Baaks

zurück zum Landboten

 

Ein Präsident verlässt das sinkende Schiff
Zum überraschenden Rücktritt von Horst Köhler

B. St. Fjøllfross
Ein Fehler wird erst dann ein Fehler, wenn man einen zweiten hinzufügt. Horst Köhler machte den ersten Fehler, als er einem Reporter des Deutschlandsenders gegenüber die ungeschminkte Wahrheit darüber kundtat, warum Kriege geführt werden. Um anderen Völkern die Segnungen der Demokratie und Freiheit zu bringen? Wer das glaubt, der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Kriege haben ökonomische Ursachen. „Ich will etwas, was du hast“ und „Geh du mir an das Meine und ich zeige dir, wo der Hammer hängt!“ Das ist der Grund, aus dem Kriege geführt werden und nichts anderes. Blöd nur, dass es gelinde gesagt obsolet ist, in einer politischen Unkultur wie der gegenwärtig herrschenden in Deutschland an exponierter Position Klartext zu reden. Ein Politiker sieht sich ganz einfach dem Erfolgsdruck ausgesetzt, Märchen in möglichst verquaster Sprachregelung unters Volk zu bringen. Da kann nicht einfach das Staatsoberhaupt daherkommen und mit dieser liebgewordenen Unsitte brechen. Das schlägt ja wohl dem Fass den Boden aus! Gestorben wird alleweil und auch bei uns von dummen neunzehnjährigen Habenichtsen für schlaue fette Profiteure jenseits der Dreißig. Denen kann und wird das nicht lieb sein, wenn man ihnen diese simple Maske von den smarten Gesichtern reißt. Und sie haben die Macht, eine demokratisch gewählte Regierung dermaßen unter Druck zu setzen, dass diese vergisst ihrem Präsidenten zur Seite zu springen. Herr Köhler hatte also die Schnauze gestrichen voll.
Was aber ist mit dem zweiten Fehler? Das ist der Rücktritt. Das ist unpreußisch. Das ist feige Fahnenflucht, die einem Bundespräsidenten nicht zusteht. Horst Köhler wollte Schaden von seinem Amt abwenden, als er feststellte, dass die an seinen nicht genügend durchdachten Aussagen geübte Kritik den notwendigen Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten vermissen ließ. Er erreichte das Gegenteil. Der Respekt vor Friedrich dem Großen speiste sich nicht aus dessen Recht eine Krone zu tragen. Er trug sie nie. Man ehrte ihn und das Amt des Königs von Preußen, weil der Mann im feindlichen Feuer standgehalten hatte, weil er einen alten Oberst auf dessen Abschiedsgesuch beschieden hatte: Mir geht es auch nicht immer, wie ich es gerne haben will. Deshalb muss ich doch immer König bleiben – Geduld und Rhabarber helfen vortrefflich!“ Wirft dieser hier das Handtuch, weil er sich allein gelassen fühlt, oder weil ihm die ganze Richtung nicht passt und er seine deutsch-präsidiale Ohnmacht spürt? Gleichviel. Respekt mögen ihm andere für diesen Schritt zollen – wir tun es ganz gewiss nicht.
Deutschland steckt tief in der Krise und der Kapitän verlässt nicht nur die Brücke des sinkenden Schiffes, er geht gleich ganz von Bord – aus offensichtlich persönlichen Erwägungen. Damit verpasst Herr Köhler dem Amt einen Hieb, wie es schlimmer nicht hätte getroffen werden können. Zum ersten Mal in der Geschichte Nachkriegs-Deutschlands demissioniert ein Bundespräsident. Das ist wie ein Dammbruch. Das nimmt der protokollarisch ersten Position im Staate die Aura der Würde. Was folgt, ist uns aus dem England nach 1936 genugsam bekannt, als Eduard VIII. mit seiner Wallis Simpson durchbrannte und die Krone an den Nagel hängte. Wer seine Persönlichkeit vor das Amt stellt – und das ist seit dem Soldatenkönig ungeschriebenes Gesetz in Preußen – der nimmt dem Amt die Einzigkeit, die Glaubwürdigkeit, den Vertrauensbonus.
Er sei keine Unterschriftsmaschine, gab Horst Köhler mal zu Protokoll. Das war mutig, ehrenhaft und sehr anständig. Konsequent verweigerte er zwei Gesetzesvorlagen, die nicht seinem Verfassungsverständnis entsprachen, seinen Segen. Doll, Herr Köhler – DAS erheischt Respekt! Weg von der repräsentativen aber zahnlosen Funktion als machtlose Gallionsfigur, zu welcher der Bundespräsident von den Verfassungseltern 1949 gestaltet wurde, um einer ähnlichen Entwicklung wie der von Hindenburg zu Hitler vorzubeugen. Der deutsche Präsident muss wieder mehr Recht zur tätigen Einmischung haben, so, wie Herr Köhler den Kurs festgesteckt hatte. Aber diese Gestaltung vorzunehmen, bedarf es der Autorität eines Amtes, die ihm dessen bisher wichtigster Vorkämpfer mit einem einzigen Federstrich nahm. Das ist der größte Vorwurf, den wir einem Manne machen, der das Zeug hatte, der bisher beste, volksnaheste und glaubwürdigste Präsident zu sein. Uns ist es leid, dass er ging. Mehr noch aber schmerzt es – wie er ging.

16. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
01.06.2010