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Hartz IV – Kinder in Not
ein Staat weiß nicht mehr weiter

Kotofeij K. Bajun
Das Gegenteil von Gut ist nicht Böse... 1.600 Euro will Christa Müller von den Linken den Unterstützungsbedürftigen geben, die sich einer “freiwilligen Überwachung” durch eine Art Familienpaten nicht entziehen. Die Crux ist nun die, dass ein mutmaßlich hoher Prozentsatz der Hartz IVer jeden Pfennig, den sie bekommen können, durch die Kehle jagen, wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky konstatiert. Man kennt das Problem und man kommt um eine eindeutige Benennung dieses ärgerlichen Themas nicht herum, so sehr die Gesellschaft auch aufjaulte wie ein getroffener Hund. Auch die Linken, die naturgeborenen Anwälte der Leute, die man landläufig als Unterschicht bezeichnet, wissen darum: Hartz IVer und Pay-TV, Hartz IVer und Alkohol – das alles scheint doch flächendeckend verbandelt zu sein und beides möchte man natürlich nicht staatlich fördern. Wie also dafür sorgen, dass das Geld bei denen ankommt, für die es gedacht ist? Denn schließlich sollen die armen aber willigen Kinder das Tischtennis-Training, die Musikschule und das Freizeit-Zentrum bezahlen können. Sie sollen an Klassenfahrten teilnehmen und sich auch mal ein gutes Buch kaufen können. Das ist nobel. Aber wie kontrolliert man das, wie kontrolliert man das...? Also ein Hausbesuchsdienst soll's richten. In festgelegten Abständen kommt ein Sozialarbeiter oder Familienpate zu Besuch und schaut auf die Familienverhältnisse. Je nun. Das wirft eine Menge Fragen auf. Natürlich muss der staatliche Kontrolleur Anzeige erstatten, wenn er Anzeichen der Verwahrlosung oder des sexuellen Missbrauchs entdeckt. Das geht auch nicht anders. Damit haben wir aber bereits den Überwachungsstaat in der Familie installiert – der sich jedoch, ganz nebenbei bemerkt, wohl kaum in die Kinderstube der Familien bundesdeutscher Leistungsträger einnisten wird. Also sollen die armen Teufel unter Kuratel gestellt werden wie unmündige Kinder, was sie, faktisch gesehen, ja oft auch wirklich sind. Doch das nur unter uns Pastorentöchtern... Geht es aber, und hier lassen Sie uns den sinnierenden Faden weiter spinnen, bei Managers, Oberarztens oder Staatssekretärs weniger unsozial zu? Verprügeln machthungrige Industriekapitäne und Bankvorstände, die ihre gesellschaftstragenden Positionen nicht zuletzt auch der charakteristischen Aggressionsmuster ihres Naturells zu danken haben, ihre Kinder und Ehefrauen nicht? Wir wissen, dass das Gegenteil der Fall ist. Vielleicht verschieben sich die Prozentzahlen, aber heile Welt hinter den Fassaden bourgeoiser Villen – wer daran glaubt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Selbst dort, wo der Staat eine Kontrollpflicht per se hat, in denen Heimen und Internaten, da hat er skandalös versagt. Wen also trifft es? Wieder einmal sind es die Bettelleute, die sich gegen eine solch ohnmächtige Reaktion staatlicher Organe kaum wehren können, staatlicher Organe, die nicht laufend auf den Titelseiten der BILD durchgehechelt zu werden wünschen, weil wieder einmal ein Kind asozialer und überforderter Eltern verhungert und vergammelt ist. Wieder einmal retabliert eine okzidentale Gesellschaft ihren archaischen Umgang mit den Landstreichern und Armenhäuslern, die, wie schon Brandenburgs legendärer Oberbürgermeister Franz Ziegler aller Progressivität zum Trotze einst proklamierte, nicht nur staatlicher Fürsorge, sondern vor allem staatlicher Aufsicht bedürfen! Aber damit nicht genug. Der Verfassungsgrundsatz der Gleichheit geht den Bach herunter. Denn was kann das Kind dafür, dass es in einen Haushalt von geistig retardierten Asozialen hineingeboren wurde und dafür eben nicht in den Genuss dieser Zuwendungen kommt, die das Nachbarskind des Ingenieurs erhält, der zwar auf Grund unglücklicher Umstände arbeitslos geworden ist – seine Kultur und Bildung aber durchaus mitgenommen hat auf seinem Weg von der Fünf- in die Zwei-Zimmer Wohnung. Das ist doch alles Unsinn. Es ist geht doch nur auf eine Art und Weise und zwar auf die Nämliche, wie man Hilfe für die Dritte Welt organisiert. Dort sieht man sich doch mit gleichgearteten Problemen konfrontiert. Also sollte man einen Fonds einrichten, der das Geld nicht primär den Haushaltsvorständen offeriert. Alternativ dazu könnte es beispielsweise einer Musikschule zur Verfügung gestellt werden, die es zweckgebunden für ein „Armen-Stipendium“ verwendet. Dieses Geld wird dann definitv nicht in Hochprozentiges oder den Empfang von verschlüsseltem Hartz-TV umgerubelt. Was die Versorgung der Kinder mit dem Lebensnotwendigen anlangt, so ist das alte Hausmittelchen der Gutscheinwirtschaft doch sehr probat. Wenn also ein Sozialarbeiter oder Jugendamts-Bediensteter eine sozial abschüssige Sippe aufsucht und zerlumpte Kinder antrifft, so sollte er durchaus das Recht haben, die Kinder – wenn's nötig ist unter Polizeibedeckung – in das nächste Konfektionsgeschäft mitzunehmen und sie einzukleiden. Und was das Beste ist: Er sollte im Nachgang auch kontrollieren können, ob die Klamotten nicht zwischenzeitlich im Second-Hand-Laden gelandet sind, um den Alten das feuchte Hobby zu finanzieren. Wenn das passiert, dann sollte auch eine harte staatlichen Klatsche wie Freiheitsentzug gerechtfertigt sein. Hier kann dann, weil man einer kriminellen Energie begegnet, getrost auf die Mittel staatlichen Zwanges und der Repression, der staatlichen Bevormundung zurückgegriffen werden. Denn es erscheint uns sicher, dass die noch im Werden begriffene Entwicklung des Kindes mit ihren noch unverbauten Potentialen ein höheres Rechtsgut darstellt, als die Persönlichkeitsrechte von „erwachsenen“ Eltern, die nachhaltig unter Beweis gestellt haben, dass sie der ihnen übertragenen Verantwortung nicht gerecht wurden. Rechte müssen immer unlösbar mit Pflichten vergesellschaftet sein. Erfüllen Eltern diese Pflichten nicht, weil sie ganz einfach asozial sind, so müssen auch ihre Rechte adäquat beschnitten werden.
Doch hier dämmert bereits das nächste Problem am Horizont herauf: Die für diese Maßnahmen nötige Armee von Kontrolleuren und nachgeordenten Instanzen kostet ein Vielfaches der angedachten Unterstützungsleistungen. Summiert man das alles, dann kann man schon wieder überlegen, ob man für diese Beträge nicht besser ein ordentliches Arbeitsmarkt- und Erziehungsprogramm auflegen könnte. Wichtig aber bei allem, was überlegt, diskutiert und angedacht wird ist eines, was dieser Staat seit Anbeginn vermissen lässt: Überschaubarkeit, Berechenbarkeit und Konsequenz. Und wie der Herr – so's Gescherr!

16. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
15.07.2010