Endstation
Sehnsucht
Ein Theaterstück von Tennessee Williams
am Berliner Renaissance-Theater
K. K. Bajun
Das ist nun ein schwerer Weg…
Wir kamen, wir geben es zu, weil Herr Ben Becker in einem Stück von
Tennessee Williams spielte. Herr Becker hat uns nicht enttäuscht.
Das könnte er auch kaum. Er zählt wohl unwidersprochen zur allerersten
Garnitur der ernstzunehmenden deutschen Schauspielerriege.
Aber das Stück „Endstation Sehnsucht“ – um Himmels
Willen – was war denn das? Dafür hatte Herr Williams einst
den Pulitzer-Preis bekommen? Ist das ein weiteres Symptom für die
Verblödung und Verflachung der amerikanischen Nation, oder war die
am Charlottenburger Renaissance-Theater spielende Mimentruppe schlicht
nicht in der Lage, Sinn und Inhalt dieses Stückes mit Blut und Leben
zu erfüllen? Ja, Sie hören richtig – das war blutleer.
Dem Stück fehlte Dynamik, Pfeffer, Atmosphäre – New Orleans,
Louisiana, Heimat des Blues? Aber nicht auf der Bühne. Dort herrschte
Paralyse, zähes, unendlich zähes Spiel gähnte hinauf auf
die Ränge.
Frau Emanuela von Frankenberg gab die heruntergekommene, dem Whisky nicht
eben abholde, französischstämmige Tochter aus ehemals gutem
hugenottischem Hause, die noch in dem proletarischen Umfeld, in welches
das Schicksal sie hineinwarf, einen Rest aristokratische Fassade zu bewahren
suchte. Frau von Frankenberg, wir haben begriffen, was Sie uns sagen wollten.
Ein größeres Kompliment können wir Ihnen zu unserem Bedauern
nicht machen. Wenn sie eine penetrant und unerträglich quäkende
und dabei staubtrockene und langweilige Nervensäge darstellen wollten,
dann, ja dann haben Sie schauspielerisches Genie bewiesen und wir wollen
den Dreispitz vor Ihnen ziehen. Größte Authentizität bewiesen
Sie, wenn Sie in etwas vernachlässigter Toilette den Abstieg der
sich an ihre einstige gesellschaftliche Position erinnernden Blanche gaben.
Wir wünschten, wir dürften auf Ihrem Altare charmantere Komplimente
opfern.
Den Altar Frau Johanna Christine Gehlens als Stella müssen wir gänzlich
grußlos passieren. Die Figur der Stella war so fade, farb- und bedeutungslos
wie das gesamte Stück. Welch Potential schlummert in dem Stoffe,
welch großartiges vielschichtiges Psychogramm! Nichts davon wurde
umgesetzt. Es ist so jammerschade! Es gab sicher so manches Mal höflichen
Szenenapplaus und das eine oder andere Publikumsgekicher.
Hätte ein mecklenburgisches Ensemble vom flachen Lande dieselbe Leistung
geboten, wäre der Applaus sicherlich herzlicher gewesen. Aber hier
sind wir in der Hauptstadt, der Stadt Pallenbergs und Max Reinhards! Verdammt
noch mal!
Das tausendfach zu Recht renommierte Renaissance-Theater hatte ein volles
Haus. Wir mutmaßen, diese erfreuliche Auslastung ist der Anwesenheit
Herrn Beckers zu danken gewesen. Liebes Renaissance-Theater – Ihr
habt einen sehr, sehr wackligen Grand mit Einem gerade so nach Hause gebracht.
Schlappe 61 Augen, mal bildlich gesprochen. Nicht mal im Skat lag noch
irgend etwas Brauchbares, wenn man von dem nicht adäquat verwerteten
Stoff aus der Feder Herrn Williams’ absieht. Der Schweiß sollte
Euch auf der Stirne stehen. Nun danket dem Herre Gott! Und kehret zurück
zu alter Theatergröße!
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