Die Synagoge in der Großen
Münzenstraße
meinem lieben Kollegen,
Herrn Scholcher Moischele Druckepennig und seinem Volke, den Töchtern
und Söhnen Davids gewidmet
HINWEIS: Auf entsprechende
Nachfrage erklären wir nachdrücklich, daß der nachfolgende
Text ausschließlich die Ansicht des Preußischen Landboten
reflektiert. Er ist weder von der jüdischen Gemeinde der Stadt
Brandenburg noch sonst einer jüdischen Organisation angeregt
worden, noch haben Ideen aus dieser Richtung die Abfassung des Artikels
in irgendeiner Richtung beeinflußt. Es ist ganz im Gegenteil
davon auszugehen, daß unsere jüdischen Nachbarn gegenwartsbezogen
ihre Situation konzilianter einschätzen, als wir dazu in der
Lage sind. Die alleinige Verantwortung für den nachfolgenden
Inhalt übenimmt der Schriftleiter des Preußischen Landboten.
Brandenburger Juden auf dem Weg in
die Vernichtung (am Nikolaiplatz)
B. St. Fjøllfross
„Gerechtigkeit führt
zum Leben, aber dem Bösen nachjagen führt zum Tode.“
So ist es den biblischen Sprüchen Salomos Kapitel 11 Vers 19
zu entnehmen. Das steht im Alten Testament, wenn Ihnen die Gliederung
der christlichen Bibel noch so weit geläufig ist. Also der Teil,
den die Juden und die Christen teilen.
Es ist der das Christentum, welches das Sinnbild von Kain und Abel
an jedem einzelnen Tage seines Seins wiederholte, desavouierendste
Teil seiner oft blutigen und mörderischen Geschichte, daß
die, die sich aus unerfindlichen Gründen Christen nannten, den
Juden über die Jahrhunderte hinweg mit fürchterlichen Pogromen,
Demütigungen, und Terror begegneten. Christen, denen der Reb
Joshua, (von ihnen Jesus Christus genannt) auf dem Berge gepredigt
hatte, sie mögen ihre Feinde lieben und sollten gar die linke
Backe hinhalten, wenn man ihnen rechts eine herunterhauen würde,
mordeten, schändeten, beraubten ihre jüdischen Nachbarn
und – legten mit diesem permanenten und völlig geistlosen
Urhaß den Grundstein für die Schoah, den Holocaust, das
schlimmste Verbrechen, das die Menschheit bis dahin kannte.
In der von den Nazis aus welchen Gründen auch immer so genannten
„Reichskristallnacht“ legte sich reichsweit der Schatten
des Verderbens schon auf die Täter. Zu neunzig Prozent feige
Lumpen und Strolche, die ihrer Schulden beim jüdischen Krämer
gerne billig ledig geworden wären, die ihrem Verbrechernaturell
einfach mal gerne und vor allem erlaubt freien Lauf ließen,
die sich hinterher, als der Krieg vorbei war, an nichts mehr erinnern
konnten, die steckten auch in Brandenburg an der Havel an jenem 9.
November 1938 die Synagoge an und schlugen den jüdischen Geschäften
die Fenster ein. Dr. Wilhelm Sievers, damaliger amtierender Oberbürgermeister,
etablierte sich zum hundsgemeinen Brandstifter und Oberlumpen. Was
für eine zweifelhafte Karriere für ein Brandenburger Stadtoberhaupt!
Und gleichwohl auf die Bürgermeistersessel der beiden Städte
Brandenburg schon einige traurige Gestalten gespült wurden, dieser
Abschaum war das Nonplusultra eines Schandmals Brandenburger Stadtverwaltung.
Die Herrn Karpzow und Rother werden sich im Grabe umgedreht haben.
Gleichwohl – wenn eine Stadtverwaltung Schulden macht, dann
macht sie die für die Stadt. Und die Kommune mag ihre Oberhäupter
abwählen oder nicht – die Schulden bleiben!
Wir wollen nicht behaupten, daß das deutsche Volk nicht bezahlt
hätte für seine gräßlichen Verbrechen gegen die
eigenen Mitmenschen. Die in endlosen Bombennächten zertrümmerten
deutschen Städte waren ein Wink göttlicher Gerechtigkeit,
ein Rachestrahl für Auschwitz, Majdanek, Sobibor und die ungezählten
anderen Verbrechen Deutscher an den Juden und den anderen „Untermenschen“.
Jeder Leser des Landboten weiß um die Heimatliebe dieser Gazette.
Jeder Leser weiß, wie sehr uns das Herz blutet im Angesicht
unserer verstümmelten Städte, die sich sechzig Jahre nach
Kriegsende noch nicht erholt haben.
Aber eine unter aktiver Mithilfe eines deutschen Oberbürgermeisters
niedergebrannte Synagoge brüllt nach einem vergeltenden Bombenhagel.
