Dealen mit Dieben
Wie die Bundesrepublik zum Hehler wird
Don M. Barbagrigia
Solln' se, oder solln' se nich? Die Rede ist von der Debatte um den
Ankauf gestohlener Dateien, mit deren Hilfe man Steuerflüchtige
zu fassen hofft. Natürlich ist der Verkäufer dieser Daten
ein Gannef, der sich den Kram illegal beschafft hat. Man weiß
es. Und blöderweise hat sich der ach so rechtschaffen denkende
Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland geschworen, keine unrechtmäßig
erworbenen Beweismittel vor Gericht zuzulassen. Was das heißt?
Nun, stellen Sie sich vor, Sie hätten Ihre Schwiegermutter über
die Wupper gehen lassen. Das Corpus Delicti, ein langes, gezahntes Brotmesser,
liegt noch immer auf dem Küchentisch. Der Sheriff ist informiert.
Er sieht die bluttriefende Waffe durchs Fenster auf dem Küchentische
liegen. Aber er hat noch keinen Durchsuchungsbefehl in der Hand. Gefahr
im Verzug? Nö. Denn Sie sitzen in der Kneipe ums Eck und versaufen
dort seelenruhig Omas Regulator. Und Sie sind als friedlicher Mensch
bekannt, während die ganze Stadt weiß, was der alte Drachen
für ein böser Bäffzen war, der selbst einen Stein zum
Kochen gebracht hätte. Klar ist, wenn Sie zurückkommen, entsorgen
sie das Messer. Bis dahin hat der Büttel seinen Durchsuchungsbefehl
nie und nimmer. Was macht er? Er steigt bei Ihnen ein, tütet das
Messer in einen Plastikbeutel – schön vorsichtig, um keine
Spuren zu verwischen und keine neuen aufzutragen – und ab geht’s
damit aufs Revier! Tja, dumm gelaufen. Das Verbrechen ist offensichtlich
– die Tatwaffe und der Laborbericht liegen auf dem Tisch. Beides
ist nicht zu gebrauchen – weil unrechtmäßig besorgt.
Na super! Aber, was Recht ist, muss Recht bleiben! Und das durch alle
Schichten und Instanzen. Je nun.
Hier aber haben wir es mit einer besonderen Situation zu tun: Der Staat
ist blank, pleite, finanziell am Boden. Und da hört der Spaß
aber auf! Wen interessiert schon ein altes zänkisches Weib, das
vor der Zeit über den Jordan gegangen ist? In solchen Fällen
kann man sich den Luxus einer schon unsinnig aber hehr anmutenden Rechtsauffassung
schon mal leisten. Wenn aber der Regierung das Geld fehlt, den alten
Stil weiterzufahren, wie weiland in den Siebziger Jahren, als die Bundesrepublik
auf dem Rücken der Neger noch boomte was das Zeug hielt, dann ist
das Ende der Fahnenstange definitiv erreicht. Das Tafelsilber ist längst
verschubbert. Kohle muss ran! 1,8 Billionen Staatsschulden. Der deutsche
Städtetag ist pleite wie nie zuvor. Bei den Proleten ist nicht
mehr viel zu holen. Sicher, sicher, das gehortete Privatvermögen
der Deutschen würde dreimal reichen, die Karre aus dem Sumpf zu
ziehen. Doch nimm's ihnen weg und Deutschland ließe seine letzte
Maske fallen und deklassierte sich von eigenen Ungnaden zur Bananenrepublik.
Das wäre dann das Aus. Also ran an die, welche noch ein paar Milliönchen
gebunkert haben. Schließlich will kein Beamter Einschnitte bei
seiner Pension akzeptieren müssen. Dieses Makel gebührt dem
Plebs – und nicht der Herrenschicht. Also – solln' se, oder
solln' se nich? Natürlich solln' se! Es ist der erste Schritt hin
zur Wahrheit. Das ganze Schlierentheater hört endlich auf, der
wahre Kern der faulen Republik schält sich aus dem Dunst des ganzen
rechtsstaatlichen Geseiers. Endlich hat auch der größte Idiot
die Chance zu begreifen, dass er im Gesellschaftskundeunterricht der
Schule seine Zeit vertan hat. Wenn's ums Geld geht, dann endet jedes
Geschwafel. Ganz sicher. Herr Kauder von der CDU meint, man solle den
Datenanbieter verhaften. Na, na Herr Kauder! Sie oder ihre Klientel?
Wer greint denn da schon vor bibbernder Angst? Und übrigens –
verhaften kann man den Kerl ja immer noch. Wenn man die Daten dann hat.
Wäre aber Unfug. Wer weiß, wieviele goldwerte CDs noch kursieren.
Es ist aber wirklich bemerkenswert, wie sehr dem Land das Wasser bis
zum Halse stehen muss, wenn sie schon anfangen in die Waden ihrer eigenen
Leute, ihrer Leistungsträger, ihrer Säulen zu beißen.
Das ist, was uns eigentlich erschrecken sollte, spätestens seit
den Tagen der Verhaftung Herrn Zumwinkels. Wenn sogar deren Schonzeit
abgelaufen ist, dann ist die öffentliche Kasse wirklich klamm.
Und das sollte uns weitaus mehr beunruhigen, als das blödsinnige
Gezänk um die formelle Aufweichung rechtsstaatlicher Prinzipien,
die seit langem die Makulatur nicht mehr wert sind, auf die sie einst
gekritzelt wurden.