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Die Krise, der Sparkurs und die Wirtschaft
B. St. Fjøllfross
Hurra, es geht wieder aufwärts!
Der Konjunkturmotor sei nach den einschneidenden Maßnahmen der
Bundesregierung wieder angesprungen, läßt letztere stolz
verkünden. Das Wachstum schlägt wieder mit Eins Komma noch
was Prozent zu Buche. Die Exporte nehmen wieder zu, die Wirtschaftslokomotive
gewinnt an Fahrt. Das bedeutet zwar nun nicht unbedingt ein Mehr an
den so heiß begehrten Arbeitsplätzen, und ein engmaschigeres
soziales Netz wird auch nicht wieder gestrickt – aber es geht
voran!
Was fehlt, ist die schmetternde Fanfare, die wir von der Tönenden
Wochenschau des Anfangsjahres 1945 gewohnt sind. Haben doch unsere
Großeltern in ebenso zuversichtlichen und vollmundigen Beiträgen
erfahren, daß gerade die rasch schwindenden Kräfte des
zusammenbrechenden Bolschewismus sich die morschen Zähne im Kampf
um die Reichshauptstadt ausbeißen, aufgehalten durch den eisernen
Widerstand des Volkssturms und der Aussicht auf des „Führers“
Wunderwaffe. Was folgte war die Kapitulation; erst in Tempelhof und
dann, noch mal fein für die Kameras und damit für die Augen
der Welt – in Karlshorst.
Wann wird die Bundesregierung kapitulieren? Und damit ist nicht nur
die amtierende gemeint. Die nächste brauch sich doch nicht einbilden,
den Karren wieder flottzumachen, der seit den Sechzigern/ Siebzigern
systematisch in den Dreck gefahren wurden.
Als die ganze Nachkriegsbundesrepublik unter der Sonne des Wirtschaftswunders
jauchzte, man müsse jetzt investieren, und sei es auf Pump! Kreditwirtschaft
wurde Staatsraison. Schuldenmacher galten über Nacht nicht mehr
als Diebe, sondern als Wirtschaftsbeförderer. Und die größten
Schuldenmacher durften sich mit dem Titel „Leistungsträger
der Bundesrepublik Deutschland“ schmücken. Vorbei die preußischen
Maximen, daß sich öffentliche wie private Haushalte auf
eine solide Finanzierung gründen müssen. Auf Mittel, die
realiter vorhanden sind – nicht auf vage Zukunftsoptionen nach
dem Motto: „Es wird schon gut gehen!“
Heute kaufen, später bezahlen! Das war der Leitfaden einer ganzen
Gesellschaft. Und die Kreditierung wurde bald für den ganzen
Wirtschaftskreislauf sogar von Experten als unabdingbar angesehen:
Wirtschaft kann sich nur auf Kredite stützen, sonst läuft
sie nicht!
Hier wurde eine Mentalität entworfen, gebildet und zementiert,
die sich bis an das Hirn des letzten Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängers
fraß.
Die allerdings merkten zuerst, was es bedeutete, wenn das Kreditsystem
an seine Grenzen stieß. Und das passiert naturgemäß
dann, wenn der Schuldner seine Verpflichtungen nicht mehr leisten,
die Forderung des Gläubigers nicht mehr bedienen kann. Erster
geht Bankrott, letzterer nimmt Schaden.
Auf welch waghalsige Prognosen hin die Bundesrepublik in den besagten
Jahrzehnten der Hochkonjunktur immer neue Anleihen aufnahm, läßt
sich heute wohl nur noch von Historikern nachvollziehen. Es mögen
mehrere Faktoren eine Rolle gespielt haben. Zwei davon seien an dieser
Stelle stellvertretend genannt.
• Wahrscheinlich glaubte jedermann, die wirtschaftliche Entwicklung
müsse linear oder gar parabolisch so weiter verlaufen. Von zyklischen
Krisen des Kapitalismus wollte keiner etwas wissen. War doch nur kommunistisches
Geschwätz! Und überhaupt! Wer wollte denn hier vom Kapitalismus
reden? Man hatte eine Soziale Marktwirtschaft. Das gehörte sich
einfach nicht, etwas so schönes mit einem solch häßlichen
Unwort zu belegen, daß nach rauchenden Schloten, Ausbeutung
und Manschester roch. Man sagt ja auch anstandshalber „dunkelhäutiger
Mensch“ statt „Neger“. Und wer sich gerade zu den
Klängen von Straußens Walzern beim Wiener Opernball dreht,
der denkt ungern an die unvermeidliche Rechnung oder gar die Probleme,
die schon vor dem Ausgang warten.
• Wenn doch einer der damals maßgeblichen Politiker die
Wahrheit erkannte, wird er schon aus Gründen der persönlichen
Vernunft das Maul gehalten haben. Warnen? Das wäre einem politischen
Selbstmord gleichgekommen. Kehren wir zu unserem besagten Opernball
zurück, wird das deutlich: Wie lange könnte sich schon ein
Maitre de Plaisier halten, wenn er, wenn’s gerad’ am schönsten
ist, in die Menge bläkt: „Und, Herrschaften, denkt’s
bittschön noch an die Rechnung! Das Späßerl hier ist
net umsonst“?
Und jetzt? Wo das Kind
nun definitiv in den Brunnen gefallen ist. Wo der Konsum rasend zurückgeht
und das Ladensterben statt dessen reziprok zunimmt?
