Danach
Michael L. Hübner
Etwas fehlte bei der Soiree, die der Chefredakteur für seinen am
Vortag aus dem Krankenhaus heimgekehrten Vize im engsten Kreise der
Redaktion gab. Sogar der Kamin war angeworfen worden, von dem niemand
wusste, ob der überhaupt noch zog. Dann aber prasselte und knackte
lustig ein kleines Feuer, das, wenn es zu verlöschen drohte, mit
der jüngsten Mittwochsausgabe eines befreundeten Sortiments gefüttert
wurde. Bedächtig zerknüllte Don Miquele einen Bogen nach dem
anderen der diesmal leider besonders übel geratenen Gazette und
warf die Papierbälle mit der Präzision eines Basketballspielers
der NBA in das weit aufgerissene Maul des Kamins. Das Feuer freute sich
und loderte auf. Seine Widerschein verlieh dem etwas fahlen Gesicht
des Frischoperierten für kurze Zeit etwas Farbe. Der Kamin zog
gut, der Rauch entschwand in die Esse. Überhaupt ließ es
sich in der Redaktionsstube hustenfrei atmen, unangefochten von dem
Qualm, der sonst über dem Tische hing. Selbst der Chef verzichtete
auf seine obligate Piepe. Unruhig rutschte seine Hand, welche sonst
die Pfeife zu halten gewohnt war, hin und her. Doch die Diagnose, die
seinem Kulturchef gestellt worden war, verbot vorderhand jeglichen Toback
per se. Als Ersatz hatte der Alte statt des üblichen irischen Tautropfens
aus Tullermore den guten Schottischen von der Insel Islay für die
ganz besonderen Anlässe herausgerückt. Lagavulin, 16 Jahre
alt, mittlerweile zählte er 22 Lenze und schmeckte unglaublich
rauchig nach angekohlter Eiche. „Hätte ich mich etwa mit
den Worten „ave princeps, moriturus te salutat“ zurückmelden
sollen“, lächelte Bajun matt in Richtung des schweigsam vor
sich hin blickenden Fjoellfross. Der runzelte die Stirn: „Das
haben Sie von den Nowgorod-Fahrern gelernt, was, dieses: Tod, zeig mir
dein Gesicht und finde mich lachend?“ Bajun winkte ab. Man wusste,
dass er in der Jugend mal ein paar Semester Medizin belegt und seine
Dissertation einem onkologischen Thema gewidmet hatte. „Ein Mediziner,
der kein Philosoph ist, ist auch kein richtiger Mediziner. Ein Mediziner
achtet den Tod, aber er fürchtet ihn nicht“, sagte der Sibirjake
in die Stille hinein. Und das mit dem Krebs, das ist im Prinzip dasselbe
wie in jeder Gesellschaft.“ Die Runde blickte interessiert und
auch Herr Akinokawa unterbrach einen Augenblick lang seine Kalligraphie.
Bajun hatte ihn kurz vor seiner Operation gebeten, ihm das Kanjin für
„Inoji“ zu malen, das japanische Wort für Leben. Eigentlich
sollte es gegenüber Herrn Bajuns Krankenbette hängen, wenn
dieser aus der Narkose erwachte, doch Herr Akinokawa war kurzfristig
mit einer anderen Aufgabe betraut worden, die ihn vollständig in
Anspruch nahm. Es war ihm peinlich, dass der kranke Russe des erbetenen
Rollbildes entbehren musste und zog nun den Pinsel mit größter
Präzision und innerer Einkehr über das Papier. „Sehen
Sie“, sagte der Kulturmann, „die Nation Herrn Akinokawas
hat dieses System noch am ehesten verinnerlicht, was auch zum guten
Teil ihren immensen Erfolg in der Weltgeschichte erklärt. Ein Metasystem
funktioniert dann immer am besten, wenn sich die Einzelkomponenten als
Teil des Ganzen begreifen und ihre Individualität hinter die Interessen
der Gesellschaft stellen. Sie als Preußen“ - damit nickte
er zu den Herrn Druckepennig und Hübner - „werden das gut
nachvollziehen können. Gesellschaften aber, die das hemmungslos
ausgelebte Ego als der Freiheit höchstes Ziel verherrlichen, gehen
