Baaks

zurück zum Landboten

 

zurück zur Stammseite "BÜCHER"

 

Die Ewigkeit im Herz
Ausstellung Atelier Rabenstayn
-Fotokunst-

J.-F. S. Lemarcou
Von einer vielfach gebrochenen Biographie spricht der 46jährige Alexander Mühle als er seine Farben- und facettenreiche Vita erzählt: In Köln geboren, Theologie studiert und Drucker gelernt, Ingenieur für Kommunikationstechnologie geworden, in Thüringen als Pastor gearbeitet, erfolgreicher Hörfunkjournalist und TV-Marketingmanager gewesen. Für einen lokalen Sender entwickelte er gar ein ganzes Fernsehformat. Und bei alledem blieb die Neugier – die Neugier auf das, was unausgesprochen bleibt, wenig beachtet, fernab von den geschwätzigen und oberflächlichen, oftmals banalen und ausgelatschten Pfaden des modernen menschlichen Miteinanders.
Ausdruck findet diese Neugier in seiner jüngsten Ausstellung „Die Ewigkeit im Herz“ in der Kunsthalle Brennabor. Es sieht so aus als blättere der Künstler in seiner Seele und lasse den Betrachter daran teilhaben. Da leuchtet ein Kupferrahmen von der Wand. „Das haben wir vom Schrott geholt“, erklärt Mühle. „Den wollten andere nicht mehr… Wissen, Sie, der soll seine Würde zurückhaben. Jedes Ding hat doch eine Würde!“
Genau das ist der Geist dieser Ausstellung – die „Würde des schlichten Gegenstandes“.
In den Brennabor-Hallen trifft der Besucher mitnichten auf einen verschrobenen Künstler, der sich in seiner Exzentrik selbst zu feiern sucht. Statt dessen begegnet man einem sensiblen Mann mit dem Auge für das Schöne im Alltäglichen.
Eine etwa drei Meter langes Vierkantholz, dessen Schicksal sich wohl im Osterfeuer einer Kleingartenkolonie erfüllt hätte, war dem Meister zu schade, um es achtlos wegzuwerfen. Dreigeteilt hängt es nun von der Decke und blickt den Besucher im wahrsten Sinne des Wortes mit vielen Augen an: Porzellanaugen aus Lauscha, photographierte Augen aus Brandenburg an der Havel; rundherum ist das Vierkantholz mit diesen Augen versehen - darauf muß man erst mal kommen!
In der Mitte einer Skulptur dreht sich eine Gebetsmühle, bestehend aus Autoschrott, einer mit Goldglöckchen gefüllten Abfalltonne und verschiedenen Meditationsmotiven, welche allesamt auf die Dinge hinweisen, die im Leben wirklich wichtig sind: Die Bedeutung des Geldes spart der Künstler dabei so wenig aus wie die der Liebe oder die des Durstes. Mit schelmischem Augenzwinkern bereichert er die sich drehende Tonne durch ein Graffiti, mit welchem ein unbekannter Sprayer einst des Künstlers Haus „verzierte“. Andere ärgern sich. Mühle flichtt die Straßenkunst lächelnd in sein Opus ein.
Viele ausgestellte Stücke fordern den Besucher zum Dialog auf, laden ein, sich mit dem auseinanderzusetzen, was sie dem Betrachter mitzuteilen haben. Und dazwischen immer wieder Brandenburg an der Havel, der Steintorturm, der Fontaneklub, ein Brückengeländer, drei ältere Herren auf einer Parkbank am Salzhofufer mit auffliegender Taube…
Überhaupt erweist der Wahl-Brandenburger seiner neuen Heimat mit beinahe jedem Werke seine Referenz. Er, der so gerne mit Farben und Lichteffekten spielt, bringt eine vergessene Türklinke eines Seiteneingangs von St. Gotthardt auf einem kleinen Bild ganz groß zur Geltung. Hand aufs Herz: Wem sind schon die wundervollen Ornamente eines längst vergessenen Schmiedemeisters ins Auge gesprungen? Aufgestapelte Räder und Achsen der Deutschen Reichsbahn weisen nach der künstlerischen Bearbeitung wellenartige Muster auf. Alte Gewichte, verstaubt und verrostet, photographiert und künstlerisch bearbeitet, ergeben Bilder von pittoresker Anmut. Manches gemahnt an Pop Art, manches an psychedelische Formen der frühen Jahre von Pink Floyd und Flowerpower. Dennoch – weder Muster noch Farben überreizen den Raum oder den Betrachter. Vieles ist durchaus hängbar, würde – zumal die Havelstadt immer wieder thematisiert wird – nicht nur den privaten, sondern auch den behördlichen Bereich hervorragend zieren. Ortansässige Firmen oder Kanzleien könnten mit solchen Arbeiten nicht nur ihre Mitarbeiter und Gäste erfreuen, sondern darüber hinaus ihren lokalen Bezug augenfällig demonstrieren.
Der Rundgang durch die noch bis zum 18. Mai geöffnete Ausstellung führt zu der Erkenntnis, daß die von der „Leistungsgesellschaft“ permanent eingeforderte stringente Biographie oftmals zu einer Verarmung der kreativen Sicht auf die Welt führt. Die stete Neugier, das „überall-mal-reinschnuppern“, wie Mühle sich ausdrückt, das ist es, was den Erfahrungshorizont um die entscheidende Nuance erweitert. Die gebrochene Biographie als Mutter der Weitsicht und des Blickes für das schöne Detail – hier, in der Kunsthalle Brennabor tritt Mühle einen farbenfrohen und beinahe verspielten Beweis für diese These an. Zusammen mit seinem Freund Micha Tonn schuf Alexander Mühle eine Ausstellung von Werken in Brandenburg an der Havel, größtenteils über Brandenburg an der Havel und natürlich – für Brandenburg an der Havel. Kunst – die nachvollziehbar ist und erlebbar, Kunst die nachdenklich stimmt und in jedem Falle eines ist – sehr, sehr sehenswert!

 

 
B
5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008