund hat, der braucht keine Feinde mehr.“ Das war sicherlich sehr sarkastisch und trifft beileibe nicht alle Töchter und Söhne der italienischen Nation. Ruft man sich aber Joseph Hellers Jahrhundertroman „Catch#22“ ins Gedächtnis und Hellers brillante Schilderungen der italienischen Mentalität, dann weiß man zumindestens, dass die Ansicht des Harald P., der im Entlassungsdienstgrad eines Obersten diente, nicht ganz aus der Luft gegriffen war. Nun mögen treue Leser des Landboten, die wissen, dass durch die Redaktion ihres Blattes auch nach acht Jahrhunderten noch immer ein staufertreuer, ghibellinischer Geist weht, sagen: „Ja, ja, ihr, deren Kaiser in Palermo begraben ist, habt immer noch einen Rochus auf die lombardischen Pfeffersäcke, auf die oberitalienischen Städte, die zusammen mit dem verhassten Vatikan einen stets stänkernden Riegel zwischen eurem Norden und dem kornreichen Sizilien bildeten. Ihr könnt ja gar nicht objektiv gegen Italien sein, das prinzipiell nur noch aus dem Norden regiert wird und Sizilien in das mafiös durchseuchte Armenhaus Europas verwandelt hat!“ Das mag wohl sein. Zumal es auch der Norden war, der Silvio Berlusconi ins Amt verfrachtet hat und jetzt, nachdem der Stiefel des Abendlandes mittlerweile in der ganzen Welt blamiert ist und selbst die Kaiser-Pinguine im Königin-Maud-Land über dieses Volk lachen, neuerlich versagt hat, Don Silvio aus dem Amte direkt ins wohlverdiente Gefängnis zu befördern. Was der Mann Italien angetan hat, erfüllt doch gewiss schon den nach internationalen Maßstäben anerkannten Straftatbestand des Hochverrates. Dabei sind es nicht einmal die Affären des Multimilliardärs mit immer jüngeren blondierten Gaken, die vielen rechtschaffenden Italienern die Zornesröte in Gesicht treiben. Es ist das „System Berlusconi“, die weiße Fahne des Staates Italien vor der Mafia, die nicht nur die Nationalökonomie der Römer in den Ruin treibt, sondern auch das Land im Chor der Staatengemeinschaft bis zum Erbrechen diskreditiert. Wer will denn noch einem Staate leihen, wenn er diesen fest in den Händen einer kriminellen Organisation weiß!
Berlusconi wurde vor einem Jahr von einem 42jährigen Irren das Alabaster-Modell des Mailänder-Domes ins Gesicht geworfen. Die Tat ist zu verurteilen und sie besaß auch keine Nachhaltigkeit. Dennoch scheint der Attentäter nicht ganz so verwirrt gewesen zu sein, wie es dargestellt wird. Immerhin war er wohl im Moment des Wurfes bei klarem Verstande gewesen. Denn diese Tat spiegelt die Wut des ehrlichen Volkes. Weder der große noch der kleine Mailänder Dom können die Probleme Italiens lösen, nicht auf dem Mailänder Domplatz und nicht zwischen den Kieferknochen Silvio Berlusconis. Das kann nur eine geregelte, rechtsstaatliche Ablösung des Ministerpräsidenten leisten, der sich selbst in Anlehnung an Orwell's Farm der Tiere schon mal launig als gleicher bezeichnet, als es die anderen seien. Warum aber erwiesen sich die Italiener am 14. Dezember 2010, ein Jahr und einen Tag nach dem Dom-Wurf von Mailand als noch immer unfähig, sich des verhassten Mannes zu entledigen? Das Misstrauensvotum bot alle Möglichkeiten. Es schlug knapp fehl. Es heißt, Berlusconi hätte die Abgeordneten die über sein Schicksal bestimmten, gekauft. Diese Erklärung ist nun in zweierlei Hinsicht interessant: Zum ersten wird deutlich, wie sehr das „System Berlusconi“, das auf Korruption und machiavellistischer Regierungsführung fußt, schon selbst das Hohe Haus des parlamentarischen Italien infiltrierte. Der äußerst dünne Vorteil, den Don Silvio erzielen konnte, zeigt aber auch, wie die Machtbasis Berlusconis zusammenschmilzt. Denn offensichtlich reichte nicht einmal der immense finanzielle Einsatz, den Berlusconi ohne Zweifel leistete um möglichst viele Volksvertreter zu ködern, dazu, ihm einen komfortablen Vorsprung zu sichern. Das lässt schon hoffen. Aber – die Zeit läuft und jeder Tag, an dem König Silvio noch das Zepter in der Hand hält, bringt den südlichen Teil des Heiligen Römischen Reiches näher an den Abgrund. Der Sturz Italiens aber ginge auch die Länder nördlich der Alpen etwas an, denn sie teilen alle gemeinsam einen sehr sensiblen Schatz, der seit der jüngsten Vergangenheit bereits durch die Hellenen, Portugiesen, Iren und Spanier gefährdet wird: Europa und den Euro. Das bedeutet, bei aller lächelnden Akzeptanz der Dolce-Vita-Mentalität der Italiener muss Europa nunmehr begreifen, dass das System Berlusconi ein Virus ist, der das Potential birgt, Europa, den einst weltbeherrschenden Subkontinent Eurasiens, zum alten, kranken Mann der Welt zu machen. Es gilt also, alle Kräfte zu stärken, die Berlusconi aus dem Amt entfernen wollen. Wenn das nicht anders geht, als mit europäischen Steuergeldern italienische Abgeordnete zu schmieren – dann sei's drum. Den Italienern, vornehmlich aber den Lombarden sei ins Stammbuch geschrieben: Wer einen Berlusconi zum Freund hat, der braucht keine Feinde mehr. Und das unterschreiben wir mit vollem Namen.

18. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
23.12.2010