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Die Garnisonskirche zu Potsdam

B. St. Fjøllfross
Die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ eröffnen unter dem Datum des 13. Januar 2004 mit der Schlagzeile: "Aufbau der Garnisonkirche bis 2010"!
Dieser Artikel weckt unser Interesse und schnell wechseln 70 Cent auf die andere Seite des Kiosktresens. Das klingt ja, als wäre alles in trockenen Tüchern und die vielleicht preußischste aller Kirchen würde wieder auferstehen wie der Vogel Phönix. Leider verspricht die Schlagzeile wieder einmal mehr, als sie bei näherem Besehen hält.
Es dürfte bekannt sein, daß auch dieses Bauwerk als „Sinnbild einer reaktionären Epoche“ dem Verdienten Sprengmeister des Volkes, Genossen Walter Ulbricht, zum Opfer fiel. Das gleiche Schicksal erlitten das Berliner -, wie auch das Potsdamer Stadtschloß. Das Brandenburger Neustädtische Rathaus, das Kurfürstenhaus in derselben Stadt, die Leipziger Paulinerkirche – sie alle verkörperten die Kultur der historischen Verlierer der Schlacht um das Wohl der Menschheit. Und den neuen Machthabern waren diese Relikte im Weg. Wo Bomber-Harris nur halbe Arbeit verrichtet hatte, vollendeten die Spreng- und Abräumkommandos der Kommunisten das Werk der Zerstörung. Was man mangels Kapazität oder unverschämt gutem Erhaltungszustand stehen ließ, wurde nicht selten dem Zahn der Zeit anheimgegeben. Über Jahrzehnte hinweg verfiel, was nicht hätte verfallen müssen. Zugegeben, die Kommunisten hatten erst einmal andere Sorgen. Und wir wollen ihnen nicht absprechen, daß ein arbeitender Mensch mit einem Dach über dem Kopf und satt zu essen eine gesunde Priorität vor dem Erhalt eines historischen Bauwerkes darstellt. Jedoch den Kulturleistungen ihrer Mütter und Väter Symbolcharakter zu verleihen um sie hernach planvoll aus dem Weg und dem Gedächtnis der Menschen zu räumen, das war eine von Dummheit zeugende Büberei!
Nun aber soll peu a peu das Geschehene korrigiert werden und wir verfolgen mit großem Interesse die verschiedenen Aspekte der Diskussion.
Unser preußisches Herz schlägt mächtig für den Wiederaufbau dieses Gotteshauses und wir finden das leidige Gezänk um eventuelle Lesbenehen oder Kirchenasyl abstoßend und unwürdig. Wir begrüßen Herrn von Boddiens Anstrengungen um das Berliner Stadtschloß, freuen uns des Fortunaportals zu Potsdam und hoffen auf eine Rückkehr des dortigen Stadtschlosses.
Das dämliche Gerede um den angeblichen „Zombiecharakter“ solcher Nachbauten ist lächerlich. Warschau, Danzig und Dresden höhnen dieses Gefasels. Weitaus unerträglicher sind die Bauten aus Glas und Beton, die später oftmals den Platz der verschwundenen Kostbarkeiten einnahmen. Und wer wollte sich noch ernsthaft gegen die Wiederaufrichtung der Dresdner Frauenkirche aussprechen?
Solche Blickfänger sind nicht nur Touristenattraktionen, wenn einer meint es hänge alles, alles am Mammon. Sie sind in erster Linie Identifikationspunkte für die ortsansässige Bevölkerung. Diese These erscheint zu gewagt? Na dann mal frisch drauflos! Vergleichen Sie aus dem Bauch heraus Köln (Dom), Ulm (Münster), Regensburg (Steinerne Brücke) auf der einen Seite und Berlin Marzahn, Potsdam Schlaatz oder Rostock Lüttenklein auf der anderen Seite! Wenn jetzt noch jemand etwas von Kiezkultur stottern sollte, dann wollen wir des Pfeifens des Kindes im dunklen Walde gedenken und den Menschen getrost in seine Neubauhöhle ziehen lassen.
Diese zentralen Bauwerke sind oftmals markante Treffpunkte von vielen Menschen. Im Schatten der Dome und Schlösser und Bürgerhäuser erblühen oft Handel, Gastronomie und Gewerbe. Sie vermitteln etwas Anheimelndes. Und das Wort „anheimeln“ teilt sich nicht zufällig den Wortstamm mit „Heimat“ oder „Heim“. Wo er zuhause ist, wird sich der nicht-asoziale Mensch im Allgemeinen weitaus mehr in und für sein Umfeld engagieren, als in einer als drückend und fremd empfundenen Umgebung. Jeder, der im Geiste eine verwahrloste Vorstadtsiedlung bestehend aus Mietskasernen der Gründerzeit oder ein Neubau –„Ghetto“ mit einer gepflegten Ein-Familien-Haus-Siedlung vergleicht, wird wissen, wovon wir reden: Gepflegte Vorgärten statt Graffitis und eingeworfener Telephonzellenscheiben.
Das gilt natürlich auch und insbesondere für Städte, die ein natürlich gewachsenes Herz besitzen, das ihnen im letzten Kriege und der Nachkriegszeit herausgebombt wurde.
