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Zum 17. Juni

S. M. Druckepennig
“War das nun ein Arbeiteraufstand oder war es der Tag X, an dem faschistische Elemente mit Hilfe westlicher Agenten die Vernichtung des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden ins Werk zu setzen trachteten”, fragte mich am frühen Vormittag der Chefredakteur, als er in der Redaktion den Kalender auf den 17. Juni aktualisierte.
Nachdenklich zog ich Erich Loests „Durch die Erde ein Riss“ und Stefan Heyms „Collin“ aus dem Regal der Redaktionsbibliothek. Schwer ist es, diese Frage schlüssig zu beantworten. Aber mehr und mehr schält sich heraus, dass die hauptsächlich Verantwortlichen in Pankow saßen. Walter „Zicke“ Ulbricht und seine verbrecherische Stalinisten-Clique, die sich benahmen wie die von ihnen so verhassten Katholiken in der Frühzeit des katholischen Terrors. Sie lebten in ihrer kommunistischen Traumwelt und wollten den real existierenden Menschen partout in ein sozialistisches Phantom transmutieren. Das konnte nur schief gehen. Dass der Westen nicht untätig blieb, steht außer Frage. Der Rias aber und der Ochsenkopf hätten geifern können, was immer sie wollten – das ganze Gehetze wäre unfruchtbar geblieben, wenn die Pankower Regierung nicht die Steilvorlage geliefert hätte. Die Kommunisten hatten sich bereits in Spanien zur Zeit des Bürgerkrieges und in der Sowjetunion zur Zeit der Großen Säuberung genugsam und für alle Zeiten desavouiert – man munkelt, der kommunistische Geheimdienst hätte mehr Interbrigadisten auf dem Kerbholz als Francos Truppen und der sowjetische Kommunismus mehr Tote zu verantworten als der Weiße Terror, die Wehrmacht und die Sondereinsatzgruppen zusammen. Aus welcher Not der Kommunismus auch immer entstanden sein mag, wie er in den Anfangsjahren auch immer bedroht gewesen sein mag – er wandelte sich schon sehr bald zu einem System, das von kriminellen Verbrechern geführt wurde. Heyms Staatssicherheitschef Urack legt die wahren Intentionen im Collin sehr deutlich und ungeschminkt dar. Dieses System, dass in einer „Arbeiter- und Bauernmacht“ im Zuge der Kollektivierung Millionen Menschen der russischen Landbevölkerung dem Hungertod überantwortete und ganze Dörfer der DDR über Nacht leer fegte, das Vieh morgens im Stall blöken ließ, weil die Hofbesitzer über Nacht in den Westen abgehauen waren, mochte eine lichte Zukunft propagieren – die Gegenwart des 17. Juni 1953 war ein einziger Alptraum. Die hirnrissigen und verbrecherischen Schauprozesse dieser Zeit sprechen eine deutliche Sprache und stehen den Verfahren des Volksgerichtshofes in nichts, aber auch gar nichts nach. Hilde Benjamin und Roland Freisler – das war ein Holz! Und wie schon während der Revolution fraß auch die kommunistische Umwälzung ihre eigenen Kinder, Veteranen, Vorkämpfer, Idealisten. Für wie blöde hielten die roten Banditen ein ganzes Volk, dass sie nicht damit rechneten mit diesem historischen Maß geschätzt, gemessen und gewogen zu werden! Am 17. Juni platzte der Kessel und zeigte dem letzten Aufständischen, von welcher Kanaille sie sich hatten in den letzten acht Jahren kujonieren lassen. Austeilen konnten die Bolschewisten wacker, solange sie an der Macht waren. Als es aber ihnen galt, waren sie mit dem Einstecken nicht ganz so behende. Die meisten verkrochen sich feige hinter den anrollenden russischen Panzern, ohne die das verhasste Experiment bereits nach kurzer Zeit beendet gewesen wäre. Als sie wieder im Sattel saßen, die vollgeschissenen Hosen gewechselt, da nahmen sie furchtbare Rache. Ab diesem Zeitpunkt galt die Volkserhebung als faschistischer Putschversuch. Es ist mit den Roten wie mit den schon erwähnten Katholiken: Zieh ihnen die Zähne und die Krallen und sie werden zu einer in einer intakten Gesellschaft unverzichtbaren und wertvollen Bereicherung. Aber sieh zu, dass sie nie wieder Macht in die Hände bekommen. Der Blutzoll, den die Dogmatiker der Hirngespinste für sich einfordern, wäre wieder und wieder grauenvoll.

16. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
17.06.2010