Wo die Arbeitslosigkeit schwindelnde Höhen annimmt und das Kapital
permanent droht, den maroden Wirtschaftsstandort Deutschland vollends
zu verlassen? (Sie werden es nicht tun! Denn der ehemals gut bezahlte
deutsche Arbeiter wird sich über kurz oder lang zu Dumping-Preisen
verkaufen müssen, wenn er denn am Leben bleiben will. Es wächst
eine neue Generation billigster Kulis heran, ungebildet und schwach, bereit,
den Dreck von der Straße zu klauben für ein paar Eurocent.)
Ein paar alte „Wessis“
werden noch aus zahnlosem Munde auf die Wiedervereinigung schimpfen, der
der Untergang ja zuzuschreiben sei. Sie werden mangels Hirnmasse bis in
ihren Sarg nicht begreifen, daß an dem Wirtschaftsdesaster Deutschlands
schon fleißig gestrickt wurde, als sie sich noch wie die Photoapparat
– behängten Herren Europas fühlten und Egon Bahr lauthals
trompetete, man „werde sich die D.D.R. als Vorgarten zulegen“.
Dieselbe unerträgliche Arroganz im übrigen, die der Autokrat
Kohl an den Tag legte, als es denn soweit war. Wir alle erinnern uns wohl
noch der versprochenen „blühenden Landschaften“ und „keinem
werde es schlechter, vielen aber besser gehen!“
Nein, der „Landbote“ ist beileibe kein Apologet der D.D.R.
Sie war ein Experiment, das anfänglich gut gemeint aber ziemlich
unrealistisch und versponnen war, später hingegen ein verheucheltes,
korruptes Klammern einiger Bonzen und ihrer Brut an der Macht. Diesem
Klammern wurde bedenkenlos die Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit eines
ganzen Volkes geopfert. Wir haben wenig Grund, diesem untergegangenen
System, das so nie funktionieren konnte, hinterherzutrauern. Sie ist Vergangenheit
und das soll sie bleiben!
Unsere gegenwärtigen Probleme aber heißen – Schulden!
Schulden von gigantischem Ausmaß. Staatschulden! In Billionenhöhe.
Schulden, deren Zinsen alleine schon ein Volksvermögen aufzufressen
in der Lage sind. Schulden, an deren Tilgung schon lange nicht mehr zu
denken ist.
Nicht um sie abzubauen – um die Zinsen noch zahlen zu können,
wird jetzt allerorten bis zum Abwinken eingespart. Und zwar bei denen,
die keine Lobby haben und von denen daher wenig Widerstand zu befürchten
ist: Den Almosenempfängern der Nation, den Rentnern, den Angestellten
kleiner Unternehmen. Es wird ihnen das letzte Hemd über die Ohren
gezogen. Aber damit nimmt man ihnen auch die Möglichkeit zum Konsum.
Scheiß Spiel, das! Denn wenn die, die die Masse eines Volkskörpers
stellen, nichts mehr umsetzen, dann zieht das eine ganz unangenehme Lawine
nach sich. Wie beim Domino kippt Stein für Stein. Man setze sich
beispielsweise in den 149er Bus, der vom Berliner Zoologischen Garten
über die Kantstraße nach dem Westen der Hauptstadt fährt
und schaue links und rechts aus dem Fenster. Und man wiederhole die Fahrt
im Abstand von wenigen Wochen. Den hervorstechendsten Eindruck wird man
von dem grassierenden Ladensterben gewinnen. Eine der ehemals zu den besten
Geschäftslagen des reichen Berliner Westens zählende Einkaufsmeile
zeigt uns immer mehr leere Schaufensterhöhlen, ab und an mit einem
Schild „zu vermieten“ behaftet.
Wer da Pleite gegangen ist, wird der noch bei seiner Bank um einen Baukredit
für ein Einfamilienhaus nachsuchen können? Im Ernst? Welche
Baufirma wird sich dann noch über den Zuschlag freuen dürfen?
Wo werden denn die Bauarbeiter dieser Firma noch einkaufen oder Urlaub
machen können?
Oder muß die Hausbank des Ladenbesitzers nicht vielmehr selbst einen
Verlust verbuchen, sie mag dem armen Teufel von Schuldner gleich eiserne
Daumenschrauben anlegen oder nicht!?
Das liegt der Hase im Pfeffer. Jedem Politikergeschwätz zum Trotze.
Die Bundesrepublik steuert auf ihre Zahlungsunfähigkeit zu! Und das
mit logarithmisch beschleunigtem Tempo. Selbst wenn sie, die ja per Grundgesetz
als „Untenehmen Bundesrepublik Deutschland“ nicht Konkurs
gehen kann, sich mit einem Gesetzesbeschluß handstreichartig ihrer
Verbindlichkeiten entledigt, wäre das kein Ausweg. Mit den oft alterssichernden
Einlagen großer Teile der Bevölkerung, von Unternehmen und
Banken würde das nationale sowie internationale Vertrauen in die
Solidität dieses Staates unwiederbringlich flöten gehen. Das
Letztere wäre das Schlimmste! Die Bundesrepublik hätte sich
endgültig als Bananenrepublik etabliert. Willkommen in der Dritten
Welt!
Auch wir wissen keinen Ausweg. Aber diese gottlose Augenwischerei, diese
verlogenen „Frontberichterstattung“ ist keinesfalls eine akzeptable
Lösung.
Um ein Problem anzugehen, ist es zunächst einmal vonnöten, ihm
klar und fest ins Gesicht zu sehen. Gelaber und Gesülze helfen da
wenig!
„Bau auf, bau auf, bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend –
bau auf! Für eine beßre Zukunft…“ so sangen einst
die Jungkommunisten der verblichenen D.D.R. unseligen Angedenkens. Noch
mal: Wir brauchen die „Zone“ nicht zurück! Aber etwas
von ihrem Aufbruchswillen gepaart mit unseren bewährten preußischren
Tugenden – das wäre schon mal ein Anfang.
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