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Sinnloses Opfer
Zur Demission des Brandenburger Pressesprechers Norbert Plaul

von Michael L. Hübner
Zum Ministerium für Staatssicherheit hatte der Landbote immer ein sehr gespanntes Verhältnis. Es lag sicher auch daran, dass der stellvertretende Chef des Landboten vor über einem Vierteljahrhundert unfreiwillig Gast dieser Einrichtung gewesen ist. Daß ein Staatswesen einen Sicherheitsapparat benötigt, steht außer Frage. Die Leute, die das Gemeinwesen führen, werden sich immer anderen Menschen gegenüber sehen, die das System verneinen. Sich dagegen zur Wehr zu setzen ist aus der Sicht der “Bedrohten” legitim. Denn – ob sie ein Rechts- oder ein Unrechtssystem vertreten, das entscheiden immer die anderen – und zwar hinterher. Natürlich haben die Sieger der Geschichte während ihrer Ära recht, wenn sie die Verlierer über die Planke gehen lassen. Recht hat, wer die Macht hat. Das ist völlig unabhängig von Ethos und Moral. Und so freuen auch wir uns mit einer gewissen Häme, wenn für uns mißliebige Mitbürger noch nach zwanzig Jahren von einer Vergangenheit eingeholt werden, die wir verachten.
Bei anderen aber nehmen wir uns die Freiheit heraus, nachdenklich zu reagieren. Zumal wenn deren Fall so völlig anders gelagert ist. Da gibt es in der Stadt Brandenburg seit Anfang des Jahres ein Personalkegeln ohne gleichen. Als es ein paar karrierefreudige, wendehalsige Genossen dahinraffte, grinsten wir launig – wir geben es zu. Als nun Norbert Plaul, langjähriger Pressesprecher der Stadt, seinen Hut nahm, gefror uns das Grinsen mitten im Gesicht. Nicht nur, dass für diesen versierten Fachmann kein Ersatz in Sicht ist – es traf unserer Meinung nach nicht den Richtigen. Der Mann hatte zu DDR-Zeiten Außenhandelskaufmann studiert und eine Arbeitsstelle an der deutschen Botschaft in Warschau angetreten. Von dort nun sandte er Berichte über den Zustand der polnischen Wirtschaft nach Hause. Das war's.
Menschenskind, jeder Dämlack weiß doch, dass in jeder Botschaft der Welt jeder Angehörige dieser Diplomatischen Vertretung, mit Ausnahme des Botschafters selbst, geheimdienstlich unterwegs ist. Verdammt noch mal, das ist seit Urzeiten so. Plaul hat, soweit es dem Landboten bekannt ist, nie seine Nachbarn angeschwärzt. Und er hat nach der Wende die Karten auf den Tisch gelegt oder legen müssen. Die Sache ist doch grundlegend anderes gelagert als bei denen Herren D. St. und Dr. Th. R. Zudem wurde Plaul überprüft und für harmlos befunden.
Hätte er nun gehen müssen? Arbeitsrechtlich gesehen sicherlich nicht. Hätte ihn die Oberbürgermeisterin halten können? Möglicherweise. Ihr Risiko aber wäre sicher nicht gering gewesen. Zu stark hatte die unbelastete CDU der Havelstadt in der letzten Zeit ins Horn gestoßen und auf die verspitzelten Genossen das Hallali geblasen. Jetzt schallt das Echo zurück und erwischt die, denen es am wenigsten zu wünschen war.
Die ekelhafteste Karte spielte wieder einmal BILD aus. Mit gewohnter Oberflächlichkeit, Dummheit und mit den einschlägigen Appellen an die niedrigsten menschlichen Instinkte fügte dieses Lumpenorgan der Stadt schweren Schaden zu tun, als sie eine völlig unsinnige Story um Plaul hochzukochen begann. Soll sie der Teufel holen!
Allerdings, was der Landbote sich heimlich wünschte, beginnt langsam Gestalt anzunehmen. Der politische Gegner von rot bis ultrarot tönt jetzt ins selbe Horn: Königin Dietlind – hol ihn zurück! Etwas Besseres kann der Stadtchefin gar nicht passieren. Die muss den Gegner unterschreiben lassen, sich noch ein bisschen zieren und dann den Norbert Plaul – wie gewünscht – zurückholen. Das wäre Politik auf hohem Niveau. Und der Applaus Brandenburgs kleinster Gazette wäre ihr sicher.
Den anderen aber, die sich maßlos echauffieren über die Geheimdiensttätigkeit mancher Karrieristen, denen sei ins Stammbuch geschrieben, dass sie schön dafür Sorge tragen sollen, dass inskünftig kein leitender Angestellter von Lidl oder dem Magenta Riesen eine öffentliche Position mehr ungeprüft bekleidet. Denn diese beiden Konzerne haben ja nun hinlänglich und öffentlichkeitswirksam nachgewiesen, dass es für die Ausübung von geheimdienstlicher und Spitzeltätigkeit keines Staatswesen mehr bedarf. Eine einfache Firma tut's auch. Schöne neue Welt!

16. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
20.02.2010