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Deutscher Nationalstolz

B. St. Fjøllfross
Da ziehen sie hin, die strammen, martialischen Horden, stolz verkündend, daß sie Deutsche seien.
Welch ein Bild des Jammers! Aber eines gefährlichen Jammers. Eines Jammers, der sich blitzartig in sinnlose und brutalste Gewalt verwandeln kann. Denn hier geht’s um ihr allerheiligstes: Um ihren Nationalstolz.
Also eigentlich um nichts. Denn das ist ja das Schlimme an der Geschichte. Ginge es um etwas, die Verfechter dieser kruden Idee hätten eine ernstzunehmende Grundlage des Gedankenaustausches, der ideellen Auseinandersetzung. Aber hier ist nichts. Was schon aus dem Wort "Nationalstolz" selbst erhellt.
Denn worauf kann man stolz sein? In aller erster Linie auf Eigenes. Und dann kommt erst einmal eine ganze Weile gar nichts. Man kann stolz sein, wenn die Tochter eine Segelregatta gewonnen hat, die Ehefrau Selbstgetöpfertes auf dem Markt zu einem guten Preise losgeschlagen hat oder Abteilungsleiterin geworden ist, das gemalte Bild des Sohnes im Schulfoyer ausgestellt wurde. An all diesen Dingen ist man doch irgendwie beteiligt. Aber schon wenn der Großvater ein guter Bankier gewesen ist, die Großmutter nach dem Krieg den Hof und die drei Kinder alleine durchgebracht hat, schon dann wird’s dünne mit dem Stolz. Natürlich würde in jedem von uns ein Gefühl des Stolzes mitschwingen, wenn wir anderen sagen können: „Ja, so ein Mann war mein Großvater, diese Frau war meine Großmutter!“ Aber jetzt kommt der einzige, wenngleich alles entscheidende Haken: Eine Berechtigung zu diesem Stolz erwüchse uns ausschließlich aus der Gewißheit, daß dieser Großvater, diese Großmutter in gleichem Maße auf uns stolz sein könnten.
Wenn wir also durch unser Leben die Taten der Altvorderen, der Nachbarn, der anderen auf ein Ehrenplatz Gestellten, rechtfertigen, fortsetzen oder zumindest nicht entehren würden! Und nur darum geht es. Nur darum!
Auf ein Land stolz sein? Auf grüne Hügel? Auf Flüsse oder Seen? Dunkle Wälder oder weite Steppen? Blödsinn! Man kann froh und dankbar sein, in einem solch schönen Land leben zu dürfen. Man kann sich dafür stark machen, daß diese Schönheit auch anderen zugänglich und den nachfolgenden Generationen erhalten wird. Aber stolz kann man gewiß nicht auf einen Landstrich sein – es sei denn, man hätte ihn einem Landschaftsgärtner gleich, selbst gestaltet. Das wäre ja so, als wäre der Floh stolz auf den Hund, in dessen Pelz er es sich wohl sein läßt. Die Albernheit, die dem Sinn des Vergleichs innewohnt, ist für jeden klarsichtigen Menschen auf den ersten Blick erkennbar. Wenn es aber um geheiligte Dinge geht, wie Symbole und Fahnen, Nationen und ihre Hymnen, dann verläßt die meisten Menschen ihr gesunder Verstand. Der Blick wird glasig und das Herz beginnt zu klopfen. Und der, der sich in der Nähe einer solchen Versammlung dieses komischen Momentes bewußt wird und lauthals anfängt zu lachen, lebt gefährlich. Ein Balancierstück auf einer Hochspannungsleitung böte mit Sicherheit weniger Risiken.
