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Banditen werden abgewatscht
Bundesarbeitsgericht entscheidet für Emmely

David Katz
Das Bundesarbeitsgericht zu Erfurt hat gesprochen. Und es hat gut gesprochen. Es hat der sich auch im Einzelhandel neu formierenden Sklavenhaltergesellschaft ein Steinchen in den Weg geworfen. Ein kleines Kieselchen nur – aber immerhin. Die Kündigung Barbara E.s, genannt Emmely, der Berliner Verkäuferin, die von der Kaisers-Kette wegen zwei angeblich unterschlagener Pfandzettel im Wert von insgesamt € 1,30 nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos gefeuert worden war, ist für unwirksam erklärt worden.
Das rabiate Verhalten solcher Arbeitgeber wie Kaiser-Tengelmann gegenüber ihren Angestellten ist beileibe kein Einzelfall – das hat bundesweit Methode. Dahinter steht eine planmäßige, systematische Ausbeutung und Schurigelung von zehntausenden Frauen, die zu entwürdigenden Bedingungen in den Märkten der Republik schuften müssen – ständig bedroht von immer infamer werdenden „Testkäufen“, willkürlichen Umsetzungen innerhalb der Filiallandschaft, Überlastung durch permanente personelle Minderbesetung und so weiter und so weiter...
Warum das alles? Weil im Reich weit über 5 Millionen Arbeitslose Angst vor Hartz IV haben und sich unter diesen Umständen Tucholskys Wort: „Es ist wir im Kriege – wer die Butter hat, wird frech!“ bewahrheitet. Die Frauen werden unterbezahlt und kujoniert. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele: Eine Ausnahme ist der Rheinsberger Edeka-Markt in der Gartenstraße. Eine seltene, eine sehr sehr selten gewordene Ausnahme.
Anderen Ortes ist man vielfach daran interessiert Fachverkäuferinnen los zu werden, ganz egal wie. Weil sie zu teuer sind. Aushilfskräfte sind leichter zu steuern und leichter zu feuern – und sie kosten nicht so viel. Das dies zu Lasten des Kunden geht und eine sehr kurzsichtige Marktstrategie, schert die Idioten in den Vorstandsetagen mit ihrer Shareholder-Value-Mentalität einen Scheißdreck. Man lässt Frauen für fünf Stunden Arbeit Arbeitswege von weit über 100km bewältigen. Die Verkäuferin hat kein Automobil und keine Fahrerlaubnis? Ihr Pech. Zumindest hat sie jetzt eine Ahnung, wem sie ausgeliefert ist und was dieses Pack mit ihr anstellen kann, wenn sie nicht das Maul hält und spurt. Sogenannte „Testkäufer“ suchen die Kassiererinnen heim und denken sich abartige Methoden aus, um die unter hohem Druck an den Kassen stehenden Verkäuferinnen zu linken. Zweimal durchgefallen – und raus bist du! Diebstahlseindämmung? Blödsinn! Gleichzeitig werden die Filialen personell dermaßen ausgedünnt, die Frauen so eklatant allein gelassen, dass sie keine Chance haben, sich gegen jugendliche Strolche zu wehren, welche die Geschäfte geplant und rotzfrech zum Stehlen heimsuchen. Nehmen sich diese Frauen aber mal aus dem Müllcontainer nach Feierabend einen überlagerten Joghurt mit, der zur Vernichtung bestimmt war, dann ist das Diebstahl und endet mit der fristlosen Kündigung. Einen neuen Job werden die Betroffenen mit einem solchen Leumund kaum noch bekommen. Ergo, ihre Existenz ist ernstlich bedroht. Nota bene: Wir reden hier von Pfennigkram und nicht von Millionen und Milliarden, die gegenwärtig an den Börsen Europas und der Welt mit ungeheurer Leichtfertigkeit gestohlen, gezogen und geraubt werden, die ganze Nationen in der Welt existentiell bedrohen und in den Abgrund stürzen. Nicht die Rede ist von Steuerhinterziehern, welche die Nation um Milliardenbeträge bestehlen. Welchem Top-Manager ginge es da ernstlich an den Kragen? Nun ja – diese egomanischen Killer der Gesellschaft werden ja desungeachtet zu den gesellschaftstragenden Elementen gerechnet, während Barbara E. „nur Plebs“ ist, nicht wahr!
Das aber ist Unfug! Eine solche Wahrnehmung ist pervers! Barbara E. repräsentiert die wahrhaft gesellschaftstragende Bevölkerung, die sich jedesmal dann bewähren muss, wenn die Ganoven im Nadelstreifen wieder Millionen von Haushalte ins Elend gestürzt haben.
Wolfgang Thierse nannte die vorigen „Rechtsprechungen“ gegen diese Frau ein „...barbarisches Urteil von asozialer Qualität, das das Vertrauen in die Demokratie zerstören...” könne. Besser kann man das nicht formulieren. Frau Karin Aust-Dodenhoff, Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, replizierte daraufhin, es handle sich bei Thierses Bewertung um: “...Diffamierungen der Gerichte, zumal von einem der höchsten Repräsentanten unseres Landes...“, die „... in keiner Weise hinnehmbar“ sind. „Sie sind geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung zu beeinträchtigen und greifen in die Unabhängigkeit der Gerichte ein.” Der Landbote schrieb daher zornlodernd an Frau Aust-Dodenhoff:

