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Der
Tod des Teemeisters (Buch)
Yasushi Inoue
Akinokawa Michi san
„Was für’n Tee
willst’n?“, fragt Frau Katzentraum aus der Redaktionsküche
herüber. Ohne eine Antwort abzuwarten, fährt sie mit der Aufzählung
der vorhandenen Teesorten fort: „Himalaja Darjeeling, Schwarzer
Tee, Kamillentee, Rooibos, oder Fenchel für’s Baby?“
Glockenhell ertönt ihr Lachen. Der Teekessel brummt. Die bauchige
Teekanne in Gestalt eines Katzenkopfes wartet auf das köstliche Getränk.
Ob sie auch Grünen Tee da hat? Meine Gedanken gleiten ab zu Meister
Sen no Rikyu und seinem Chado – dem altjapanischen Weg des Tees.
„Sagt dir der „Weg des Tees“ etwas?“ rufe ich
Frau Katzentraum zu. „Na ja, von Indien mit dem Schiff durch den
persischen Golf, Suezkanal, Mittelmeer, Biskaya, Ärmelkanal, Hamburg
– Teekontor, Autobahn, Teeladen in der Steinstraße. Wahlweise
Hafen von Genua und dann per Eisenbahn oder LKW über den Brenner
nach Deutschland.“ Wieder lacht sie. „Wie kommst du darauf?“
Sie ist eine kluge Frau, gar keine Frage. Aber der Weg des Tees, den ich
meine, der hat nichts zu tun mit dem Transportweg des aromatischen Getränkes.
Ich denke an den kalten und steinigen Weg des Tees, wie ihn die großen
Meister des Zen-Buddhismus einst leerten; ich denke an die Teezeremonien
in der Zeit der kämpfenden Reiche, ich denke an den Mönch Honkakubo
vom Mii-Dera-Tempel. Ich denke an das Buch „Der Tod des Teemeisters“
von Herrn Yasushi Inoue.
Eifrige Leser des Landboten werden sich vielleicht an unsere Besprechung
des beinahe gleichnamigen Filmes „Tod
eines Teemeisters“ erinnern, die vor einigen Jahren im 1. Volumen
der Rubrik Kultur erschien. Dieser mit Abstand wertvollste Film unserer
Redaktionsvideothek basiert auf ebenjenem Buche, dem wir uns heute mit
einem Gefühl innerer Demut und Ehrfurcht nähern wollen. Die
Schönheit des Ryo-An, die stolze Erhabenheit der Burg von Osaka,
das leise Glück der sich entfaltenden Kirschblüte leuchtet
uns aus seinen Zeilen entgegen. Daß Titel und Inhalt weniger stimmungsvoll
sind, bedeutet in Japan keinen Widerspruch. Die Kirschblüte und der
Tod, unendliche Ästhetik und das schiere Verderben wohnen nahe beieinander
Der Inhalt dreht sich um die Umstände des bis heute nicht restlos
aufgeklärten Freitodes des größten aller alten japanischen
Teemeister, Sen no Rikyu, 1591 in Sakai. Der Leser streift dabei eine
der bewegendsten Epochen der japanischen Geschichte: der Untergang des
Ashikaga-Shogunats, die Zeit der kämpfenden Reiche, die Reichseinigung
und die Etablierung der Tokugawa-Shogune unter Ieasu. Diesbezüglich
können wir den zukünftigen Lesern des Buches von Herrn Inoue
nur empfehlen, sich im Vorfeld etwas mit dieser Ära auseinander zu
setzen, da sonst viele der geschilderten Momente und Ereignisse in ihrem
Zusammenhang unverständlich bleiben. Dem Kenner aber eröffnet
sich eine phantastische Welt!
Nun ist es oftmals so, daß man ein exzellentes Buch liest und dann
gespannt der filmischen Umsetzung entgegensieht. In diesem Falle war es
umgekehrt. Der deutsch-französische Sender ARTE strahlte das cineastische
Meisterwerk aus dem Jahre 1989 aus, lange bevor nun endlich der Suhrkamp-Verlag
das dem Film zugrunde liegende Buch für den deutschen Sprachraum
herausgab. „Honkakubo ibun“ heißt der Original-Titel.
Wir übersetzen das mit „Die Erinnerungen des Honkakubo“.
Erschienen ist es 1981 im Reich der aufgehenden Sonne.
Da liegt jetzt also ein Exemplar auf dem Redaktionsschreibtisch des Landboten
und es trifft schon mit seiner Aufmachung eine nicht zu überhörende
Aussage: Es gibt Bücher, die sind von Adel!
Diese Bücher erheben sich himmelhoch über das unendliche Meer
gedruckter Trivialitäten. Auch und gerade dieses Werk zählt
zu den außergewöhnlichen Zeugnissen künstlerischen Geistes,
den literarischen Nobilitäten. Es spielt die Rolle eines hervorragenden
Boten der mit uns Deutschen auf so eigentümliche Art und Weise beinahe
zwillingshaft verschwisterten japanischen Hochkultur.
Nur, eben dort liegt auch der Haken. Es bedarf für einen im westlichen
Kulturkreis aufgewachsenen Menschen oftmals großer Mühe, sich
in die japanische Seele hinein zu versetzen – Verwandtschaft hin
oder her. Etwas hilflos mutet daher der Umschlagtext auf der Rückseite
des Buches an, der dem potentiellen Leser so eine Aura von Krimi vermitteln
will und auf dieser Schiene den Kauf schmackhaft machen soll. Nein, Honkakubo
ist kein Detektiv. Honkakubo ist ein Philosoph, ein Zen-Mönch, Vertreter
eines Feingeistes, der seinesgleichen sucht.
Der Handlungsablauf mutet fremdartig an, fremd auch die handelnden Personen
und fremd die Art des Umgangs miteinander. Tee ist eben nicht gleich Tee!
Der Unterschied zwischen dem Chanoyu – der japanischen Teezeremonie
– und Frau Katzentraums Zubereitung zweier Tassen Rooibos Tee „Orange
& Cinnamon“ mag diese Aussage hinreichend illustrieren. Wir
befürchten, daß gerade dieses hohe Niveau die Verbreitung dieses
außerordentlichen Werkes eingrenzen wird. So, wie es am Umfang der
Menschheit gemessen nur wenige sind, welche die Chomolungma oder den K2
besteigen, so werden es nicht viele sein, die den herrlichen Ausblick
in einen der bezauberndsten schriftstellerischen Gärten Japans, eines
unbestrittenen Achttausenders fernöstlicher Gegenwartsliteratur genießen
können.
Denen aber, die einen Zugang zu diesem Juwel finden, sei versichert, daß
sie etwas Kostbares gefunden haben, welches auf dem europäischen
Buchmarkt lange nach einer ebenbürtigen Entsprechung suchen wird.
Halldor Laxness vielleicht...
Der Tod des Teemeisters
Yasushi Inoue
Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2007
ISBN 978-3-518-41901-4
€ 19,80
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