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Der Krieg des Charlie Wilson
(Kino)

K. K. Bajun
Im Allgemeinen gehen Filme, die politische Ereignisse thematisieren, wie Blei über den Ladentisch.
Das Volk ist nicht so interessiert. Eine süß-dämliche Soap oder Telenovela, ein von Explosionen, nackter Haut und schmaler Handlung durchsetzter Streifen – das ist es, was der gemeine Filmkonsument einfordert. Das ist schade. Das ist sogar jammerschade. Denn gerade diese Politthriller eröffnen manchmal hochinteressante Blicke hinter die Kulissen der Macht, die dem Normalsterblichen in aller Regel verschlossen bleiben. Doch was interessiert Lieseken Lehmann schon Politik... Es reicht ihr, daß sie über „die da oben“ und die ständigen Preiserhöhungen schnaufen kann. Bollywood macht dann alles wieder gut.
Hollywood aber scheint den Glauben an das Bildungsbürgertum noch nicht zur Gänze aufgegeben zu haben. Im Februar 2008 kommt „Der Krieg des Charlie Wilson“ in die deutschen Kinos und sehenswert ist er allemal.
Nun gut, eine Neuauflage von „Thirteen Days“ ist es mit Sicherheit nicht. Dazu fehlen dem Film das Format und die Ausgewogenheit. Zu plump kommt die antikommunistische Propaganda des Kalten Krieges durch, die sich zu unsicher, zu wenig als Satire zu erkennen gibt. Die Klischees vom blutrünstigen, schwangere Frauen aufschlitzenden und Kinder mordenden Russki, die dem nicht eben mit üppigem Intellekt begabten Normal-Zuschauer zugemutet werden, stammen aus der Mottenkiste des Ersten Weltkrieges und sind bestenfalls geeignet, die Herzen ein paar alter SS-Veteranen zu erwärmen. Natürlich haben die Russen aus globalpolitischen Erwägungen heraus in Afghanistan gehaust wie die Henker – die Amerikaner aber dürften nach Vietnam die wirklich allerletzten sein, die sich anmaßen, Kriegsgreuel einer anderen Militärmacht anzuprangern. Das kommt sehr, sehr unglaubwürdig rüber. Da rennt doch unsichtbar das kleine, nackte Mädchen mit dem vom Napalm verbrannten Rücken über die flimmernde Leinwand. Und die Russen ausschließlich als finstere Barbaren zu zeigen, die nur damit befaßt sind, auf Greise, junge Frauen und Kinder zu ballern, nein, nein und nochmals nein – das gefällt uns nicht. Jeglicher Bolschewismus liegt uns ferne und daß die Russen in Afghanistan eindeutig die Aggressoren waren und ihre bittere Niederlage völlig verdient war, wird von uns mit keinem Worte bestritten. Aber diese blinde Orgie des Antikommunismus mit seiner verlogenen Chimäre einer angeblich Freien Welt stößt uns bitter auf.
Wo bleibt das Fair Play, die Aufklärung, von welchen Interessen Leute wie Mrs Joanne Herring und die übrigen Sponsoren des Stellvertreterkrieges am Kyberpass wirklich intendiert waren? Sehr schmal wird dieser Aspekt am Schluß des Filmes beleuchtet, als klar wird, daß Charlie Wilson zwar eine Milliarde Dollar für denn Krieg, aber nicht einmal eine Millionen Green Bucks für den Aufbau einer zerstörten afghanischen Schule mobilisieren kann. Gar nicht zum Tragen kommt die Ernte, die von Wilson, Avrakotos und den amerikanischen Militärs in Afghanistan gesät wurde: Wie dann die einstigen Verbündeten zu Todfeinden mutierten, nachdem die Russen außer Landes waren; wie das Schreckensregime der Taliban die Seelen der Afghanen und die Buddhas zu Bamyan zerstörten und den Fall der New Yorker WTC-Towers bejubelten. Wie der ganze dicke Bumerang zurückkam und die Amerikaner direkt an der rot-weiß-blauen Stirne traf. Knock Out! Das kann auch ein wie immer brillanter Tom Hanks als Kongreßabgeordneter Charlie Wilson nicht wett machen. Ein Teufelskerl ist der Herr Hanks, da beißt die Maus keinen Faden ab. Wie der trotz all der bildhübschen Rasseweiber um ihn herum und den Gallonen von Whiskey in seinem Schädel die für einen Amerikaner wirklich untypische Übersicht über das lokale und das globale Geschehen behält, wie das herausgearbeitet wird – das ist einen Ausruf des Entzückens wert. Arme Julia Roberts – wo bleibt das Licht des Vollmondes, wenn am Horizont die Sonne aufgeht…
Nein, Julia Roberts, eine Schauspielerin mit großem Potential wie wir seit „Erin Brokovich“ wissen, hatte gegen den großen Hanks keine Chance. Allenfalls der ewige Zweite, Philip Seymour Hoffman, war als CIA-Agent Gust Avrakotos dem Großmeister des amerikanischen Gütekinos ein würdiger Partner. Exorbitant auch der hervorragende Om Puri als Präsident Zia-ul-Haq: wenn auch der komische Blick des einstigen starken Mannes am Hindukusch nicht so einfach zu kopieren ist – der Auftritt selbst war authentisch.
Was am amerikanischen Film generell etwas stört ist diese kritiklose, permanente, blindwütige Anbetung der filmischen Dynamik, diese endlose Sauhatz über die Leinwand. Der Druck, unter dem die Protagonisten stets und ständig zu stehen scheinen, überträgt sich auf den Zuschauer, macht kribbelig und nervös. Schön, daß Avrakotos eine Geschichte um einen Zen-Meister besteuert. Aber das ist zu wenig: In den ganzen Streifen muß etwas mehr Zen, mehr Ruhe, mehr Ausgeglichenheit. „Thirteen Days“ hat gezeigt, daß es möglich ist. Zu einer euphorischen Empfehlung können wir uns bei Charlie Wilson nicht entschließen. Sehenswert ist er dessen ungeachtet und mehr als vier Zuschauer hat er in jedem Falle verdient.

 
B
5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008