Connex vs.Reichsbahn*
B. St. Fjøllfross
* Namensfetischisten werden aufjaulen,
wenn ich die Deutsche Bahn mit ihrem traditionellen Namen benenne. Das
ist mir wurscht! Ich habe bereits so viele Umbenennungen erlebt, hinter
denen sich nach wie vor derselbe Laden befand, daß ich es vorziehe,
mich diesem unseligen Trend zu verweigern. Wenn ein neues Geschäft
aufgemacht hat, sollte man das auch zum Ausdruck bringen. Wird aber
nur das Ladenschild ausgetauscht, dann verdient auch das eine besondere
Würdigung. Denn würde sich der Autor selbst einen anderen
Namen zulegen, und sich beispielsweise hinfort Herr Bajun oder Herr
Akinokawa nennen, so bliebe der Verfasser dieses Artikels doch derselbe!
Der Brüsseler
Europäische Gerichtshof geht einer Beschwerde des privaten Schienenverkehrbetreibers
Connex nach, derzufolge die Reichsbahn (Die Bahn) mit dem Lande Brandenburg
einen Vertrag zur Nutzung des Brandenburger Schienennetzes bis 2012
abgeschlossen hat. Dafür erhielt das Land Brandenburg dem Vernehmen
nach € 2 Milliarden. Für den privaten Anbieter blieben nur
einige weniger lukrative Nebenstrecken zur Auswahl.
In den Jahren des auf
der Nachkriegskonjunktur basierenden Wirtschaftsbooms lebte die Bundesrepublik
Deutschland enorm über ihre Verhältnisse. Offenbar wollte
man die Not und die Entbehrungen des Krieges vergessen und selbst anerkannte
Wirtschaftsfachleute postulierten dem Geiste der Zeit entsprechend ernsthaft,
daß die vorherrschende Kreditphilosophie – das Leben auf
Pump also – eine unabdingbare und tragende Säule der sozialen
Marktwirtschaft sei. Ohne großflächige und immerwährende
Kreditvergaben wäre das System bald am Ende. Doch zu Krediten gehören
nun mal Zinsen, und zu Zinsen gehören Zinseszinsen usw. Und irgendwann
war am Anfang der Achtziger Jahre das Ende der Fahnenstage erreicht.
Die Bundesrepublik, die sich bislang wie ein Parvenue aufgeführt
hatte, mußte, um ihrem Schuldendienst nebst den sonstigen anfallenden
Verpflichtungen gerecht zu werden, beginnen, sich vom Tafelsilber zu
trennen.
Nun hieß das Modewort: Privatisierung. Einrichtungen wurden privatisiert,
die eigentlich und vernünftigerweise zu den Monopolbetrieben eines
Staates gehören sollten. Wie zum Beispiel die Deutsche Post, Rundfunksender
und eben auch – die Reichsbahn!
Diese großen staatsmonopolistischen Betriebe waren zumeist dem
Peter-Prinzip und Parkinsons Law gefolgt, träge und überverwaltet,
Beamtenkader beherrschten selbstherrlich das Chaos. Die mangelnde Effizienz
verführte geradezu, sie zum Anlaß für die Privatisierung
zu wählen.
Nur, was bei Post oder Luftverkehr noch relativ und vergleichsweise
problemlos zu bewältigen war, bei der Bahn wollte es nicht so recht
werden: Die Aufteilung in kleinere und übersichtlichere, eventuell
sogar dezentralisierte Einheiten. Das mag ursächlich mit den Aufgaben
der Reichsbahn und ihrer Infrastruktur zusammenhängen. Wem, beispielsweise,
gehören die Liegenschaften, auf denen Gleise und Reichsbahnausbesserungswerke
liegen? Wer darf als Mitbewerber um Fahrgäste und Frachtgut zu
welchen Bedingungen diese Strecken und ihre Beibauten nutzen? Wie werden
Fahrpläne unterschiedlicher Unternehmen aufeinander abgestimmt?
Wer bekommt wo welche Billets und für welche Strecken sind sie
gültig? Bleiben Sie gültig, wenn ich als Fahrgast auf ein
und derselben Strecke zwischen zwei Unternehmen umsteigen muß
oder zahle ich doppelt und dreifach, wenn ich aufgrund einer Betriebsstörung
bei der Reichsbahn auf den nächsten Zug aufsteigen muß, oder
muß ich mir die Beine in den Bauch stehen, bis der nächste
Reichsbahnzug kommt?
All das sind Fragen, die einer einfachen Lösung wiedersprechen.
Selbst innerhalb des Unternehmens Reichsbahn ist eine Splittung in verschiedene
Aufgaben nicht so simpel. Dezentralisierung und damit verbundene Aufteilung
eines Großunternehmens in kleinere und überschaubarere Einheiten,
die dann auch für sich leichter zu überblicken und effizienter
zu führen wären – ist gut und schön. Aber wer koordiniert
dann übergeordnet diese Untereinheiten, die dieselbe Logistik nutzen?
Und schon wären wir wieder durchs Hintertürchen bei einem
zentralistisch gesteuerten Großunternehmen angelangt.
Ich bin kein Apologet der Reichsbahn. Es verbindet mich eine tiefe Haßliebe
mit ihr. Ich nutze sie jeden Tag und weiß, daß ich ohne
sie schlichtweg verloren wäre. Ich fluche mir die Seele aus dem
Hals, weiß aber im gleichen Augenblick, daß es unsinnig
ist davon zu träumen, daß ein so gigantisches, organisches
Unternehmen reibungslos zu führen ist. Es gibt zu viele Störfaktoren,
die beispielsweise auf die Pünktlichkeit von Personenzügen
Einfluß haben.
Da brüllt man schnell nach einer Konkurrenz, die das Geschäft
angeblich belebt.
Dennoch, Konkurrenz
muß, wenn der Staat schon auf das Schienenmonopol verzichtet,
erlaubt sein.
Daß die Reichsbahn denen, die ihr das Wasser abzugraben trachten,
keine Rosen streuen wird, liegt auf der Hand. Daß sie aber aus
dem Vollen schöpft und dem Land Brandenburg für zwei Milliarden
Euro bis ins Jahr 2012 das Recht abkauft, auf Brandenburger Geleisen
zu fahren, das ist eine unrechtmäßige Sauerei! So geht das
nicht. Und wenn Brüssel auf die Beschwerde des privaten Schienenverkehrbetreibers
Connex hin, in diesen Klüngel hineinschlägt, dann hoffentlich
mit Recht und einem Vorschlaghammer.
Denn dieses Geld wird mit absoluter Sicherheit wieder über die
ständigen Tariferhöhungen an die Fahrgäste weitergegeben,
ohne daß diese die geringste Chance haben, sich zur Wehr zu setzen.
So etwas nennt man unfair. Das ist Kartellgebaren, sonst nichts!
Diese zwei Milliarden Euro hätte die Reichsbahn besser in ihren
Service, ihr Angebot, ihren Fuhrpark oder sonst dergleichen gestochen,
wo es vorteilhafter angelegt worden wäre.
Denn es ist allemal besser, einen Kunden mit dem Angebot zu überzeugen
und ihn somit über dessen Zufriedenheit dauerhaft an sich zu binden,
als ihn zu zwingen. Letzteres schafft Verdruß und, man glaube
mir: es werden derer nicht wenige sein, welche die erste beste Gelegenheit
zum Absprung nutzen.
Und eine solche Gelegenheit wird früher oder später kommen.
Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Denn, mag auch der Einzelfall
anders aussehen – in einer Marktwirtschaft wird letztendlich der
Bessere gewinnen.