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Das Stift und das Evangelium
- eine kritische Nachfrage

 

Zu einem Artikel des Spandauer Volksblattes
vom Mittwoch, dem 5. November 2003

 

B. St. Fjøllfross
Mit großer Erschütterung lesen wir im Spandauer Volksblatt unter dem obigen Datum auf Seite 5 einen Artikel, der von einem gestörten Gottesdienst im Johannesstift handelt. Ein 37- jähriger, wahrscheinlich selbst erheblich gestörter Mann fängt während des Gottesdienstes zu Ehren des Reformationstages an, diesen durch gelinde gesagt idiotisches Zwischengebrüll zum Verdruß der Anwesenden und der Zuschauer an den Fernsehgeräten zu sabotieren. Nun ja, die Irren werden nicht alle. Das ist bedauerlich.

Dieser Umstand allein jedoch wäre dem „Landboten“ sicherlich keinen Beitrag wert.

Zugegeben, es nicht nur unschön, sondern auch der Sache nach falsch, das Gotteshaus im Evangelischen Johannesstift als „Synagoge des Satans“ zu bezeichnen. Wir gehen davon aus, daß der arme Irre weder weiß, was eine Synagoge ist, noch den Herrn kennt, den er als Eigentümer des von ihm so benannten Gebäudes vermutet.
Ebenso unsinnig empfinden wir das unselige Geschwätz, daß Frauen auf der Kanzel nichts zu suchen haben. Das ist die böse Saat, die uns St. Paulus guten Glaubens beschert hat. Und wir wollen hoffen, daß ihm unser aller Vater im Himmel dafür gehörig die Ohren langgezogen hat.

Was aber für uns von größtem Interesse scheint, ist die Art, wie die das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus predigende Frau Berlin-Brandenburgische Diakonie-Direktorin Susanne Kahl-Passoth und der Pressesprecher des Evangelischen Johannesstiftes Herr Wolfgang Kern auf die Geschichte reagieren.

Wir lesen nämlich, daß diesem offensichtlich geistig verirrte Mann unter die Arme gegriffen, er sodann hinausgeführt und der Polizei übergeben wurde. Und Herr Kern versichert flugs, daß gegen den Störenfried seitens des Evangelischen Johannesstiftes Anzeige erstattet werde.

Lassen Sie uns davon ausgehen, daß eine sich als evangelisch bezeichnende Institution, die in ihrem Slogan mit den Worten wirbt „Den Menschen lieben! Typisch Johannesstift“ mit den Evangelien vertraut ist, wie sie uns über das irdische Wirken unseres armen galiläischen Wanderrabbis Joshua überkommen sind. Wir erinnern uns, daß dieser Rabbi und Gottessohn um unserer Sünden willen einen furchtbaren Tod auf sich genommen hat und in seinen letzten qualvollen Atemzügen seinen Ewigen Vater bezüglich der Henker bat: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!“

Nun greifen wir auf die reichhaltige theologische Literatur zurück, die dem „Landboten“ zu Diensten ist. Da sind Bibeln, angefangen von der Vulgata über katholische bis hin zu Lutherbibeln (welch letztere uns die liebsten sind – ihrer ungemein kraftvollen Sprache wegen und der Glaubensfestigkeit, die unser verehrter Doktor aus Wittenberg in die Übersetzung gelegt hat.) Wir verfügen über die Apokryphen und selbst gnostische Werke finden sich zum Studium.

Und verzweifelt suchen wir Zeile um Zeile, wo denn der Rabbi, der Sohn Gottes gesagt hätte: „So dich einer provoziert und du habest die Macht dazu, laß ihn binden und übergib ihn den strafenden Instanzen.“ Wir werden nicht fündig. Wirklich nicht.
Statt dessen stoßen wir auf Matthäus 5 Vers 11,12:
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles wider euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Ein paar Zeilen weiter lesen wir Matth. 5.39:
Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel; sondern, wenn dir jemand einen Streich gibt auf deine rechte Backe, dann biete die andere auch dar!

Vers 43 ebenda:
...Liebet eure Feinde; (segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen...)

Gegen einen armen Irren Anzeige erstatten – ist das wohlgetan? Wäre es nicht besser gewesen, Frau Kahl-Passoth hätte die willkommene Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und ihrem Glauben ein eindrucksvolles Zeugnis ausgestellt, indem sie diesen Kirchenschänder mit der Friedfertigkeit und der Liebe des Rebben überwunden und ihn zurückgeführt hätte zur Liebe des Herren?

Glaube, liebe Schwester in Christo Frau Kahl-Passoth, liebes Johannesstift, erweist sich sicher auch in einer schönen Predigt und der alltäglichen Pflege an alten und behinderten Menschen. Aber zu leuchten beginnt er entweder in solchen Extremsituationen – oder er taugt nichts!

Denn in Matthäus 7.1 lesen wir ferner: Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet. Den Rest dieses eindrucksvollen Matthäuskapitels überlasse ich Ihrer stillen Lektüre. Kein Wort steht da umsonst.

Das Todesurteil gegen einen verrückten Schäfer, der im religiösen Wahn seinen Sohn erschlagen hatte, verwarf der preußische König Friedrich der Große mit den legendären Worten: „Galgen und Rad bessern solche Narren nicht. Man soll ihn in ein Irrenhaus geben und dort vernünftig und menschlich behandeln!“

Der König war Freimaurer, kein Protestant oder Lutheraner. Sollte es sein, daß er Christum besser verstanden hatte als Sie?

Es grüßt Sie herzlich

Ihr B. St. Fjøllfross
-Chefredakteur-

2. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003