Baaks

zurück zum Landboten

 

zurück zur Stammseite "BÜCHER"

 

Der Katzenstern
von Jörg Ritter

*


K. K. Bajun
Viele Naturvölker, so die Indianer Nordamerikas und einige Stämme der Australneger, pflegen ihren Gemeinschaften sowohl als auch den einzelnen Mitgliedern ihrer Gruppen sogenannte Totems zuzuordnen, Schutzgeister und -seelen – häufig der diesen Völkern bekannten Fauna entliehen. Des Landboten Totem-Tier ist die Katze; die präsidierende Göttin, die Dame Basht oder Bastet aus Bubastis in Unterägypten, eine ägyptische Mau.
Daraus erwächst uns geradezu die Verpflichtung, uns endlich auch einmal der Literatur zuzuwenden, die sich mit unseren geliebten Katzen befaßt.
Ein Griff ins Regal der Bibliothek des Landboten und – da haben wir’s auch schon: Ein bezauberndes Büchlein des Mecklenburger Journalisten Jörg Ritter, welches der Fischer Taschenbuch Verlag im Jahre 1994 als Lizenzausgabe von Nymphenburger herausbrachte.
Der Einlegezettel des Büchleins sagt uns, daß „Der Katzenstern“ seit 1994 bereits fünfmal in unserem Hause gelesen wurde – das bedeutet rein statistisch gesehen: alle drei Jahre.
Schon dieser Umstand rechtfertigt die Aufmerksamkeit, die wir heute den „verrückten Abenteuern eines Katertrios“, wie es im Untertitel heißt, zuwenden wollen.
Was seinerzeit bar jeden Zweifels den Kauf des 224 Seiten starken Buches geradezu erzwang ist die Titelillustration von Werner Ring. Allein dieses Umschlagbild hätte ausgereicht, um aus dem Inhalt eine Nebensache zu machen. Traurigerweise ist diese Ausgabe nicht mehr auf dem Markte zu haben. Antiquarisch vielleicht, wenn man großes Glück hat. Ansonsten ist halt nur die Originalausgabe von Nymphenburger feil, und deren Aufmacher ist im Vergleich zu dem Fischerbüchlein farb- und bedeutungslos.
Aber ich will Sie beruhigen: Der Inhalt hält, was das Cover-Bild verspricht.
Siedeln wir die Kulisse der Geschichte irgendwo in einer norddeutschen Hafenstadt um die späte Mitte des letzten Jahrhunderts an. Drei Kater mit den Namen Ringo, Castro und Frederic, dicke Freunde allzumal, stellen sich der Herausforderung durch das Heer der Ratten, deren Fürst Marduk den Untergang der Katzen beschlossen hat. Unfreiwillig assistieren ihnen dabei die sentimentale und etwas neurotische Brülldogge Cäsar und der Ratten-Nonkonformist Carell.
Und wie das so ist in den Märchen, wacht über die verwegenen Haudegen eine göttliche Fee in Gestalt einer Silberkatze, eine schnurrende Diva von unvergleichlicher Schönheit und Noblesse. Diese wohnt in einem fernen Turm, den sie mit ihrer Freundin und Beraterin Meslamtaea teilt, einer Schnee-Eule, die sich vom blauen Eiswind streicheln läßt und wunderbare Geschichten zu erzählen weiß. Enlil heißt die Katzenfee und obgleich sie wie Marduk den Namen eines (nota bene) babylonisch-sumerisch-akkadischen Gottes trägt (En-Lil ist der Herr des Windes), scheint sie der Beschreibung nach die Kronprinzessin aus dem Hause Basht zu sein.
Die drei Kater haben diesen Schutz auch bitter nötig, denn – und eben diese Nuancierung zeichnet das Büchlein in besonderem Maße aus, wie wir später noch eingehender erörtern – obgleich sie die stärksten Raufbolde der Stadt sind, so werden doch alle drei von gravierenden Gebrechen gezeichnet: Einäugig ist Frederic, bis auf einen Stummel schwanzlos ist Castro (Lieber Herr Ritter, lassen sie das bloß nicht den kubanischen Maximo Leader gleichen Namens hören: die Hispanos reagieren da sehr heißblütig…) und mit einer lädierten und stark schmerzenden Schulter kämpft sich Ringo durch das Leben. Paradies und Perfektion gibt es nur im fernen Turm der Silberkatze. Aber werden sich die drei Helden zu einem Leben im unbeschwerten Paradiese entschließen können?