früher oder später an der eigenen Dekadenz und Leistungsunfähigkeit
zugrunde. Ihre Kräfte laufen chaotisch gegeneinander, verschleißen
sich. Synergien lassen sich so nicht bündeln. Es geht nicht mehr
stringent vorwärts... Ein menschlicher Körper nun ist nichts
anderes als eine Gesellschaft von einer Billionen Individuen, Zellen
genannt, jede mit Ausnahme der Erythrozyten mit einem Kern, einem Zytosol
und einer Membran sowie der Fähigkeit zur Zellteilung in kleinerem
oder größerem Umfange begabt. Nur wenige dieser Zellen dürfen
sich einer Mobilität erfreuen. Viele wurden an ihren Platz gestellt
und haben dort im Rahmen ihrer Aufgaben zu funktionieren, bis das der
Sultan Zentralnervensystem ihnen die seidene Schnur beispielsweise in
Form des Proteins p53 sendet. Dann heißt es Harakiri begehen...“
„Seppuku“, warf Herr Akinokawa leise ein, „wir sagen
im allgemeinen „Seppuku“ und sprechen nur selten von Harakiri.“
„Nun, der Mediziner nennt es die Zellapoptose“, replizierte
Bajun. Und so gut wie jeder Zelle missfällt es, wenn sie das p53
im Briefkasten an ihrer Membran findet. Das hat sie mit den meisten
Wesirs gemeinsam, wenn ihnen die Janitscharen die seidene Schnur überbrachten.“
Dröhnend hallte der lachende Bass des Russen. „Zellen sind
halt auch nur Menschen und wollen vor allem eines – leben! Denn
großen Plan kennen sie nicht und er gilt ihnen auch nicht viel.
So zirka eine Millionen dieser eigensüchtigen Individualisten entdecken
pro Tag das Geheimnis der Unsterblichkeit für sich, indem sie einen
Weg finden, die seidene Schnur im Klo herunter zu spülen.“
Bajuns Auditorium horchte auf. Ungläubiges Staunen durchraunte
die Tafel. Der verschreckte Monsieur Lemarcou stieß sogar sein
Weinglas mit einer Neige des rotschimmernden Bordeaux um. Die Flüssigkeit
eilte zielstrebig auf das Commersbuch Hübners zu, der dem Weg des
Weines gelassen folgte. Der genagelte Einband jedoch war für solche
Gelegenheiten erdacht und geschaffen worden, der Wein floss unter dem
Buche hindurch, das Gaudeamus Igitur würde auch künftig noch
einwandfrei zu lesen sein, unbehelligt von Rotweinflecken. „Doof
waren die Alten nicht“, lautete des Besitzers lakonischer Kommentar.
„Schön, dass Sie das sagen“ griff Herr Bajun den Faden
auf. „Das Zentralnervensystem nämlich ist ebenfalls alles
andere als doof. Das kennt seine Pappenheimer. Und es schickt seine
Geheimpolizei durch Blut- und Lymphbahnen, sowie durchs Gewebe, immer
auf der Suche nach den ins eigene Leben verliebten Zellen, die von denen
Medizinern entartet genannt und mit Euphemismen wie „Neoplasie“
oder „Raumforderung“ bedacht werden. Wo die körpereigene
GPU der Renegaten ansichtig wird, gibt es einen sehr, sehr kurzen Prozess.
In den jungen Jahren eines Menschen arbeitet die zelluläre Geheimpolizei
übrigens mit atemberaubender Treffsicherheit. Wenn Sie, meine Herren,
im Übrigen bedenken, dass auf der Erde gerade mal 6 Milliarden
Menschen leben und sie diese Population dann dem nach Billionen Zellindividuen
zählenden Kosmos des menschlichen Körpers vergleichen, dann
werden Sie feststellen, dass eine Millionenrate pro Tag durchaus gerechfertigt
erscheint. Bildlich gesprochen dreht nur jede Millionste Zelle pro Tag
frei. Das wären, auf unsere Erde übertragen, mal gerade 1.600
Leutchen pro Tag, ein größeres Dorf, eine kleinere Stadt,
die gemessen an der Gesamtbevölkerung, den Aufstand probt. Lächerlich.