Nicht ungestraft darf ein solches Gaunerstück bleiben! Man kann
mit Herrn Jonas über den „Gottesbegriff nach Auschwitz“
disputieren. Oder man kann auf die deutschen Trümmerlandschaften
verweisen, auf das Elend der Vertriebenen, auf die Massenvergewaltigungen
deutscher Frauen durch die Rote Armee. Der Gott Abrahams, Isaaks und
Jakobs ist nicht der Gott, der sich den viehischen Mord an Seinen
schuldlosen Kindern, Seinem Volk gefallen ließe. Das merke sich
ein jeder, der sich fernerhin in dumpfen antisemitischen Trieben zu
suhlen gedenkt!
Trotz des fürchterlichen Blutzolls, den die Deutschen mit dem
Verlust des letzten Krieges zu bezahlen hatten – ihre Schuld
gegen ihre jüdischen Nachbarn ist nicht getilgt. Sie ist nicht
zu tilgen bis zum Verlöschen der Menschheit.
Was von der Brandenburger Synagoge blieb, ist eine Giebelwand und
eine Gedenktafel, deren Begriffsverwendung von der „Reichskristallnacht“
jedem Juden sauer aufstößt. Denn das ist ein Nazibegriff.
„Ach, Kristall… kristallklare Nacht…, wie romantisch…“
Nein! Wie perfide muß man eigentlich sein, das entsetzlichste
und reichsweit organisierte Pogrom an den Juden mit einem positiv
belegten Wort wie „Kristall“ in Verbindung zu bringen?
Das Grundstück, das einst das Gotteshaus der Brandenburger Juden
trug, ist Teil eines Schulhofes, auf dem nun Kinder lärmen und
Bälle in die Dachrinne des jüdischen Gemeindehauses schießen.
Schluß damit! Die Stadt Brandenburg schuldet ihrer jüdischen
Gemeinde eine Synagoge! Sie schuldet sie ihr, weil sie sie in den
Tagen der geistlosen Finsternis planvoll und deliberiert abgebrannt
hat. Das ist keine gnadenvolle Wiedergutmachung, die wir hier fordern
– das ist eine aus dem Verursacherprinzip und dem juristischen
Prinzip der Rechtsnachfolge resultierende Bringeschuld!
Erhebt von jedem Brandenburger Kopf zehn Jahre lang eine jährliche
Synagogalabgabe von € 5,- und stellt das Gebäude wieder
auf, daß Sievers und seine kriminellen Spießgesellen abfackeln
ließen! Im gleichen Atemzuge mag das Gemeindehaus der Juden
renoviert werden.
Das ist das Mindeste, was die Stadt ihren gemordeten und geschändeten,
beraubten und gequälten jüdischen Töchtern und Söhnen
schuldet.
Und bis sie diese Schuld nicht beglichen hat, soll ein riesiger Aufsteller
auf dem Bahnhofsvorplatz jedem Reisenden, jedem Ankommenden, jedem
Abfahrenden das Bild weisen, das die unglücklichen Juden zeigt,
wie sie auf dem Wege ins Wahrschauer Ghetto und in die Vernichtungslager
über den Nicolaiplatz und durch die Große Gartenstraße
zu ebenjenem Bahnhof getrieben wurden.
104 Mitglieder ist die jüdische Gemeinde zu Brandenburg stark.
Aus den Weiten Rußlands sind sie wieder zu uns gekommen. Mehrheitlich
keine reichen Leute. Sie können gerade mal zwei Euro im Monat
in die Gemeindekasse geben. Wie soll man auf diese Weise eine Synagoge
erbauen können, oder einen Rabbi bezahlen?
Es darf nicht sein, daß die Brandenburger Juden daran auch nur
einen Gedanken verschwenden müssen – denn das, was ihnen
durch Unrecht abgenommen wurde, ist ihnen mit Zins und Zinseszins
zu erstatten.
Wer sich dieser Forderung verweigert, der stellt sich außerhalb
jeder Rechtstaatlichkeit und verleiht den Verbrechen der Nazis ein
Kontinuum über den Tod der einstigen Henker hinaus.
Es ist nichts gewonnen, wenn man das Thema unter den Tisch kehrt,
nur weil einhundertundvier Juden die Lobby und damit die entsprechenden
Druckmittel fehlen. Das Kainsmal aber, der Schandfleck funkelt unter
jedem noch so dicken Mantel der Ignoranz hervor.
Brandenburg, du hast deinen Juden genug Leid zugefügt. Die Zeit
zum radikalen Umdenken mit greifbaren Konsequenzen ist gekommen –
Handle! Jetzt!
Der Preußische
Landbote wird die Synagoge in der Großen Münzenstraße
seiner Rubrik „Verschwundene
Schätze der Stadt Brandenburg“ zugesellen und gibt
seiner Hoffnung Ausdruck, sie bald in eine Rubrik „Zurückgewonnene
Schätze der Stadt Brandenburg“ überstellen zu dürfen.
wie oben
Ermordete Schwestern
und Brüder der jüdischen Gemeinde zu Brandenburg an der
Havel!
Der Preußische Landbote spricht den Kaddisch für Eure Seelen.