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Magenta Riese weichgespült
t-online kneift vor der Freiheit des Wortes

B. St. Fjøllfross
Nur die wirklich Starken können auch den anderen zu Worte kommen lassen, den, der eine andere Ansicht vertritt zu den Dingen, auch und gerade dann, wenn sie einem selbst diametral zuwider läuft. Die kleinen Geister aber, die Beschränkten und die Diktatoren – die müssen dem Andersdenkenden das Maul stopfen, das freie Wort kurz halten. Denn sie sind in der Substanz schwach und morsch und permanent substantiell gefährdet – mögen sie auch nach außen hin eine noch so martialische Macht verkörpern.
Welch ein Segen, in einer Demokratie zu leben, in der das freie Wort einen unschätzbaren Wert verkörpert. Tut es das? Tut es das wirklich? Es ist eine Binsenweisheit, dass sich die zeitgenössischen „Demokratien“, die unter ihren Oberflächen munter die alten feudalen Gesellschaftsverhältnisse unter modernem Gewande fortschreiben, nur weitaus sublimerer Methoden bedienen um dem freien Wort Einhalt zu gebieten. Sie errichten keine Mauern, die nur – jedem sichtbar – den Widerstand provozieren. Die Kommunikationsmonopolisten kanalisieren Information: Sie amplifizieren genehme Informationsfragmente hier ein wenig, wiederholen und käuen sie wieder und wieder. Auf der anderen Seite wird eine wichtige, aber nicht ins Konzept passende Nachricht mal nur eben so am Rande erwähnt, wenn überhaupt. Damit ist der schöne Schein gewahrt und das Ziel erreicht. Welches Ziel? Nun dasselbe, das sich Diktaturen setzen: Das Stimmvieh doof zu halten. Denn nur doofes Stimmvieh lässt sich nach Belieben dirigieren. Wenn man es denn eifrig auf grüne Weiden treibt, es fleißig einlullt, dann wird es auch nicht die Muskeln spielen lassen und den Grips schon gleich gar nicht und beides wird evolutionär begründet sanft vor sich hin degenerieren, bis denn nichts mehr davon übrig ist.
Nur die Stiere, die man permanent quält und piesackt, die springen plötzlich über die Balustrade der Arena und treiben ihre Peiniger zu Paaren.
Ob bewusst oder unbewusst – auch der durchaus feudal strukturierte Kommunikationsdienstleister t-online folgt sichtbar diesem Konzept. Auf seiner Internetplattform bietet der Magenta-Riese einen mitunter durchaus unterhaltsamen Nachrichtenüberblick an, der von Fall zu Fall auch durch Leser kommentiert werden kann. Interessanter als die Nachrichten sind oftmals die Kommentare, deren Spektrum sich erstreckt von durchaus ernstzunehmenden und durchdachten Reflexionen bis hin zum Geblöke geistig retardierter Zeitgenossen, für die selbst die Klippschule ein rechter Höllenritt gewesen zu sein scheint. Unfähig, sich auch nur annähernd passabel in der Muttersprache zu artikulieren, fehlt diesem Gestöhne und Gekeife nicht selten jegliche dialektische Substanz.
Nun bleibt es der Online-Redaktion vorbehalten, welche Kommentare sie abdruckt und welche sie unter den Tisch fallen lässt. Als Hausherrin auf diesem Portal steht ihr diese Zensur auch unbenommen zu. Und natürlich geben sich die t-onliner auch den Anschein des fair play, denn sie formulieren für jeden sichtbare Etikette der Höflichkeit, des Umgangstones, der political correctness und was dergleichen Ausdrucksformen höherer Zivilisationen noch sein mögen. Wer also braunes, frauen- oder behindertenfeindliches Gedankengut zu formulieren versucht – der bleibt draußen. Recht so! Was aber ist mit jenen, die – auf demokratisch festem Boden desungeachtet mit festen Bandagen um die Wahrheit ringen, die bekanntlichermaßen meistens dort zu suchen ist, wo es weh tut und nur selten dort anzutreffen ist, wo sie der Seele Balsam auflegt?
Beispielsweise fügte der stellvertretende Chefredakteur des Landboten vor kurzem dem Diskussionsforum der t-online, das sich mit dem selbstmörderischen Unfall des Samuel Koch bei Gottschalks „Wetten dass…?“- Kolosseum das ketzerische Bedenken hinzu, dass die so tragisch geendete Hopserei des Koch jeglichen ernstzunehmenden Sinnes entbehrte, ein Ausdruck purer Dekadenz auch des gesamten Nackten-Raubaffen-Publikums vor Ort und vor den Bildschirmen war, welches sich ja dergleichen Mummenschanz nun schon seit Jahrtausenden zu seiner Unterhaltung einfordert. Und – Herr Bajun legte den Finger auf die Wunde, die wir schon in unserem Beitrag vom 6. Dezember zu diesem Thema deutlich benannten: dass nämlich in der gleichen Zeit Hunderte, Tausende Negerkinder oder ihre von der Menschheit vergessenen und verwahrlosten Alters- und Leidensgenossen in den Favelas von Rio und Sao Paulo einen leisen, weil unspektakulären Tod starben, dass ihnen Gliedmaßen verstümmelt werden und sie zu siechen Invaliden werden vor ihrer Zeit. Und dass sie sich das nicht ausgesucht haben, wie jener Koch bei Gottschalk. Dass niemand die Kamera auf sie richtet, wenn sie in ihrem Elend und ihrem Dreck liegen. Und dass sie keinen roten Heller dafür bekommen, wie jener Bruder Leichtfuß, der um einer schnöden Unterhaltung und Volksbelustigung, einer Jahrmarktattraktion größeren Stils sein Leben, seine Gesundheit und seine Zukunft riskierte und der nunmehr in einer – gemessen an den Verhältnissen der Dritten Welt – Luxusklinik liegt, aufgefangen von Versicherungen und einem der stabilsten sozialen Netze dieser Welt. Wir schrieben, dass sich unser Mitleid vor der von uns zitierten Kulisse des globalen Elends bei einem solch sinnentleerten Zirkus in Grenzen hält. Das mag für viele Ohren hart klingen – zugegeben, aber verlässt diese Ansicht den Rahmen demokratisch garantierter Meinungsfreiheit? Rechtfertigt sie eine Zensur seitens der t-online? Nun – aus deren Sicht gewiss! Denn diese Perspektive konfrontiert das Stimmvieh mit seiner Erbärmlichkeit – mit dem Spiegelbild eines sensationslüsternen, vollgefressenen Raubaffen, der sich, nachdem er all seine übrigen Bedürfnisse billig befriedigen kann auf Kosten der ausgebeuteten Frauen von Bangladesh und der Kulis von Taiwan, nur noch seiner selbst bewusst werden kann, wenn er sich mit nervenkitzelnden Unterhaltungsformaten zudröhnt. Wenn dann die langersehnte Katastrophe eintritt ist es ja ach so herrlich, sich in süßlichen Beileidsadressen zu ergehen, statt darüber nachzudenken, dass man selbst es war, der als Zuschauer diese Spielchen mit dem Schicksal anderer erheischt. Nein, man hätte das Elend Samuel Kochs nicht gewollt? Ja, warum ließ man ihn denn dann auf die Bühne? Seine Wette wäre doch nicht angenommen worden, wenn sie nicht spektakulär gewesen wäre. Und spektakulär war sie nur, weil sie das hohe Risiko des tragischen Scheiterns in sich barg. Und genau jenes Risiko zieht die Voyeure an, wie das Aas die Schmeißfliegen. Diese einfache Kette logischer Verknüpfungen ist zwingend – und das ist es, was t-online im Namen seiner Leser fürchtet: Das Spiegelbild nämlich, das die hässliche Fratze zeigt, die beinahe jeder Mensch mehr oder weniger mit sich herumträgt und von der er nichts wissen will. Deswegen auch die Unterdrückung des zweiten, von Herrn Bajun beinahe wortgleich einige Stunden später nachgeschossenen Artikels. Deswegen das feige Schweigen der t-online-Redaktion auf die Nachfrage Herrn Bajuns, warum t-online jeden verschmusten Sülz und auch etwas vorsichtige Kritik abdruckte, nur eben seinen Klartext nicht.
Es erinnerte uns alles so abstoßend an das Schicksal jener sächsischen Lehrerin, die es unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September in einer sich als gefestigt betrachtenden Demokratie wagte ihre Schüler auch auf die heute unbestrittene Mitschuld der Amerikaner an diesem Verbrechen hinzuweisen und die dafür als Beamtin geschasst wurde. Und wir alle wissen, wie schwer es ist, einen Beamten von seinem Posten oder gar aus seinem Dienstverhältnis zu entfernen. Das war keine Sternstunde der Demokratie. Das war eine Demonstration der Stärke der jämmerlichen Diktatur des Mobs, vor der nunmehr auch die mächtige t-online ihren unwürdigen Kotau in inakzeptabler Weise vollführte.
Die Gelegenheit zur Stellungnahme, die wir als demokratisches Blatt der t-online einräumten, schlug diese aus. Sie versteckten sich statt dessen hinter Schweigen, einem Schweigen, dass wir nur als Ausdruck von Überheblichkeit, undemokratischer Ignoranz und oder Feigheit zu werten vermögen. Ein spanischer Hidalgo würde vielleicht sagen: ¡Ellos se tienen no cojones! Wir wollen es an dieser Stelle nicht wörtlich übersetzten, die Phrase reflektiert auf eine gewisse Rückhaltlosigkeit eines Gegenübers – aber – Teufel noch mal – besser könnten wir es auch nicht formulieren.