Das Blöde bei der Geschichte ist – eine einzige Zelle, die
neben der Ignoranz der seidenen Schnur auch noch spitz bekommen hat,
wie man die eigene Membran für die Schergen der Geheimpolizei unauffällig
carmoufliert, reicht mitunter schon aus, um dem Gemeinwesen das irdische
Ziel zu setzen. Entartet sie erfolgreich und unentdeckt, dann ist sie
oft auch in der Lage ihr vermeintliches Erfolgsrezept an ihre Nachkommen
weiterzugeben, die sie nach Erreichen einer gewissen Größe
in die weite Körperwelt hinaussendet: „Geht, Kinders, geht,
sucht euch einen feinen Platz in einem Organ mit einem stoffwechselintensiven
Parenchym. Die Metabolismen der Leber, der Bauchspeicheldrüse,
der Hirnhaut oder der Gliazellen sind so verheißungsvoll wie das
Gelobte Land!“ Und wie immer, wenn sich kurzsichtige Idioten mit
proletarischem Gemüte Schlüsselpositionen erobern, geht der
Laden in kürzester Zeit als Ganzes den Bach runter. Hat sich die
entartete Kolonie nämlich etabliert, ist das mit dem Weiterleben
des Menschen oft nicht mehr vereinbar. Mit dessen Zugrundegehen aber
steht es auch mit der Sauer- und Nährstoffversorgung der Krebszellen
bzw. mit der Abfallberäumung Matthäi zum Letzten. Somit ist
auch für sie das Aus gekommen und im 900 °C warmen Krematoriumsofen
lösen sie sich dann alle gemeinsam in Kohlendioxid, Asche und Wohlgefallen
auf. Aber soweit denken diese Freiheits- und Individualitätsbesessenen
nicht. Das liegt außerhalb ihres Horizontes, es ist ihnen, wie
gesagt, keine Überlegung wert.“ Bajun blickte in sein Whisky-Glas,
das dem edlen Inhalt vor dem Hintergrund des Feuers ein warm-beiges
Farbspiel verlieh. „Und so“, grunzte er, sich seine Operationsnarbe
reibend, „kommt das Messer des Chirurgen gleich einer Invasionsarmee
von außen der nachlassenden und müde gewordenen köpereigenen
GPU zur Hilfe. Selten genug aber wird man aller Widerstandsnester Herre.
Die Idiotie obsiegt in aller Regel, gerad' so wie draußen in der
großen weiten Welt.“ „Klingt fatal, mein lieber Bajun“,
murmelte Herr Fjoellfross. „Ach was fatal... Das ist nur nüchtern...
Menschenskind, Hübner, sie stocksteifer Preuße, nu sagen
Se doch auch mal was!“ Hübnern fiel nichts besseres ein,
als seinen König zu zitieren, wie der sich während der Schlacht
von Kolin verlauten ließ: „Kerls, wollt Ihr denn ewig leben?“
Entgeistert starrte ihn die Runde an. Nur Bajun brüllte lachend
los und klopfte Hübnern, der verdutzt über die eigene Taktlosigkeit
ratlos umher blickte, mit seinen Pranken auf den Rücken: „Recht
so, lieber Michail Lotarowitsch, das gefällt mir! Darauf nehmen
wir noch einen...“ und zog aus seiner Manteltasche ein angebrochenes
Fläschchen Stolitschnaja hervor. „Mein präferiertes
Analgetikum“, grinste er, „die Weißkittel waren knausrig,
haben mich mit Hansa-Keks und Metamizol abspeisen wollen. Aber doch
nicht mit Djadja Kotofeij Kryisowitsch, nicht wahr! Nitschewo! Auf Euch
Mischutka, altes Felleisen, und nun: hopp hopp hopp und rin in Kopp!“
Sto Gramm verschwanden in den Kehlen des Preußen und des Russen
auf Nimmerwiedersehen, es konnte auch etwas mehr gewesen sein. Glasig
und dankbar quittierten die Augen den gehabten Genuss.