Denn hier wird der Zusammenhalt des Rudels beschworen. Wir sind Nackte Affen, und Nackte Affen sind Rudeltiere. Verlustängste greifen nach uns mit langen Armen. Sie verunsichern. Deshalb sehnen wir uns nach der Geborgenheit und dem Schutz des Rudels. Dort fühlen wir uns stark und unangreifbar. Dort sind wir wer! Werden gebraucht um durch unsere Präsenz anderen das selbe Gefühl zu vermitteln. Aber das alles sind vegetative Vorgänge. Das hat nichts zu tun mit Selbstgedachtem oder Selbstgeschaffenem.
Die am lautesten in einer solchen Horde grölen, sind meist die ärmsten Teufel. Sie haben nun wirklich nichts anderes mehr, auf das sie zu Recht stolz sein könnten. Und das spüren sie. Daher dieser nationale Popanz, um den sie eifrig herumtanzen.
Und es ist so viel verletzte Eitelkeit in ihrem Gebrüll. Auch sie haben schließlich ihre Träume und Wünsche von einem angenehmen Leben. Und es wird ihnen vorenthalten. Weil sie nichts weiter dafür zu tun gewillt sind als sich zusammenzurotten, zu besaufen und brüllend durch die Straßen zu wälzen. Jedem Vernichtung verheißend, der sich ihnen in den Weg stellt.
Hat der charmante Neger da gerade der Frau zugelächelt, die sie selbst so innig verehren und an ihre Seite wünschen? In deren Händen sie zahm zu werden gewillt wären. Für die sie alles täten, schon um dieses einen Lächelns willen, mit dem sie jetzt auf den Blick des Negers reagiert. Da kommt einem doch die Galle hoch! Was lächelt die Schlampe dem Bimbo zu! Was hat dieser schwarze Urwaldaffe ihr zu bieten? Seinen 20cm langen, mit dem die Bimbos so gerne rumprahlen? Nein, er hat Abitur und Jura studiert. Macht Handelsverträge für sein Land und sieht in seinem feinen Zwirn verdammt gut aus! Er hat sich über seinen Büchern abgerackert und vor den Prüfungen geschwitzt, als die stolzen Nationalen in ihren Kneipen ihr nationales Elend ersäuft haben. Er hat gearbeitet, und da ist etwas dabei herausgekommen. Unter anderem eine Persönlichkeit! Und das spürt die blonde Fee dort, die Loreley, die sich jetzt zu allem Unglück auch noch auf ein Gespräch mit ihm einläßt.
Ja, dieser Neger hat etwas zu bieten. Nicht nur der blonden Schönheit, deren IQ auch etwas höher zu sein scheint, nein, sogar seinem Land. Und es ist unwahrscheinlich, daß dieser Neger – vor siebzig Jahren war’s der Jude – auf die Straße rennt und schreit: Ich bin stolz ein Neger/ Jude zu sein. Angola den Angolanern, etc.
Einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen unserem Parade - Schwarzen und unseren Nationalstolzen ist, das Ersterer vornehmlich in der Gegenwart lebt, die Vergangenheit kennt und für sich nutzt und daher die Zukunft ganz gut einzuschätzen vermag. Der Nationalstolze hingegen, wenn er denn durch ein historisches Mißgeschick die glorreichen Zeiten verpaßt hat, spinnt vorwiegend in einer Vergangenheit, die es so sicher nie gegeben hat. Die Gegenwart versäuft, verbrüllt, vermarschiert er. Und die Zukunft erträumt er sich in der Weise, daß, wenn er dem Bimbo mit Faust und Knüppel endlich wieder gezeigt hat, wo er hingehört, er dann einem weißen Baumwollfarmer aus Louisiana gleich im Lehnstuhl sitzt, die für ihn schuftenden Bimbos beobachtet, wenn ihm irgendein völlig geistloses Computer-Baller-Spiel die Zeit dafür läßt. Natürlich muß ihm der Schwarze nun die geistigen Getränke zureichen, die er sich vorher selbst holen mußte, während im Schlafzimmer nebenan ein halbes Dutzend halb- oder ganz nackter schwarzer Frauen sich räkelnd darauf warten, endlich den weißen Massa befriedigen zu dürfen. O, Paradies des Herrenmenschen! Des Bestimmers über Leben und Tod anderer.
