Teurer Mobilfunk
Don Miquele Barbagrigia
Können Sie sich noch an
die Versteigerung der UMTS-Frequenzen erinnern, die vor gut zwei Jahren
Hans Eichels Finanzminister-Herz höher schlagen ließ? Das
war was! Für einen immateriellen Wert, das staatliche Recht an
Frequenzen elektromagnetischer Wellen über seinem Hoheitsgebiet,
für die kein Mensch je einen Finger krumm gemacht hat, zahlten
einige Mobilfirmkonsortien plötzlich Milliarden und Abermilliarden
in den maroden Staatshaushalt. Man konnte nicht eben von einer Sanierung
sprechen. Zumindest der Zinsendienst hatte eine Weile Ruhe.
Wofür aber zahlten die großen Mobilfunkbetreiber? Wie sagten
es schon: Für Frequenzen, über die sie ihren neuen Dienst
UMTS anzubieten trachteten. UMTS bedeutet „Universal Mobile
Telecommunications System“ und benutzt Frequenzbandbreiten zwischen
1,92 – 1,98 und 2,11 – 2,17 GHz. Bei diesen Frequenzen
lassen sich Übertragungsgeschwindigkeiten von 384 kbit/s erzielen.
Das wird Ihnen jetzt eventuell nicht viel sagen. Doch hinter diesem
Wert steckt die Möglichkeit, zum Beispiel Fernseh- oder Videobilder
im Mobiltelephonformat empfangen oder versenden zu können. Genau
das hatten die Steigernden von damals im Sinne! Das war das Milliardengeschäft,
das sie witterten, wo sie zu den Pionieren der Ersten Stunde zählen
wollten, wo sie nicht den rechtzeitigen Einstieg verpassen wollten,
wo sie sich um Kopf und Kragen steigerten.
Entgegen allen Behauptungen der Mobilfunkbetreiber: Sie haben sich
allesamt auf die Schnauze gelegt. Das UMTS-Geschäft wurde zum
Milliardengrab! Vorerst jedenfalls.
Die Leute wollten quatschen, „simsen“ und spielen, weil
sie mit ihren nervösen Fingern nichts Besseres anzufangen wissen.
Wie sonst ließe sich ihre Langeweile bekämpfen, wenn ihnen
im Tagesrhythmus Wartezeiten aufgedrängt werden: an der Bushaltestelle,
im Zug, im Cafe, wenn das Rendezvous sich verspätet?
Tja, die Milliarden waren futsch. Aber wie sollte man sie wieder reinbekommen.
Natürlich hätte Fernsehen oder Surfen via Telephon seinen
Preis gehabt. Aber das wollte ja keiner. Pech gehabt!
Pech gehabt? Ah, geh! Soviel Pech kann ein Mobilfunkkonsortium gar
nicht haben, daß es ernsthaft in eine Schieflage geriete.
Denn die Mobilfunkbetreiber haben in der menschlichen Seele eine unerschöpfliche
Goldader aufgetan, die zur Zeit der Menschwerdung des Affen in der
Savanne angelegt wurde. Das urtümliche Rudelbedürfnis, das
Gefühl erreichbar sein zu müssen und die anderen ständig
erreichen zu können, das Gefühl pausenlos quatschen zu können,
weil das eben der Kitt ist, der ein Affenrudel zusammenkleistert.
Noch vor fünfzehn Jahren, war ein „Handy“ ein Statussymbol.
Die Leute standen vor Telephonzellen Schlange oder schrieben sich
Briefe.
In dem aberwitzig kurzen Zeitraum von anderthalb Jahrzehnten ist es
den Konsortien gelungen, die Leute unlösbar an die Institution
„Handy“ zu ketten. Die Durchseuchung wird jenseits der
neunzig Prozent-Marke liegen. Oder kennen Sie noch jemanden, der nicht
so ein Gerät mit sich umherschleppt? (Ich ja, aber ich verrate
die Dame nicht – sie ist eine sehr kluge, schöne und beneidenswerte
Freundin…)
Das Volk hängt am Tropf der Mobilfunkanbieter und ist ihnen auf
Gedeih und Verderb ausgeliefert. Nehmt dem gemeinen Mann, der gemeinen
Frau das „Handy“ weg und ihr habt eine Revolte, die das
System stürzt! Psychosen würden blühen wie die Schneeglöckchen
im Frühjahr. Und das wissen die Anbieter.
