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Der Herr Bundeskanzler, die Reise
und die Bild-Zeitung
B. St. Fjøllfross
Der Herr Bundeskanzler Schröder
hat also die „Bild-Zeitungsleute“ nicht mit auf Reisen genommen.
Pfui, Herr Schriftleiter, so rufen die Kollegen laut: Schadenfreude ist
keine preußische Tugend!
Nun ja, zugegeben, – aber sachte! Immerhin lag meine Wiege an den
Ufern der abgrundtiefen Fjorde Norwegens. Genau wie die unserer Trolle.
Also, ein bißchen was von denen kreist auch in meinem Blute. Und
schon sitzt mein „Innerer Troll“ am Schreibtisch und die Feder
gleitet fast von selbst übers Papier; ohne Kratzen, ohne Schaben,
ohne Klecksen, wie von Zauberhand geführt…
Ja, also, da kam uns zu Ohren, daß der Herr Bundeskanzler letzthin
den Angestellten der „Bild – Zeitung“ (Sie kennen unser
Verhältnis zu diesem Blatt und werden verstehen, warum wir uns an
dieser Stelle den Begriffen „Journalisten“ oder „Kollegen“
verschließen) verweigerte, mit ihm auf Reisen zu gehen. Bravo! Hut
ab! Das nennen wir in höchstem Maße couragiert!
Bei „Bild“ hingegen herrschte eine explosive Stimmung! Das
sei ein Eingriff in die journalistische Freiheit, tönte es aus dem
Hause Springer.
Großer Gott, das war ja wie beim Karneval! Stellen Sie sich das
mal vor: „Bild“ in der Bütt. Die Tröten und ausrollbaren
Pappnasen, Konfettiregen und Funkenmariechen begleiten die Pointe! Großes
Gelächter. Es lebe die „Bild“, das Leitorgan der großen
Satireblätter Deutschlands! Freunde vom „Eulenspiegel –
erblaßt! Meine Damen und Herren von der „Titanic“ –
verhüllt euer Haupt! Denn hier habt ihr euren Meister gefunden.
Doch laßt uns ernst reden! Denn die Sache entbehrt zwar nicht einer
gewissen Komik – ist in ihrem Kern jedoch sehr brisant. Dahinter
steht nämlich die ungeheure Anmaßung der „Bild –
Zeitung“, die sich in ihrem Wahn wirklich als das Leitorgan der
Bundesrepublik Deutschland begreift. Am Ende gar als deren Stimme. So
eine Art Pendant zum „Neuen Deutschland“ der D.D.R. oder…,
na ja, lassen wir das. Das würde zu weit führen. (Aber in die
richtige Richtung!)
Woher nun bezieht diese Gazette diesen Größenwahn. Ich sag’s
Ihnen: aus ihren Verkaufszahlen. Und aus der daraus erwachsenen Macht.
Denn sie glaubt, Stimme des Volkes zu sein. Zumindest diese zu repräsentieren.
Mag sein, daß die „Bild – Zeitung“ perfekt auf
die Bedürfnisse der Mehrheit des deutschen Volkes zugeschnitten ist
und daher ihre hohen Umsätze verzeichnet. Mag sein, daß sie
in der Geschichte der Bundesrepublik schon so manchen Skandal ans Licht
gebracht hat, über den die Frankfurter Allgemeine oder die Süddeutsche
verschämt und diskret hinweggegangen wären. Mag sein, daß
sie so manchen Burschen beim Genick gepackt und aus dem Amt befördert
hat, so er es denn nachweislich mißbrauchte.
Aber all dem steht die dreimal verfluchte Oberflächlichkeit gegenüber,
die das Grundgerüst, das Strickmuster dieser Königin der Boulevardpresse
bildet.
Diese oft verdrehte und verzerrte, bewußt ungenaue und nur auf die
Sensationsgier primitiver Seelen zugeschnittene Aufmachung. Diese Bedürfnisbefriedigung
der gemeinen Menschen, die gern beim Nachbarn durchs Schlüsselloch
schauen. Das Ausweiden privater Probleme „prominenter“ Leute.
Mit nackten weiblichen Formen als Blickfänger, an denen die Augen
sexuell unterversorgter Männerkörper kleben bleiben sollen,
wie die Insekten am Fliegenfänger des Kronleuchters.
Schlagzeilen, grell und „knallig“. Und diese Zeilen schlagen
wirklich. Sie schlagen zu! Sie berichten nicht sachlich oder gar neutral.
Oftmals stehen wie verloren wirkende Fragezeichen hinter diesen „Schlagzeilen“.
Sie dienen als Alibi hinter einer durchaus als Aussage gemeinten Hetzparole.
War dieser Mann der Mörder???? Na klar war er es! Hat diese Frau
ihr Amt mißbraucht? Na, was denkt ihr denn! Es lebe die Vorverurteilung!
Kinder, das Fragezeichen müssen wir einfach dahintersetzen, weil
wir sonst Ärger bekommen. Aber glaubt uns mal, wir haben schon den
richtigen Riecher… Hexenjagd im 21. Jahrhundert.
Daß der Herr Bundeskanzler sich in solcher Gesellschaft nicht wohl
fühlt, das möchten wir gern glauben. Was wäre denn zu erwarten,
wenn er sich nicht „Bild“ – konform verhält? Soll
er riskieren, daß in diesen ohnehin sehr angespannten Zeiten von
einer Quotenjournaille noch mehr Druck auf den Kessel gepumpt wird? Soll
er sich etwa unter diesem Druck zu einer Marionette des Hauses Springer
degenerieren lassen? Zu einem König Urmel auf dem Stuhl des Regierungschefs?
Nein! Das Amt des Bundeskanzlers muß so etwas wie „Bild“
zur Kenntnis nehmen und darf es nicht aus den Augen lassen. Denn diese
Leute können wirklich gefährlich werden. Weil sie den Mob mobilisieren,
den Pöbel, diese Hefe im Volke zum Gären bringen können.
Sie haben Macht. Eine Macht, die zu negieren sträflich wäre.
Aber jeder Schritt, der dazu angetan ist, diese unheimliche Macht zu beschneiden
und auszubremsen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die „Bildzeitung“
ist kein Organ der Demokratie! Denn ihr Gebaren entlarvt sie als Feudalherren,
selbstherrlichen Tyrannen von eigenen Gnaden.
Die Damen und Herren von „Bild“ müssen sich schon entscheiden,
was sie wollen: Raffke und Abkaufzahlen oder Seriosität und damit
verbundene Akkreditierung.
Diese Leute haben kein natürliches Anrecht auf die Begleitung eines
Bundeskanzlers. Ein solches Privileg will mit einem journalistischen Leistungsnachweis
erworben sein. Das ergibt sich nicht aus schierer Größe und
daraus erwachsener Überheblichkeit.
Und so sangen wir denn in der Redaktionsrunde laut lachend: „Muß
i denn, muß i denn zum Städtele hinaus, Städtele hinaus
– und du meine „Bild“ bleibst hier…!“
(Sie müssen nicht glauben, daß die bei mir kritisierte Schadenfreude
nicht andernorts auch heimisch wäre. Aber wenn’s gegen den
Alten geht, was soll’s? Solche Kollegen sind ubiquitär.
Ein abschließender Trost an den Goliath vom Springerhaus: Der „Landbote“
wurde vom Herrn Bundeskanzler ebenfalls nicht mitgenommen. Wir können
damit leben. Solange wir nicht explizit ausgeladen werden, ha, ha, ha,
ha….
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