Was dabei herauskommt, wenn die Blütenträume solcher armseligen Zukurzgekommenen reifen, haben wir in der Zeit des Dritten Reiches ausgiebig studieren dürfen. Eine menschliche Katastrophe ungeahnten Ausmaßes überrollte die Welt.
Nun mag mancher einwenden: “Ja, es gibt ja auch einen gesunden Nationalstolz, der sich von diesem überzogenen Hurra-Patriotismus unterscheidet.“ Nein, gibt es nicht! Heimatverbundenheit – ja! Patriotismus – nein! Das gab es, als die Perser Hellas bedrohten und Leonidas mit seinen Mannen den Paß bei den Thermopylen bewachte. Das gibt es, wenn jemand dich und die Deinen vertreiben will vom angestammten Wohnsitz. Aber selbst in diesen Ausnahmesituationen ist Vorsicht im Umgang mit diesem Gefühl angebracht. Oder hat man schon die Greuel vergessen, die von serbischen und kroatischen Nationalisten während des Jugoslawien-Krieges nach dem Tode Marschall Titos im Namen des Nationalstolz und der ethischen Geschlossenheit verübt wurden? Hutu gegen Tutsi in Ruanda. Basken gegen Spanier, Engländer gegen Nordiren in den Ulster-Provinzen, Yankees gegen den Rest der Welt. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.
Weil die Grenze zwischen Selbstverteidigung und Angriff allzu schwammig ist. Wer überlebt, schreibt sie im Nachhinein fest – und das sicher nicht zu seinen Ungunsten.
Ich sag’s noch einmal, Heimatverbundenheit - ja, Nationalstolz – nein!
Ich bin nicht stolz darauf, daß der Weltenlenker mir die Möglichkeit gab, ein Preuße zu werden, ich bin froh darüber und dankbar. Und bin mir bewußt, daß der Neger neben mir einen genauso guten wenn nicht besseren Preußen abgeben kann.
Der selbe Schöpfer hat es mir erlaubt, im bezaubernden Havelgebiet zu wohnen. Inmitten vieler Seen und großer Wälder. An Schönheit kaum zu überbieten. Jetzt, im Herbst, ein einziges Gemälde! Aber es gehört mir nicht. Selbst wenn ich im Katasteramt als Besitzer eingetragen wäre. Es gehört mir sowenig, wie ein Bild in der Nationalgalerie. Wie lange ich es nutzen darf, bleibt der Entscheidung Gottes vorbehalten. Gewiß nicht für die Dauer meines kurzen Lebens oder gar der Ewigkeit. Mit einem Gefühl des Stolzes würde ich diese Zeit verschwenden, die ich besser dafür aufwende, die Schönheit in mich aufzunehmen und mich an ihr zu erfreuen. Und sie anderen mitzuteilen. Und sie zu bewahren.
Wenn der Neger seine Heimat ebenso empfindet, oder sich von der meinigen begeistern läßt, was spricht dagegen?
Daß er mir meinen Arbeitsplatz, meine Wohnung, „meine“ Frau wegnimmt, wie das landläufige Geschwafel so geht? Wenn er das tut, dann wird er wohl besser gewesen sein. Ist es also der ehrliche Wettbewerb, den die Nationalstolzen fürchten, weil sie um ihre Schwächen sehr wohl wissen? Sollen davor Grenzen schützen, die vom Nackten Affen durch Landstriche gezogen werden?
Daß der moderne Nackte Affe für ein solches Verhalten nicht viel kann, da solche Territorialkämpfe der gesamten Fauna und Flora immanent sind, soll hier nicht in Abrede gestellt werden. Es gilt nur, die Wurzeln dieses Gefühls mit dem Verstand zu erfassen. Auf daß seine Folgen für die Menschheit weniger bedrohlich werden. Davon würden letztendlich alle profitieren.

2. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003