Hier setzen sie an, um das verlorene Geld wieder reinzuholen. In unüberschaubaren
Tarifmodellen offerieren ihre Werbestrategen großzügige
Angebote mit soundsoviel Freiminuten und die Verbraucher-Trottel glauben
allen Ernstes, während dieser „Freiminuten“ umsonst
telephonieren zu können.
Natürlich blechen die armen Blödiane: legendäre Grundgebühren
von 20, 35 gar 50 Euro – das sind 40, 70, 100 Mark in der alten
Währung, Monat für Monat, nur damit ich einen Vertrag habe.
Und dafür darf ich dann fünfzig, oder hundert oder 500 Minuten
quatschen, ohne daß es noch mal teurer wird! Doll was? Was sind
den um Gottes Willen fünfzig Minuten im Monat? Knapp anderthalb
Minuten am Tag. So sieht’s aus! Anderthalb Minuten! Hallo! Michel!
Aufwachen! Ein Alptraum hat soeben begonnen.
Wenn man dieses Kontingent abtelephoniert hat, dann gingen im Schnitt
35 Cent pro Minute über den Ladentisch, bei den 50-Euro-Kandidaten
sind es gar nur 10! Leute, das sind zwanzig Pfennige alter Währung!
Kommt die Botschaft irgendwo an?
Was nach den Freiminuten kommt, das wird dann richtig lausig: 50 Cent
pro angefangene Minute! Eine Deutsche Mark für jede versabbelte,
gottverdammte Minute!
Und die Leute akzeptieren klaglos. Keinem scheint aufzufallen, daß
sie sich vorher bei Grundgebühren von 4,50 Euro über Minutentarife
von drei Cent unterhalten haben. Na gut, manchmal waren es acht oder
neun. Aber es war zu verkraften.
Die Haifische haben die kleinen Riffbewohner angefüttert, die
kamen in Scharen und jetzt beginnt das große Fressen!
Anderthalb Jahrzehnte haben gereicht, Abhängigkeiten, die an
Suchtverhalten gemahnen, zu etablieren. Und jetzt nutzt man genau
diese Abhängigkeiten, um die verzockten Gelder wieder hereinzuschaufeln.
Eine gute Nachricht für alle Konquistadoren: El Dorado, das sagenhafte
Goldland ist entdeckt. Zugegeben – nicht im südamerikanischen
Dschungel, sondern in der kommunikationssüchtigen Seele des Nackten
Affen. Aber der Effekt ist gigantisch!
Wo die Leute am Dümmsten sind, da sind sie am besten zu melken!
Wir fürchten nur den Bumerang-Effekt! Nicht etwa, daß der
eventuell zu erwartende rege Gebrauch der UMTS-Möglichkeiten
dazu führt, daß sich die Akku-Lebenszeiten entscheidend
verringern und die Leute trotz der an sich schon hohen Telephonkosten
alle Nase lang neue Geräte anschaffen müssen. Die Telephonhersteller
wird’s freuen.
Was wir fürchten, ist der Rückschlag, der sich ergibt, weil
die Leute sich nicht mehr mit der Welt beschäftigen, in der sie
leben, sondern mit ihren elektronischen Spielzeugen. Mobiltelephone
laufen in den Eisenbahnabteilen schon mal den Dildos der Beate Uhse
den Rang ab, weil sie im Gegensatz zu Letzteren in aller Öffentlichkeit
benutzt werden können. Sicher nicht auf die gleiche Art und Weise,
aber das Ziel ist doch dasselbe – Befriedigung eines elementaren
Bedürfnisses. Einem Säugling steckt man einen Schnuller
in den Mund, um ihn vom Quäken abzubringen – größeren
Kindern von sechs bis sechzig drückt man eben ein Mobiltelephon
in die Hand. Und schon sind sie selig!
Sie werden jetzt sicher sagen: Ja, da schwadronieren sie wieder, die
Ladboten – nutzen die denn keinen Mobilfunk? Doch, machen wir.
Auch wir sind gezwungen, diesen Irrsinn mitzumachen. Wir können
die Dinge nicht ändern, nur darüber schreiben.
Aber wir halten uns an den Spruch der alten Telephonhäuschen:
FASSE DICH KURZ!