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I
Am Legend
(Film)
Michael
L. Hübner
Alle Achtung! Um einen wirklich guten Film zu rezensieren, sollte man
ihn einmal überschlafen haben. Ich breche die Regel und lege los.
Zunächst einmal: es geht um einen Hollywood-Streifen des Genres „Endzeit-Thriller“.
Unsere Leser werden spätestens hier aufmerken. Diese Kost genießt
beim Landboten Seltenheitswert. Und wir gestehen: Wäre nicht Will
Smith die Zugmaschine, wir hätten das Ganze vielleicht sogar übersehen.
Das allerdings wäre wirklich schade gewesen.
Die Handlung ist schnell erzählt. Basierend auf einer Romanvorlage
aus der Mitte des letzten Jahrhunderts – und quasi als drittes Remake
– stellt uns der Film die Welt nach einer pandemischen Katastrophe
dar, die selbst die Spanische Grippe von 1918 und die großen Pestwellen
des 14. Jahrhunderts auf die nachrangigen Plätze verweist. Ein im
Jahre 2009 stattfindendes Experiment mit letalen Viren gerät außer
Kontrolle. Mit rasender Geschwindigkeit breitet sich das Virus aus und
vernichtet, was sich ihm auf zwei Beinen in den Weg stellt. Binnen kurzem
sind 90 Prozent der Weltbevölkerung dahingerafft. Etwa eine halbe
Millionen Menschen mutiert zu Vampirähnlichen Monstren, die mit übermenschlichen
Kräften ausgestattet, angreifen, zerreißen, fressen, was da
noch lebendig ist. Der nicht infizierte Oberstleutnant der amerikanischen
Armee und Virologe Robert Neville (Will Smith) lebt seit dem Ausbruch
der Seuche allein in der ehemaligen Super-Metropole und gegenwärtigen
Geisterstadt (wirklich sehr beeindruckend!) New York. Verzweifelt sucht
er in seinem Kellerlaboratorium nach einem Gegenmittel. Die täglich
über alle Radiosendungen abgestrahlten Hilferufe verhallen ungehört.
Wenn man nach dem Trumpf-As Hollywoods fragt, so kann es nur eine Antwort
geben: Will Smith. Dieser höchsttalentierte schauspielerische Überflieger
bringt es fertig, mit einer überwältigenden Charakterdarstellung
die Höhen und Tiefen menschlichen Sehnens und menschlicher Verzweiflung
auszudrücken. Die etwa 100 Minuten des Films bestreitet diese mimische
Ein-Mann-Armee alleine und man staunt, daß der intellektuelle Superman
auch noch die kämpferischen Qualitäten eines U.S.-Marine Sergeants
in sich vereint. Nein, alles was recht ist, Will Smith ist eine Ausnahmeerscheinung
und so, wie man völlig unkritisch alles hören kann, was Kate
Bush an Musik vorstellt, so kann man sich bar jeden leisesten Anflugs
von Zweifel alles, aber auch alles anschauen, was Smith dreht. Es ist
keine vertane Zeit. Die Leistungen der weiteren am Filmprojekt beteiligten
Schauspieler zu würdigen, erübrigt sich angesichts der völlig
dominierenden Präsenz von Will Smith. Zu kurz sind deren Auftritte,
zu wenig Gelegenheit zu ausgereiftem Spiel. Zu wenig Ansatzpunkte für
den Kritiker.
Die Teilnahme von Smith an einem Filmprojekt scheint gleichsam für
den Tiefgang des Inhalts zu bürgen. Hollywood goes philosophy! Nach
all den filmischen Bedrohungen durch Meteoriten, Vulkane, ausfallende
Erdrotation, Eiszeiten etc. sind wir viel apokalyptischen Kummer gewohnt.
Das hier aber stößt in eine andere Dimension vor. Die Bilder
des menschenleeren und überwucherten New York (die 5th Avenue wurde
für die Dreharbeiten komplett gesperrt!) sind atemberaubend, die
zerstörte Brooklyn-Bridge schnürt dem Betrachter die Luft ab.
