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China und das Herzzentrum

M. Akinokawa
Das Deutsche Herzzentrum zu Berlin am Augustenburger Platz hat seinen Aufgang zur Patientenaufnahme mit einer Reihe schön polierter und glänzender Tafeln geschmückt, die teilweise in lateinischen Buchstaben und teils in Han-Jin (chinesischen Schriftzeichen) auf die Kooperation des Deutschen Herzzentrums mit namhaften chinesischen Kliniken hinweisen.

Deutsch-Chinesische Freundschaft hat eine lange Tradition. Wir erinnern uns des wohlschmeckenden Bieres aus der deutschen Kolonialstadt Tsingtao, das noch heute in Berlin zu völlig überzogenen Preisen erhältlich ist. Die Deutschen halfen den befreundeten Chinesen, den Boxeraufstand niederzuschlagen und vor unseren Augen sehen wir die trauten Gruppenphotos deutscher Expeditionstruppen mit kopflosen und erschossenen Chinesen. In den frühen fünfziger Jahren, bevor sich Rom von Byzanz, Verzeihung!, Peking von Moskau lossagte, bejubelten deutsche FDJler den Aufbruch der chinesischen Genossen in eine lichte Zukunft. Leider trübten kleine Zwistigkeiten am Amur und Ussuri die innigen Empfindungen zwischen den Klassengenossen. Doch auch diese Eiszeit ging vorbei. Davon zeugt nun dieses schöne Schild:

Wir lesen auf dem Schild, daß offenbar der Yünnan-Provinz II Volksklinik ein Rot-Krenz-Krankenhaus angeschlossen ist.
Rot-Kreuz-Krankenhäuser sind uns bekannt. Es gibt das Internationale Rote Kreuz und auch das Deutsche Rote Kreuz, ja sogar ein Bayerisches Rotes Kreuz und den Türkischen Roten Halbmond. Die Juden lassen sogar den Roten Davidstern durch die Straßen Israels fahren, um kranken und verwundeten Menschen Hilfe zu bringen.
An all das mußten wir denken, als wir ehrfürchtig die Tafel im Aufgang des Deutschen Herzzentrums bestaunten.
Aber nein, es war eine Illusion. Dort steht deutlich für jeden des Lesens Kundigen:

Rot-Krenz-Krankenhaus.

Als der für Fernost zuständige Kollege des Landboten wurde ich denn von Herrn Fjøllfross beauftragt, den Sinn hinter dieser Namensgebung zu eruieren.
Seit längerer Zeit ist es mir gestattet, im Land der Deutschen, der Dichter und Denker leben zu dürfen. Und es ist mir nicht entgangen, daß Herr Egon Krenz letzter Staats- und Parteichef der Deutschen Demokratischen Republik und der sie beherrschenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gewesen ist.

Böse Zungen nannten die Angehörigen dieser Partei, zumal die führenden, abfällig „Rote“. Das entsprach der bolschewistischen Tradition und wohl auch dem enormen Blutzoll, den die Kommunisten auf ihrem Wege zur Macht zahlten und zahlen ließen. Man denke an den Roten Terror gegen den Weißen Terror der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in der Sowjetunion, an die Rote Armee, an die chinesischen Rotgardisten und ihr Massaker auf dem Tiananmen-Platz – dem Platz des Himmlischen Friedens zu Peking. Der Platz wird wohl an verschiedenen Stellen rot gewesen sein vom Blute der Studenten, die mit der Last der Diktatur und der Panzer nicht so recht fertig wurden.
Und der Rote Egon, der die DDR wanken sah, in der er zu den Großen zählte, reiste in Windeseile nach der für deutsche Kommunisten doch für Jahrzehnte „Verbotenen Stadt“, um die lang vergrabene Freundschaft zu den verlorenen Brüdern vom Jangtse aufzufrischen. Und den deutschen Aufrührern zu zeigen, welche Möglichkeiten man hat, mit ihnen fertigzuwerden.
Das müssen die chinesischen Genossen ihm wohl gedankt haben, als sie eine scheinbar so bedeutende Klinik nach ihm benannten. Rote Sonne grüßt Mao tse Tung! Und läßt die Herzen der Jugend wieder höher schlagen – für die alten Blutpumpen tut’s die Herzklinik.
Es ist ein feiner Zug des Hauses um Professor Roland Hetzer, daß es alte Gräben zuschüttet, die von Klassenhaß und ideologischem Fanatismus durch die Herzen der Menschen gerissen wurden. Man kooperiert wieder mit dem Reich der Mitte, obwohl man sich auf dem Pfauenthron noch nicht offiziell wieder zum Feudalismus bekannt hat. (Mit dem Großen Sprung wird man in China die Phase des Manchester-Kapitalismus – die wir in Deutschland soeben zu durchleiden haben – geschickt umgehen und dem letzten großen Ziel der Menschheit – der perfekten Ausbeutung der Massen durch eine erhabene und elitäre Minderheit – bald näher gekommen sein und damit erneut den historischen Anspruch dieses Riesenlandes, Motor der Weltgeschichte zu sein, fundamentiert haben.)
Insofern ist auch die Versöhnung mit Herrn Krenz nur logisch und wünschenswert.
Wir nehmen den dezenten Hinweis, den uns das Deutsche Herzzentrum an exponierter Stelle gibt, dankbar entgegen und freuen uns, daß hier eindeutig das Märchen von der Wissenschaft im weltpolitischen Elfenbeinturm widerlegt wurde.

Sayonara, Ihr

-Akinokawa Michi-

2. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003