Wunderbar und mit leichter Hand entwirft der Autor in drei Ebenen eine zauberhafte Geschichte, die sowohl Kindern als auch Erwachsenen mit einer Affinität zu unseren samtpfotigen Begleitern große Freude bereiten dürfte. Der Sprachstil ist einfach aber zu Herzen gehend gehalten. Keine Schnörkel, kein allzu verschachtelter Aufbau des Handlungsstranges stört die Harmonie der Erzählung. In wirklich jedem Satz liest sich die tiefe Liebe Herrn Ritters zu den Katzen heraus. Katzenmenschen – wir wissen es seit den Weltbühnen-Beiträgen unseres geistigen Herrn Vaters Tucholsky, sind besondere Menschen. Wir sind so kühn zu behaupten: sie stellen den besseren Teil der Menschheit. Wer seinen Lebensweg mit dem einer Katze teilt, beweist damit seine Fähigkeit zum Respekt vor der Souveränität einer andersgearteten Kreatur. Wird diese Liebe erwidert, so beruht sie auf freier Entscheidung und entbehrt jeglichen Devotismus, jeder Hierarchie, jeder Unterwürfigkeit.
Dennoch verzichtet Herr Ritter auf Schwarz-Weiß-Malerei. Allzu plump wären pauschale Charakterisierungen seiner Protagonisten gewesen. Beispielsweise differenziert er bei der Bewertung einzelner Rattenpersönlichkeiten. Dieser Umstand hätte sicher auch unsere selige Rattendame Prinzeßchen, welche 40 Gramm geballte Liebe war, mit dem Buche versöhnt. Das ergreifendste Plädoyer wider die ungeheuerlichen, faschistoiden Verbrechen des Nackten Affen in den sogenannten wissenschaftlichen Versuchslabors gegen seine Mitkreaturen hält ausgerechnet der Rattenfürst Marduk, der Antiheld, der schwärzeste Vertreter des Verbrechens und der Unterwelt. Dieser Bericht, den Marduk seinem Vetter, der Schiffsratte Moses über seinen Besuch in einem dieser Tierlaboratorien gibt, preßt dem Leser das Herz zusammen, läßt uns vor der Sprachgewalt und der Attitüde des Autors, die er seinem Anliegen weiht, tief, tief den Hut ziehen. Allein dieser Abschnitt verdiente es, daß das Büchlein von der Kultusministerkonferenz zur Pflichtlektüre bei den Fünftklässlern erhoben wird. Ein einfaches Kunstmärchen könnte somit das Denken der nachfolgenden Generation nachhaltig zum Positiven beeinflussen.
Wenn uns entgegengehalten wird, diese Schilderungen seien, obwohl – oder gerade weil in eine einfache Sprache gewandet, Kindern und empfindlichen Gemütern nicht zuzumuten, dann entgegnen wir: Dieser Bericht reflektiert eine grauenhafte, von Menschenhand gemachte Realität. Das Leiden der geschundenen und wehrlosen Kreatur rechtfertigt Tausend mal die Erschütterung derer, in deren Händen die Beendigung des höllischen Treibens liegt.
Insofern stellt das Büchlein „Der Katzenstern“ von Jörg Ritter nicht einfach nur eine nette kleine Geschichte im Meer der etwas gehobenen Trivialliteratur dar, sondern versteckt zwischen seinen lieblichen Zeilen einen gewaltigen Anspruch, Zündstoff und Brisanz. Ein Buch ist dann gut und wertvoll, wenn es in das Leben seines Lesers nachhaltig eingreift, wenn es Spuren im täglichen Denken und Handeln hinterläßt, wenn der Mensch, der das ausgelesene Buch ins Regal zurückstellt, nicht mehr derselbe ist, der es dem Bücherbord einst entnahm.
Diese Arbeit hat „Der Katzenstern“ nach Auskunft seines Beizettels in der Redaktion des Preußischen Landboten bereits fünfmal geleistet.
Sollte es den Verlagshäusern gelingen, diese Frequenz von einer kleinen preußischen Redaktionsstube hinaus auf die deutschen oder internationalen Straßen zu transportieren, dann würde sich die Welt um einiges liebens- und lebenswürdiger verändern. Dessen sind wir sicher.
Wir hatten die Ehre ein gütiges Buch zu besprechen, das dennoch nicht einlullt, das bei keinem seiner irdischen Protagonisten Schmerz und Leiden und Tod auspaart, das in einem besonderen Maße, obschon ein Märchen, dennoch hart bei der realen Dynamik dieser Welt verbleibt.
Ein besonderes Buch, ein Buch für die anspruchsvolle Seele… Und was wir tun können um es zu befördern und zu unterstützen, das soll getan werden. Unseren Lesern sei es warmen Herzens empfohlen.

Jörg Ritter
Der Katzenstern
Die verrückten Abenteuer eines Katertrios
Roman
Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main, März 1994
ISBN 3-596-11625-2


*Abbildung des Front-Covers mit freundlicher Genehmigung des Fischer-Verlages vom 24. Januar 2008

 
B
5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008