Evas zweiter Sündenfall
S. M. Druckepennig
Was ist los in der Kirche des Herrn? Katholische Priester ruinieren
den Ruf eines der besten Kollegs Deutschlands, des Canisius zu Berlin
nämlich, den Ruf der katholischen Kirche insgesamt und zerstören
ganz nebenbei die Seelen ihrer Anbefohlenen, die sie als gute Hirten
auf den Weiden des Herrn hätten hüten sollen. Ist der idiotische
Zölibat daran schuld? Wozu soll es zum Kuckuck gut sein, nach eintausend
Jahren noch festzuschreiben, dass katholische Gottesmänner unbeweibt
sein sollen?
Ja, ja, die Priester, die Gottesmänner sollten sich ganz dem Wort,
dem Dienst am Herrn und der Gemeindearbeit widmen und sich nicht durch
die sexuellen Triebe davon abhalten lassen. Aber bei denen Rabbis, orthodoxen
Popen und Protestanten klappt's doch auch. Und wir hören nichts
davon, dass diese europaweit über Kinder herfallen wie die Wölfe.
Sollte bei denen am Ende vielleicht ein geregelter Abbau eines nicht
zu unterdrückenden Urtriebes dafür verantwortlich sein? Ist
ja auch egal. Während es aber im katholischen Gebälk wieder
einmal herzerweichend kracht und die protestantischen Renegaten allen
Grund zu gotteslästerlich schismatischer Freude hätten, sorgt
die frischgebackene Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirchen in Deutschland
mittels eines blitzsauberen Eigentors für das unrühmliche
1 :1. Es ist zum Heulen...
Was? Sie meinen, besoffen mit dem Automobil durch Hannover zu jagen
und eine rote Ampel zu überfahren, ist mit sexuellem Missbrauch
an Schülern nicht vergleichbar? Ja, da könnten Sie wohl recht
haben, wenn Sie mir einen Vergleichsmaßstab nennen. Wie rechnet
man das Leben einer Mutter, eines jungen Mannes, einer alten Frau, einer
Braut, eines Verlobten, einer Familie, die möglicherweise bei einem
von Bischöfin Käsmann verursachten Unfall zum Krüppel
oder tot gefahren worden wäre, gegen die schwer traumatisierten
Zöglinge katholischer Eliteschulen auf?
Ich weiß es nicht. Ich kann jedoch nur schwer damit umgehen, dass
Vertrauenspersonen mit unbedingter Vorbildfunktion menschlich so schwer
entgleisen, und finde die Reaktionen von Herrn Thierse, der sinngemäß
mit der Entschuldigung „...ist doch menschlich, kann doch jedem
mal passieren und … was die Frau alles durchgemacht hat...“
um Nachsicht für seine gefallene Glaubensschwester wirbt, jämmerlich.
Das ist Gewinsel. Das ist bigott. Das ist unehrlich. Jeder CDU-Politiker,
der sich so benommen hätte, wäre von Herrn Thierse in die
Hölle verdammt worden.
Die Frau ist sicher ein Leben lang integer gewesen. Und gewiss hat sie
sich große Meriten erworben. Aber das haben andere auch und sind
irgendwann das erste Mal so richtig auf die Nase gefallen. Und das war's
dann! Was aber für hundert arme Schweine gilt, die keinen Namen
haben, den man um die nächste Straßenecke noch kennt, muss
auch gelten dürfen für eine Frau Bischöfin. Mit zweierlei
Maß zu messen, wäre inakzeptabel. Von daher war der Rücktritt
der Frau Käsmann nur folgerichtig und sicher eine Bestätigung
ihres unbestritten lauteren Charakters. Wir bedauern das Geschehene.
Wir richten nicht über die gefallene Hirtin. Dazu haben wir kein
Recht, denn der Rabbi sprach „Wer unter euch ohne Fehl ist, der
werfe den ersten Stein!“ Wir würdigen den Stein nicht einmal
eines Blickes, geschweige, dass wir ihn anrührten. Aber wir gehen
mit der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden d'accord: Ein Fehltritt derart
kriminellen Ausmaßes lässt keine Fortführung des geistlichen
Amtes zu.
Und was die eingangs erwähnten Jünger Roms anlangt: In zweitausend
Jahren hat dieser Verein sicher viel Gutes bewegt, aber auch unendlich
viel Leid geschaffen. Mit dem Verrat an den Juden und der Unterstützung
der Flucht hochrangiger Naziverbrecher nach dem Krieg hätte das
unselige Treiben eigentlich endlich beendet sein sollen. Ein Prozess
des Umdenkens, der mit der Entschuldigung einiger reumütig tuender
Bischöfe keinesfalls eingeleutet wurde, ist längst überfällig.
Doch das Schiff „Katholische Kirche“ ist zu groß und
damit zu starr, um noch einen raschen, adaptiven Kurswechsel vornehmen
zu können. Eisberg voraus, liebe Christen beiderlei Konfessionen!
Vielleicht sollte sich die ökumenisch denkenden Basis mal aufraffen
und ihrer Obrigkeit den Marsch blasen.
Bei der Gelegenheit könnte man die Pastorin Käsmann dezent
darauf aufmerksam machen, dass der Rabbi zu seinen Aposteln sagte: Gehet
hinaus zu allen Völkern und prediget ihnen! Uns ist nicht bekannt,
dass er sie aufforderte, mit einem Phaeton auf Missionsreise zu fahren.
Auch das ist bigott. Auch das ist unehrlich. Auch das beschädigt
ein solches Amt!