„Da ziehen Sie also Parallelen zur Gesellschaft“, ließ
sich der jüngst die Runde bereichert habende David Katz aus Krakau
vernehmen. „Und war das nicht recht so“ brummte Bajun zurück,
der nunmehr schon über eine kräftig rote Farbe im Gesicht
verfügte. „Gerade ihr Juden lehrtet die Welt doch das dialektische
Denken. Wusstet ihr nicht schon seit Jahrtausenden, das alles in der
Welt mit allem zusammenhängt und alles nur eine Invariante des
jeweils anderen innerhalb des großen Systems ist?“ „Und
wie geht’s nun weiter“, forschte der Chef? „Meinen
Sie arbeitsrechtlich“, fragte Bajun. „Also, da wäre
jetzt die Bestrahlungsserie, dann die Reha... nach sechs Wochen zahlt
sowieso die Kasse.“ „Blödsinn“, polterte der
Alte, „Beim Landboten verdient sowieso keiner was außer
Prügel – es geht doch nicht ums Geld!“ „Nun,
wenn Sie die postmortalen Dinge meinen – ich stelle mir das Jüngste
Gericht so vor...“ Der Alte stöhnte auf, aber er schwieg.
Dafür bekamen die Herren Druckepennig und Katz große Ohren
und auch der im erzkatholischen Sizilien beheimatete Don Miquele hörte
für eine Weile auf, die Klingen seines Schweizer Offiziersmesser
nacheinander aus- und wieder einzuklappen. Nach einem weiteren tiefen
Zug aus seiner Medikamentenflasche fuhr der Russe sodann mit etwas schwerer
Zunge fort: „...Wenn die Seele also ihr irdisches Haus verlassen
hat, sitzt sie eventuell in einer Art dreidimensionalen Kino –
Zeit habt sie ja für die nächsten drei Ewigkeiten –
und sieht sich minutiös ihr gesamtes Leben aus einer Perspektive
an, die der eines Beobachters entspricht. Verstehen Sie meine Herrn,
diesmal erleben Sie das Geschehen nicht aus ihrem gewohnten Blick, Sie
sind nunmehr Teil des Gerichtes, das über Sie befindet. Es tut
nicht not, das Gott neben, vor oder über Ihnen Platz nimmt. Was
Sie zu sehen bekommen, wird so übel, dass sie keines anderen Richters
zur ewigen Verdammnis bedürfen als sich selbst. Wie viel Verdrängtes
kommt da hoch, wieviel Vergessenes werden Sie zu sehen bekommen. Schöne
Dinge auch, sicher, aber das andere... Auf einmal wird Ihnen klar, wieviele
Leichen Sie im Keller haben, wie Sie sich viele Epochen Ihres Lebens
rosig gefärbt haben um die Erinnerung an sie erträglich zu
machen. Das ist dann wohl die wahre Hölle. Das I-Tüpfelchen
wäre dann wohl, wenn es Ihnen verwehrt würde, die Ereignisse
auch nur in Gedanken zu kommentieren. Vorbei ist die Zeit der Ausreden,
der Erklärungen, der Selbst-Beschwichtigungen. Als Kind haben Sie
aus Langweile und purer Bosheit die Katze am Schwanz gezogen und dem
Käfer die Beine ausgerissen – einfach nur so zum Spaß.
Die Schokolade hatten Sie aus dem Schrank geklaut und aufgefressen,
das Papier dann dem gehassten Brüderchen untergeschoben und dann
dafür gesorgt, dass Mutti und Vati über das corpus delicti
stolpern müssen. Gott, war das herrlich, als der kleine Idiot heulend
seine Unschuld beteuerte und dafür noch obendrein eine durchgereicht
bekam! Sie waren listig genug, die Sauerei für sich zu behalten
– bis heute. Sie haben das Mädchen verlassen, das an Sie
geglaubt, das Sie geliebt hat. Da sitzt sie und weint, ihre Regel ist
ausgeblieben, der Bauch wird rund – na, wie fühlen Sie sich,
Sie Lump? Sie haben der Großmutter das Häuschen abgeschwatzt,
haben es dann für ein Automobil der Oberklasse verhökert und
die Oma ins Altenheim gesteckt, wo sie in wenigen Monaten zu Tode siechte,
nur noch selten Besuch bekommend, von Ihnen jedoch schon gleich gar
nicht. Sie haben dem Freund, der ihnen vertraute, eine Lebensversicherung
und die Teilnahme an einem Generalsspiel aufgeschwatzt und sind dafür
verantwortlich, dass er das wenige, was er über die Wende gerettet
hat, auf Nimmerwiedersehen verlor. Sie haben sich mit dem Photo der
hübschen Sekretärin von der Nachbarabteilung aufs Klo verzogen
– nun müssen Sie sich selber zusehen, wie Sie da mit herunter
gezogenen Hosen auf der Kloschüssel hocken – igittigitt.
