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Maschendraht im Deutschen Wald
Don M. Barbagrigia
Nachdem im Jahre 1990 die fünf
mitteldeutschen Länder zu dem Verband der Bundesrepublik Deutschland
dazugestoßen waren, und damit die Deutsche Demokratische Republik
unseligen Angedenkens auf dem Kehrichthaufen der Geschichte landete,
erfuhren die Besitzverhältnisse der agrarischen und forstwirtschaftlichen
Nutzflächen eine weitreichende Umgestaltung. Es liegt uns ferne,
an dieser Stelle die komplizierten Einzelheiten dieser Rückübertragungen
zu debattieren. Was uns jedoch sehr unangenehm auffällt, ist die
Parzellierung des Waldes. Der war früher einmal – und darin
bestand sicher einer der positiven Aspekte der D.D.R. – der Erholung
dienendes Allgemeingut.
Nun aber ziehen sich um einige Waldgebiete Maschendrahtzäune, deren
Sinn und Berechtigung
uns fremd bleiben. Nein. Wir reihen uns nicht ein in den Jammerchor derer,
die da schreien, für eine gefallene Mauer hätten wir Abertausende
neuer Zäune beschert bekommen.
Aber im Wald? Sollen Pilzsucher vom Pilzdiebstahl ferngehalten werden?
Oder geht es hier nur um die Markierung von Besitzansprüchen?
Und welche Behörde genehmigt diese Possen?
Denn hier geht es in erster Linie nicht um uns. Wir Nackten Affen haben
uns seit der Seßhaftigkeit der Zivilisationen daran gewöhnt,
kleinere oder größere Stücke an Grund und Boden abzustecken
und als Besitz zu deklarieren. Die Auffassung der Australneger, der Indianer,
ja, ziemlich aller steinzeitlichen Völker, die dieses Verhalten für
völlig unsinnig befanden, ging verloren. Denn Bodenbesitz bedeutete
mit dessen Ausbeutung und Nutzbarmachung Macht. Nun gut!
Im Deutschland unseres Zeitalters bedeutet der Besitz von Wald meistens
mehr Last und Arbeit, als Ertrag und Gewinn. Waldgrundstücke feilbieten,
heißt oft mit faulen Eiern handeln.
Was aber, wir fragen es noch einmal, sollen dann die besagten Zäune?
Vielleicht mögen sie hie und da ihre Berechtigung haben, wo ein Förster
beschlossen hat, eine Schonung von jungen Setzlingen vor dem gefräßigen
Wild zu schützen. Wir wissen beispielsweise, daß unsere von
idiotischer Jagdleidenschaft besessenen adligen Vorfahren Damwild, welches
in unseren Wäldern nicht heimisch war, hier einzig zu dem Zweck aussetzten
und ansiedelten, um einen „Vorrat“ an zu bejagendem Wild anzulegen.
Das ist nun einmal geschehen und nicht wieder zu korrigieren. Die Natur
wird sich entsprechend einzurichten wissen und mit eigener Umgestaltung
reagieren. Und hier sind wir beim Kern unseres Problems:
Es gibt Eigentümer des Waldes, die ein weitaus verbriefteres Recht
und einen ungleich größeren Anspruch auf das haben, was man
noch so leidlich als die Reste des Deutschen Waldes ansehen mag: Nämlich
seine Bewohner. Die Rehe, die Füchse, die Wildschweine, die Dachse.
Viel mehr ist uns an Artenreichtum ja schon nicht mehr geblieben. Diese
unsere Mitkreatur wird in keinem Kataster des Nackten Affen als Eigentümer
geführt. Nichtsdestotrotz sind sie es. Denn sie bewohnen ihn. Sind
auf ihn angewiesen. Auf seine
Biosphäre, sein Nahrungsangebot, seinen Schutz.
Es ist eine gottverdammte, vom Nackten Affen erdachte Lüge, wenn
er seinem Schöpfer die biblischen Worte in den göttlichen Mund
legt: „Machet euch die Erde untertan und das Vieh auf Erden, die
Fische im Wasser und die Vögel in der Luft sollen alle euer sein!“
Sie gehören ihrem Schöpfer und sich selbst – aber nicht
dem irregwordenen Raubaffen, der sich Mensch nennt.
Doch dieser nahm auf diesen Aspekt wenig Rücksicht. Gnadenlos expandierte
er seinen beanspruchten Lebensraum und verwandelte große Gebiete
der Erde in stinkende und giftige Kloaken, verseucht und unwirtlich, dem
Leben feind.
Wo sollen sie denn noch hin, die Viecher? Sollen sie nachts durch ihren
Wald rennen und sich dabei in Zäunen verfangen, die sie nicht sehen
oder wahrnehmen können? Sollen sie dort nicht äsen oder wühlen
dürfen, sich Sassen und Nester und Lager bauen? Statt dessen in den
scharfen Schlingen des Maschendrahtes hängenbleiben und elend verrecken?
Mit gebrochenen Knochen, zerfetzten Muskeln, zerrissenem Fell. Kein Krankenhaus
kümmert sich um diese Kreaturen, denen vom Menschen so gedankenlos
und übel mitgespielt wurde.
Riesige Koppelflächen werden abgesperrt, den Bewegungsspielraum der
wildlebenden Tiere einschränkend. Alles geopfert dem hirn- und schrankenlosen
Egoismus des Nackten Affen.
Aber dann das endlose Gejammer um die vom Aussterben bedrohten Arten:
Der Steinadler, der Luchs, der Wolf und der Kauz, der verschwundene Auerochs
und der Biber. Sie alle haben es nicht mehr ausgehalten unter der Nachbarschaft
der selbsternannten Krone der Schöpfung.
Natürlich sind Natur- und Nationalparks ein Schrittchen in die richtige
Richtung. Aber ein viel zu kleines.
Wir sind keine weltfremden Spinner. Auch uns ist klar, daß es forstwirtschaftliche
und agrarische Nutzflächen geben muß, denn wir bestreiten nicht
das Existenzrecht des Nackten Affen. Aber dieser Entwicklung noch die
Krone aufzusetzen, indem man unseren Mitgeschöpfen noch in deren
ureigenstem Lebensraum unüberwindliche Barrieren vor die Nase setzt,
ist völlig inakzeptabel.
Hier ist eine verantwortungsbewußte Gesetzgebung gefordert, die
sich zum Anwalt derer macht, die keine Sprache haben, sich vor den Gerichtshöfen
der Menschen zu artikulieren.
Hier müssen feste Grenzen gezogen und Schranken gesetzt werden –
nämlich dem unsinnigen Treiben der „Grund – und Waldbesitzer“.
Das ist Pflicht und Aufgabe der Gemeinschaft.
Und zu dieser gehören auch in unserem ureigensten Interesse die Geschöpfe,
die vor uns waren. Und die – so Gott will und wir uns weigern, Vernunft
anzunehmen – nach uns sein werden. Und zwar ohne uns!
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