Zechpreller gegen Bombenleger
Darmstadt liefert Stoff für neuen Kohlhaas
Don Miquele Barbagrigia
12 Jahre Knast hat Richter Volker Wagner vom Darmstädter Landgericht
dem Bombenleger von Viernheim verordnet. Jürgen K., 45 Jahre alt,
hatte als Gas- und Wasserinstallateur in verschiedenen Häusern
handwerkliche Aufträge ausgeführt und war wohl nicht bezahlt
worden.
Das berechtigt ihn nicht, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu verstoßen,
Waffen zu Hause zu horten und Bombenanschläge auszuführen.
Für jedes einzelne dieser Delikte sind 12 Jahre schon gerechtfertigt,
insbesondere für das letztgenannte. Was uns aber auf die Sache
aufmerksam macht, ist die Motivation des Mannes. Er arbeitete und seine
Auftraggeber blieben ihm den Lohn schuldig. Das ist eine Unart, die
seit Jahren und Jahrzehnten in der Bundesrepublik gang und gäbe
ist, und über die wir uns schon voll des Zornes ausschütteten.
Selbst Staatsbetriebe oder große Unternehmungen geben Proben dieses
kriminellen Verhalten, die es gar nicht nötig hätten. Für
den kleinen Unternehmer oder Handwerker geht es oft schlichtweg ums
nackte Überleben. Hat er seine Klitsche erst in den Sand gesetzt,
kommt er in aller Regel auf keinen grünen Zweig mehr. Dieses Verhalten
der Auftraggeber, egal welcher Größe und welchen Kalibers,
ist offensichtlich bereits fester Bestandteil von deren Kalkulation.
Es zielt just darauf ab, dass der kleine Handwerksmann selbst zum Einklagen
seiner berechtigten Forderungen zu arm dran ist und sich schlussendlich
nach erfolgtem Aussitzen der Angelegenheit für den auftraggebenden
Banditen per saldo eine Gratisleistung ergibt. Der ehrliche und solide
Handschlag eines deutschen Kaufmanns zählt nichts mehr –
gewissenlose Gangster treten damit breitflächig einen der Hauptstandortvorteile
des Deutschen Reiches vor aller Welt in den Dreck! Hier sollte eigentlich
der §81 StGB , der den Tatbestand des Hochverrates beschreibt,
greifen und zwar zuungunsten der Zechpreller! Doch die gehen in aller
Regel völlig straffrei aus. Schon in seinem Sonderbeitrag „Recht
und Gerechtigkeit“ wies der Landbote auf die Folgen hin, die ein
zunehmendes Auseinanderdriften dieser beiden Komponenten der rechtsstaatlichen
Ordnung unweigerlich nach sich ziehen. Das Ergebnis, wie es der Landbote
seinerzeit prognostizierte, lässt sich in Viernheim deutlich ablesen.
Das ist keine Rechtfertigung oder Apologese für einen Bombenleger.
Es ist aber sehr wohl ein Menetekel, das man besser ernst nehmen sollte.
Jürgen K. spielte nicht verrückt, weil ihm seine Frau abgehauen
wäre oder sein Chef ihn eine Knallcharge genannt hätte. Er
drehte durch, wie weiland Michael Kohlhaas, der in Wirklichkeit Hans
Kohlhase hieß. Es hat sich also in einem halben Jahrtausend nichts
geändert in den deutschen Gauen. Kein Ruhmesblatt für das
Land unter den Eichen, fürwahr. Kohlhase wurde gerädert, K.
bekam 12 Jahre Bau, den er mit Sicherheit als entwurzelte Existenz wieder
verlassen wird. Kleist hatte sich weiland leider am Kleinen Wannsee
gemeinsam mit Frau Henriette Vogel das hochintelligente Dichterhirn
aus dem Schädel gepustet und so ist bis zum deutschen literarischen
Horizont wohl niemand in der Lage sich des Stoffes anzunehmen, der sicher
das Zeug zu einem guten Drama gäbe. Denn auch Büchner ist
tot, von Hochhuth und Wallraff hört man nichts mehr, und der einst
so wortgewaltige Nobelpreisträger von Danzig-Langfuhr ist zum sanft
lebenden Fleisch an den noch sanfteren Ufern der Trave gealtert. Wer
also schmiedet die unsterblichen Verse, die das Elend des Jürgen
K. und das offenkundige Versagen der Bundesrepublik Deutschland in die
Welt hinaus dröhnen? Wie gesagt, wer die Stube zu einem Arsenal,
einem Zeughaus umfunktioniert, rangiert mit Sicherheit nicht im oberen
Drittel unserer Sympathieliste. Wer aber ohne Not und planvoll Geschäftspartner,
Unternehmer und Handwerker um ihren vereinbarten Lohn prellt und wer
es als Gesetzgeber versäumt diesen Betrogenen nachhaltig zur Seite
zu springen, den soll der schwarze Teufel holen! Diese Kanaille hätte
weitaus mehr verdient als 12 Jahre Zuchthaus. Die Pest an den Hals wäre
angemessen!