Hoyerswerda, Berlin-Marzahn und –Hellersdorf, Stalinstadt und Halle-Neustadt sind die besten Beispiele für großflächig verplante, auf funktionelle Überlegungen ausgerichtete Architektur. Alleine die Nennung dieser Namen müßte die Entscheidung zum Wiederaufbau verlorener Bauwerke von Format hinreichend befördern.
Krisenzeiten und knappe Kassen dürfen nicht als Hinderungsgrund genannt werden! Das hieße, die von den Kommunisten gemachten Fehler wiederholen. Nein, in solch historische Substanz zu investieren heißt in die Zukunft investieren. Quellen des Wohlfühlens, der Identifikation und der Geldeinnahmen werden erschlossen. Man besehe sich die Vorgaben, die von Hildesheim, Erfurt und Rothenburg ob der Tauber geschaffen wurden.
Die Sachsen haben diese Gedanken in ihrer Landeshauptstadt schon umgesetzt. Dresden erhält seinen Canaletto-Blick zurück. Die Dresdner und ihre Gäste werden es würdigen! Industrie und Kunst werden wieder mit Stolz auf ihre Niederlassungen in der wiedergeborenen Stadt von europäischem Rang verweisen respektive sich um solche bemühen. Da sind wir ganz sicher. Dresden hat das Zeug dazu, München wieder den Rang abzulaufen und zu zeigen, wo der Hammer hängt. Auch ohne U-Bahn! Währenddessen wird auf der preußischen Achse Berlin-Potsdam-Brandenburg/Havel gelabert, geschachert, gezankt und gestritten und nichts geht vorwärts. Bedenken über Bedenken. So schnell schießen die Preußen nicht!
Schießen sie doch! Zeigen wir doch endlich einmal, wer wir sind und daß man mit uns noch zu rechnen hat! Sind denn unsere kernige Energie, unsere Verbissenheit und unser Kampfesmut ins All entschwunden? Haben die, die viel zu lange unseren Namen „Preußen“ mißbrauchten, uns das Rückgrat gebrochen? Uns mürbe gemacht? Der „Tag von Potsdam“ war ein Tag des Verbrechens – gar keine Frage. Aber es sollen weder die recht behalten, die ihn ausgerichtet haben, noch die, die ihn vergessen zu machen suchten, indem sie uns unserer Kulturschätze beraubten.
Wir können den unseligsten Teil unserer Geschichte im tiefsten Salzstock unter der Erde einmotten, wenn wir unter anderem unseren Städten ihr vertrautes, weltbekanntes und schönes Gesicht zurückgeben, wenn sich unsere Kirchen und Synagogen, Schlösser und Bürgerhäuser wieder erheben und die Werte in Stein ausdrücken, denen zu leben sich unsere Altvorderen viele Generationen lang verpflichtet fühlten und die – davon sind wir überzeugt – einen ähnlichen Effekt auch auf die Nachkommenden erzielen werden. Seelenlose Flächenfüller in Beton und Glas sind auch Narben, die unablässig an erfahrenes Leid gemahnen!
Es geht nicht um verkitschte und verklärte, bühnenhafte Aufbereitung einer Vergangenheit, die es so sicherlich nie gab. Es geht darum, daß solche Monumente, die in den Herzen der Menschen wurzeln, ein Gefühl zu erzeugen in der Lage sind, das in etwa so lauten könnte: Wo die Spitze dieses Kirchturmes am Horizont erscheint, da bin ich zu Hause. Da gehöre ich hin. Dieses Schloß, diese Straße, dieser Stadtgraben gehören zu mir und ich gehöre zu ihnen. Wirtschaftskrise hin oder her. Hier bleiben wir und hier packen wir’s an. Denn das hier ist unser!
Niemand wird ernsthaft versuchen wollen, die schreckliche Vergangenheit ungeschehen zu machen, indem er so tut, als wären die zerbombten Gebäude nie weggewesen. Wo aber könnte sich der Wille zum Neuanfang und Wiederaufbau deutlicher manifestieren, als wenn man die Zerstörung umkehrt, Neues mit Altem verbindet und Funktionalität mit tradierten Werten und der Erinnerung.
Was über Jahrhunderte Gewachsenes vermag oder, wenn es fehlt, anrichten kann, wir sehen es am Beispiel der Amerikaner. Ihnen fehlt im Großen und Ganzen die Substanz. Sie haben sich einen Ersatz geschaffen – den Dollar. Etwas, das genauso wenig Seele hat, wie die, die ihn umtaumeln. Um kulturell zu bestehen, müssen sie permanent etwas von alten Kulturnationen entleihen. Etwas, was sie nie richtig besitzen werden und was ihnen ewig als Defizit nachhängt. Uns aber nicht. Wir besitzen es, wir haben es ererbt. Ein glückliche Fügung, die man nicht verstreichen lassen darf! Goethe – ein anderes Monument unserer Kulturgeschichte – lehrte uns: Was von Deinen Vätern du ererbt, erwirb es, um es zu besitzen. Genau das ist die Forderung an uns in dieser Zeit! Und hol’s der Teufel: Es wird uns profitieren, es wird Früchte bringen in jeder Hinsicht! Wer’s nicht glaubt, der mag die Ratsherren des obgemeldeten Rothenburg befragen.

2. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004