Wer wird Weltmeister?
Akinokawa Michi
“Was sagen Sie nun”, wurde der Chefredakteur des Preußischen
Landboten auf der Straße von einem Bekannten angesprochen, “nun
haben wir eine reelle Chance am nächsten Sonntag Weltmeister zu
werden?” „Isses wahr“, grinste er, „wir beide?“
„Menschenskind, Sie Miesepeter! Die deutsche Nationalmannschaft
könnte den Worldcup aus Johannesburg mit nach Hause nehmen.“
„Nu, da würde ich mich freuen für die Jungs“,
replizierte Fjoellfross ungerührt, „besonders nach den grandiosen
Spielen gegen die Engländer und vor allem gegen die Argentinier.
Aber, mein Lieber, Weltmeister werden nicht wir beide, sondern die Mitglieder
der deutschen Nationalmannschaft, niemand sonst.“
Recht hat er. Sollte man denn mit stolz geschwellter Brust durch die
Straßen rennen, nur weil das Schicksal es fügte, dass man
zufällig dieselbe Staatsangehörigkeit hat, wie die erfolgreichen
Sportler? Und siegen die nicht zu allererst für sich selbst, statt
für ihre Landsleute? Dass es positive synergetische Effekte für
ein nationales Wir-Gefühl gibt, nach dem legendären Sieg über
die Ungarn 1954 im Berner Wankdorf-Stadion keine Frage. Aber man muss
vorsichtig sein mit solchen Gefühlen. Sie sind ein Schwingmoor.
Nicht jeder Schritt trägt. Wenn der Sieg der Deutschen bedeutet,
dass der Arbeitslose sagt, verflucht noch mal, dieses Pulver steckt
doch auch mir in den Knochen, das muss doch jetzt weiter gehen mit mir,
dann ist das eine gute Sache, selbst wenn die Profis beim Lippenbewegen
während der Nationalhymne Ergriffenheit bestenfalls heucheln. Mal
ehrlich – dieses nationale Brimborium aus dem 20. Jahrhundert
interessiert die meisten Schwerverdiener am Ball doch einen Scheißdreck!
Reicht so ein sportlicher Erfolg hingegen nur wieder für einen
gehörigen Schuss Chauvinismus a la „die bekloppten Argentinier,
die dämlichen Engländer“ etc., dann taugt die Kiste
nichts. Wenn ein paar Türken, Neger, Russen, Italiener oder Araber,
die seit geraumer Zeit in Deutschland leben und sich um die deutsche
Staatsangehörigkeit bewerben, sagen, Menschenskind, is ja doll,
und bemühen sich dann verstärkt um die Aneignung der deutschen
Kultur und Sprache, dann wollen wir das gut heißen. Pöbelt
aber ein versoffener Lumpenprolet in der Schänke in Richtung eines
Gentleman hinüber: „Na, habt IHR Tommies von UNS wieder mal
satt in die Fresse gekriegt“, dann können wir für diesen
armen Kujon nicht mehr als verachtendes Mitleid empfinden. Denn DER
plakatiert nur dumpfen Herdenrtrieb: WIR gegen DIE! Nein, der ist nicht
WIR! Wir gehören nicht zu dem Mörder, der in Hannover zwei
Italiener mit Kopfschüssen aus einer Pistole umgebracht hat, weil
er sich mit ihnen bezüglich der Weltmeisterschaft nicht einig werden
konnte. Der Schweinehund hat keinen Teil an dem Erfolg unserer Landsleute,
an ihrem überragenden spielerischen Talent, an ihrer Schnelligkeit
und Kombinationsgabe. Der hat nur zufällig dieselbe Staatsangehörigkeit.
Dafür hat er nichts tun müssen, keinen Tropfen Schweiß
dafür vergossen. Es ist ihm von der Fügung in die Wiege gelegt
worden. Diese Fügung hätte ihn genauso gut in die Sahelzone
oder in die Favelas von Sao Paulo verfrachten können. Also, sollte
das am nächsten Sonntag klappen, dann würden wir uns freuen,
wie wir auch vor Begeisterung über die spielerischen Leistungen
dieser überragenden Mannschaft gebrüllt und geschrien haben.
Und wir würden uns freuen, wenn diese jungen und hochbezahlten
Fußballer den deutschen Ruf in der Welt wieder ein wenig aufpolieren.
Auch die Wirtschaft hätte dann einen Grund mit zu feiern. Aber
ansonsten bleiben wir Preußen. Ein schönes, kühles,
rotblondes Ducksteiner auf diese Teufelskerle – und dann geht’s
wieder an die eigene Arbeit. Kommen sie schon am Mittwoch nach Hause,
dann wollen wir sie trotzdem hoch leben lassen, denn sie zeigten uns
sauberen und sehenswerten Sport. Das können wir reinen Herzens
tun, denn hätten sie einen „Sieg“ mit nach Hause gebracht
wie den der Uruguayesen gegen die Ghanaer, dann wollten wir ihnen den
Rücken zudrehen und sie stehenlassen am Flughafen, sie hätten
die Siegestrophäe dabei oder auch nicht. Ein solches Inferno aber
haben uns die Spieler der deutschen Nationalmannschaft bislang erspart
und so wollen wir ihnen die Daumen drücken, zunächst einmal
für den Mittwoch. Und dem deutschen Mob drücken wir die Daumen,
dass er sich flächendeckend zu der Erkenntnis durchringt, dass
eine Fußballweltmeisterschaft eben kein Ersatzkrieg ist, sondern
ein sportliches Turnier. Und das soll so bleiben.
Übrigens: Der deutsche Krake Paul votierte für Spanien -
wir nehmen's sportlich.