Und dann, bei der Betriebsfeier, als das Mädel schon ziemlich über
den Jordan war, da haben Sie sie nach Hause gebracht. Nee, nicht zu
ihr, da hätten ja ihr Mann und ihre Kinder gewartet. Sie hat mit
Ihnen herumgekichert – na bitte – das war doch die Einladung
schlechthin ihr den Wonderbra zu öffnen. Diese von Ihnen hauptsächlich
initiierte Affäre hat im Nachhinein die Gesundheit und dann die
Ehe der Frau zerstört, als nämlich alles aufkam, weil sie
auf dem Gesundheitsamt angeben musste, von wem sie sich die Gonokokken
eingefangen hatte. Was für ein langjähriges Drama für
alle Beteiligten – außer Ihnen. Aber, aber – daran
hatten Sie doch keine Schuld...! Irrtum, das war mal. Damit konnten
Sie sich damals noch selbst herrlich trösten, als sie noch atmeten,
lebten! Aus und vorbei. Jetzt müssen Sie all ihren ungeheuerlichen
und verabscheuungswürdigen Taten ins Gesicht sehen. Das, meine
Herren“, so Bajun, „das halte ich für den wahren postmortalen
Albtraum. Das wäre mal eine Rache von Format für alle begangenen
Todsünden.“ Herr Katz, Abkömmling eines Wunderrebben
aus dem galizischen Stetl, wiegte bedenklich den Kopf: „Und, Herr
Bajun, meinen Sie, Sie hätten viel zu befürchten bei einem
solchen Szenario?“ „Gott sei's gedankt – ich glaube
der Herr der Welt ist gnädig und lässt die Seelen nach dem
Tode im Nichts vergehen. Es wird dunkel, wie bei der Einleitung einer
Narkose vor der Operation und dann – nichts mehr. Nie wieder!
Keine Auferstehung, kein Gericht – nur noch das Dunkel des Sheol.
Die Buddhisten nennen das wohl das Nirwana, und wenn ich recht behalte,
dann rackern die sich ganz umsonst dafür ab – letzten Endes
wird es ihnen geschenkt.“ „Nun, Herr Bajun“, meldete
sich der Chef zu Worte, „es mag sein, dass sie richtig liegen.
Es spricht sogar viel dafür. Aber wissen, richtig wissen tun wir
es natürlich nicht. Daher sollte man auf Nummer sicher gehen und
sein Leben, solange man darüber bewusst zu verfügen glaubt,
so verbringen, dass man jedwedem spekulativen Gericht mit größtmöglicher
Gelassenheit entgegensehen kann. Sollte uns die von Ihnen in Aussicht
gestellte finale Dunkelheit eines solchen Tribunals entheben, dann hat
uns der Kant'sche Imperativ auch keinen Schaden getan. Die Dinge lägen
vielleicht anders, dünkte Sie das gewissenlose Luxusleben eines
erfolgreichen Mafioso bar jeder Moralvorstellung attraktiv zu ein. Darüber
aber nachzudenken ist wohl in diesem Kreise müßig. Wer aus
solchem Holze geschnitzt wäre“, und hier begann er sich seine
lang zurückgehaltene Pfeife tatsächlich mit einigem Tabak
zu stopfen und diesen unter langsam paffenden Zügen anzuzünden,
„der wird sich wohl kaum unter dem Dach dieser Redaktion wohlfühlen...“
Bajun grinste: „Darauf noch einen Lagavulin“, rief er fröhlich
und leerte das Glas, welches noch eben das Moskauer Wässerchen
beherbergt hatte und nun wieder voll des köstlichen schottischen
Geistes glänzte, in einem Zuge. Ein Russe eben durch und durch!