Was sich im (gefluteten?) Holland-Tunnel abspielt, wollen wir gar nicht
wissen. Was wir zu sehen bekommen, das reicht für ein paar schlaflose
Nächte. Oftmals treibt die gespenstische Leere den Puls höher
als die eingestreuten Action-Szenen, die für Hollywood mittlerweile
zum festen Repertoire gehören. Meisterhaft wird die Entdeckung Al
Hitchcocks übersetzt, wie mit den Urängsten der Menschen cineastisch
zu spielen sei. Und was überwiegt des Menschen Angst noch vor der
Furcht vor spitzen Zähnen? Das Alleinsein. Das Verlassensein. Die
absolute Einsamkeit. Man stelle sich nur vor, man verläßt das
Brandenburger Concerthaus, tritt hinaus auf die Steinstraße und
die Straße ist leer. Absolut leer. Die Lichter verlöschen und
es rührt sich nichts mehr. Spätestens jetzt bekommen die albtraumhaften
Töne des Films einen wummernden Klang im Rhythmus der wild gegen
die Halswand pochenden Arteria carotis communis. Die Zombies, deren filmischer
Urvater aller Wahrscheinlichkeit der Ringverliebte Gollum aus dem Hause
Peter Jackson ist, sind da nur noch obligates Beiwerk für die intellektuell
etwas minderbegabteren Zuschauer, die dem Anspruch des Filmes sowieso
nicht zu folgen vermögen und beim unheiligen Quentin Tarantino ebenfalls
ganz gut aufgehoben wären. Dennoch – auch deren Dollars sind
gefragt – also geben wir ihnen das Ihrige.
Was auf der Strecke bleibt, ist die Darstellung der absehbaren Entwicklung
der menschlichen Rasse nach einem solchen Inferno. Die sogenannten Nachtjäger,
also die durch das Virus mutierten Geschöpfe, deuten das in etwa
an. Völlig abwegig dagegen ist der Ausblick auf das Überlebenden-Dorf
in Vermont. Mit der Zivilisation einer so kleinen Gemeinschaft ginge es,
das Lebensniveau betreffend, in rasendem Tempo retour in die Steinzeit,
deren Herausforderungen wiederum nur von den allerwenigsten Zeitgenossen
aus den sogenannten Hochzivilisationen gemeistert würden. Für
so gewandte Kletterkünstler wie die Nachtjäger wäre die
Grenzwallanlage nicht mal ansatzweise ein Hindernis. Und auch die Gewehre
der Kolonisten dürften bald überflüssig sein, da es wohl
kaum mehr Pulver- und Patronenfabriken gäbe, die sie mit Munition
versorgte. Also – man sollte darauf verzichten, das Szenario des
Streifens unter realitätsnahen Bedingungen weiterzudenken. Dennoch!
Voll von ikonographischen Anspielungen von Bob Marley bis hin zur Hybris
des modernen Homo „sapiens“ vermittelt der Film sehr drastisch
die fatale Sackgasse, in die sich der hoch spezialisierte Organismus Menschheit
in der wohl letzten Phase seiner irdischen Existenz begeben hat. Wie anfällig
alle gesellschaftlichen Strukturen unter einem einzigen Schlag von Gottes
Hammer sind, welcher selbst die ausgefeilteste Logistik sämtlicher
Katastrophenpläne in Nullkommanichts zu blanker Makulatur kollabieren
läßt – Hollywood bringt es endlich einmal mit diesem
Streifen auf den Punkt und wird damit wenigstens einmal so mutig wie seine
Filmhelden. Na ja. Das muß ich wohl gleich wieder etwas relativieren:
Am Ende siegt das Gottvertrauen, die puritanische Frömmigkeit der
weißen WASP (White-Anglo-Saxon-Protestant) Anna (Alice Braga) über
den nüchtern denkenden Empiriker Neville. Der Neger opfert sich nach
guter amerikanischer Tradition, aber – er stirbt und die Weiße
überlebt samt Sohn. Amerika, bist Du wirklich schon bereit für
einen Präsidenten Barak Obama?
Zumindest ist Hollywood mit diesem auch von der technischen Umsetzung
her frappant und exorbitant guten Streifen ein großer Wurf gelungen,
dem ich meine wärmste Empfehlung nicht versagen kann.
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