Anschreiben des Kollegen Bajun an die t-online-Redaktion vom 07. Dezember 2010:


Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem eine eben an Sie verfasste Nachricht unbestätigt im Nirvana verschwand, will ich es noch einmal versuchen. Ich habe heute zweimal das Geschehen um Samuel Koch kommentiert. Beide Kommentare, gegen 15:00 Uhr und 19:45 Uhr abgeschickt, wurden nicht veröffentlicht. Weder verstießen meine nicht dem Mainstream entsprechenden Kommentare gegen Ihre Etikette noch enthielten Sie Äußerungen, die sich als für einen demokratischen Meinungsaustausch obsolet darstellen. Ganz im Gegenteil machte ich darauf aufmerksam, dass in der Zeit, als Koch seine sinnentleerten Akrobatiken abzog, in der Dritten Welt hunderte Kinder an Hunger verreckten, die ihr erbärmliches Schicksal nicht durch eine eigene Wahl hätten ändern können. Ich mahnte an, dass sich um diese armen Teufel niemand melancholisch macht, wohl aber um einen jungen Menschen, der um eigener Eitelkeit willen das Schicksal herausfordert und dabei scheitert. In der verweigerten Veröffentlichung meiner Meinung erkenne ich einen Akt der Zensur und fühle mich daher als demokratischer Journalist gefordert, darüber zu berichten. Sollten Sie sich zu dem Vorgang bis morgen 18:00 Uhr zu der Sache äußern, werde ich Ihre Ansicht in meinen Bericht einfließen lassen.

Kotofeij K. Bajun

18. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
13.12.2010