“Liebe gnädige Frau,
im Schlusssatz Ihrer Presseerklärung vom 26. Februar 2009 schreiben Sie, ich zitiere:
Diffamierungen der Gerichte, zumal von einem der höchsten Repräsentanten unseres Landes, sind demgegenüber in keiner Weise hinnehmbar. Sie sind geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung zu beeinträchtigen und greifen in die Unabhängigkeit der Gerichte ein.
Dazu erlauben Sie die Feststellung, dass ich in Herrn Thierses Bewertung nichts diffamierendes entdecken kann, dafür aber eine auf den Punkt gebrachte Charakterisierung der Rechtssprechung Ihres Hauses in Falle Emmely.
In diesem Kontext sei die Frage gestellt: Von welchem Vertrauen reden Sie da? Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass ein deutscher Bürger, wofern er noch über ein Minimum an gesundem Menschenverstand verfügt, noch Vertrauen in eine Justiz besitzt, deren Rechtsprechung sich bereits vor Jahrhunderten in einen Elfenbeinturm abstrakter Theoreme und Kommentare zurückgezogen und seit dieser Zeit alle Brücken zu einer fühl- und nachvollziehbaren Gerechtigkeit hinter sich gelassen hat? Das betrifft im Übrigen nicht nur Ihr Ressort.
Des weiteren verweise ich auf einen anderen hochrangigen Vertreter des Staates, der vor Richtern warnte, die nicht mehr in dieser Welt zuhause sind. Friedrich der Große stufte deren Gefährlichkeit schlimmer als die von Straßenräubern ein, da man sich vor letzteren wohl schützen könne. Wollen sie dem großen Könige ebenfalls Diffamierung der Justiz vorwerfen?
Wenn etwas in der Lage ist, Bevölkerungsvertrauen zur Justiz zu reparieren, dann ist das wohl das Erfurter Urteil im Falle Emmely, das die Inkompetenz und das völlige menschliche Versagen der vorgeordneten Instanzen deutlich gemacht und revidiert hat. Das Wort "menschlich" habe in der Justiz nichts verloren? Dann hat eine solche Justiz in einer menschlichen Gesellschaft nichts verloren - nicht umgekehrt.
Justiz hat den Menschen zu dienen und nicht sich selbst und ihren eigenen Kommentarsammlungen! Sie muß, um akzeptiert zu werden, verständlich sein. Das ist sie schon lange nicht mehr. Also reden Sie um Gottes Willen von Ihrer Machtfülle und Ihrer Unfehlbarkeit, aber doch nicht von "Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz". Denn das ist fürwahr unerträglich.”

Dem haben wir nichts hinzuzufügen, außer Beifall für die Erfurter Richter, die begriffen haben, welche Motivation hinter dem scheinheiligen Gefasel der Kaisers-Anwälte wirklich steckt. Zerrüttetes Vertrauen zwischen Kaisers-Geschäftsleitung und Angestellter? Wer das glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen. Wir Konsumenten aber sollten diesen Lumpen misstrauen! Und wir sollten ihn breitflächig klarmachen, was wir von ihnen halten – nämlich gar nichts!

16. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
12.06.2010